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Kleinleins Klartext

Sag zum Abschied leise „Tschüss“ – Der Abschied vom Versicherungsgedanken

Sag zum Abschied leise „Tschüss“ – Der Abschied vom Versicherungsgedanken

 30.09.2015  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Ich bin Ihnen noch eine Kolumne schuldig, letzte Woche habe ich keine geschrieben. Das lag nicht daran, dass ich zu faul war oder keine Ideen hatte. Es war einfach viel los. Wir hatten unsere Wissenschaftstagung (tolle kontroverse Diskussionen, großartige Referenten und engagierte Gäste), unsere Mitgliederversammlung (auch hier großartige Diskussionen) und schließlich haben wir auch den Versicherungskäse des Jahres verliehen.

Die Allianz hat gewonnen. Der Markführer darf sich rühmen, den ersten Versicherungskäse errungen zu haben, der jemals vom BdV verliehen wurde. Die Allianz darf sich auch rühmen, besonders sportlich zu sein. Sie hat den Preis würdig entgegengenommen und in einer kleinen Rede auch Humor gezeigt. Chapeau!

Die Unzulänglichkeiten des Siegertarifs

Von den Unzulänglichkeiten des Siegertarifs sollte das aber nicht ablenken. „Rund um den Arenabesuch“ nennt sich dieses versicherungstechnische Machwerk, das offensichtlich dem Hirn eines fußballbegeisterten Nerds entsprungen ist. Bei dieser Mikro-Versicherung, die gerade mal einen Tag andauert, wird eine Mini-Unfallrente mit einer „Schlüssel-Verlier-Versicherung“ (maximal 500 € Leistung) und einer „Zuspätkomm-Versicherung“ (50 % des Ticketpreises) gebündelt. Das ganze kostet dann 2 Euro und wird über die Fanpage des FC-Bayern abgeschlossen.

Keine Frage, da werden keine existentiellen Risiken abgesichert. Die Leistungen sind zu niedrig um irgendwie Sinn zu machen. Und weil man das nur dann abschließen kann, wenn der FC-Bayern im heimischen Stadion spielt, gibt es noch nicht mal die Hoffnung auf ein wirklich großes Kollektiv. Nebenbei führt der Genuss von Alkohol auch noch zu deutlichen Einschränkungen in den Leistungen. Also eine echte „Pille-Palle-Versicherung“ wie der Laudator, Peter Schütt, bei der Preisübergabe mehrfach betonte.

Mikro-Versicherung - der Horror für jeden Versicherungstechniker...

So eine Mikro-Versicherung ist der Horror für jeden Versicherungstechniker. Da werden drei unterschiedliche Risiken abgesichert. Es müssen also eigentlich drei Mini-Mikro-Versicherungen gebastelt werden. Und dann müssen die einmal abgeschlossenen Verträge ja auch verwaltet werden. Da das Kollektiv zudem recht klein, somit ist das kostendeckend vermutlich gar nicht machbar.

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass das alles so eine Art Werbegag sein soll. Da will die Allianz halt mit einem unsinnigen Produkt irgendwie auf sich aufmerksam machen. Das würde ja auch niemandem schaden. Tut es aber doch.

Solche Mikro-Versicherungen schaden dem Versicherungsgedanken. Die Idee einer Versicherung besteht ja darin, dass sich viele Menschen zusammentun um ein Risiko abzusichern, das ansonsten keiner alleine schultern könnte. Es bildet sich ein Kollektiv und das Kollektiv ist das Herz des Versicherungsgedankens.

Ein Kollektiv kann aber nicht funktionieren, wenn sich jeder nur ganz punktuell taggenau für die Versicherung, also für das Kollektiv entscheidet. Solche Mikroversicherungen verhindern, dass sich überhaupt tragfähige Kollektive bilden können. Versicherung wird so zum Nebenbei-Produkt. Neben dem „Coffee-to-go“ gibt es dann die „Versicherung-für-gewisse-Stunden“.

... und das Grab der Versicherungswirtschaft

Die Versicherungswirtschaft erzeugt so eine Anspruchshaltung beim Verbraucher, die dem Versicherungsgedanken zuwider läuft. Warum soll ich denn eine durchgehend laufende Versicherung abschließen, wenn ich schon abschätzen kann, dass mein Risiko nur an ganz bestimmten Tagen wirklich groß ist? Warum soll ich eine umfassende Absicherung abschließen, wenn ich doch schon einschätzen kann, dass just an diesem einen Tag mein Risiko eigentlich nur in ganz bestimmten Lebensbereichen besteht?

Die Versicherer werden es dann schwer haben, zu erklären, warum man sich auf den vermeintlich überflüssigen Schutz einer dauerhaften Absicherung einlassen sollte. Wenn man eigentlich die kurzlaufende Mikro-Versicherung abschließt, dann bedarf es ja keiner dauerhaften Verträge mehr, oder? Aber ohne die dauerhaften Absicherungen gibt es kein tragfähiges Kollektiv und Versicherung wird unmöglich.

Mit solchen Mikro-Versicherungen schaufelt sich die Versicherungswirtschaft nun auch jenseits der Personenversicherung das eigene Grab. Neben der Allianz hat ja auch Lloyd‘s-London mit einer Mikroversicherung zumindest eine Nominierung für den Versicherungskäse errungen. Ein zweifelhafter Modetrend.

PS: Ich habe der Jury einen Lebensversicherungstarif mit neuartigen Garantien als Käse vorgeschlagen. Der kam dann aber leider nicht in die engere Auswahl. Mal schauen, was nächstes Jahr passiert. Vorschläge können übrigens auch jetzt schon unter kaese@bundderversicherten.de eingereicht werden!


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