Wir geben Einblicke in die Versicherungswelt - von A wie Altersvorsorge bis Z wie Zinszusatzreserve.
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Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die zwischen 1994 und 2007 nach dem sogenannten Policenmodell geschlossen wurden, können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ohne zeitliche Begrenzung rückabgewickelt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie vom Versicherungsunternehmen nicht ordnungsgemäß über Ihr Widerspruchsrecht belehrt worden sind.
Viele Mitglieder haben uns zur Prüfung der Widerspruchsbelehrungen in Lebens -und Rentenversicherungen ihre Policen eingereicht. In über der Hälfte der Verträge wurde dabei falsch oder gar nicht belehrt.
Was ich hierbei zu lesen bekomme, ist sehr interessant und umfangreich aber auch sehr kreativ (von Seiten der Versicherer). Ich nenne hier nur einige Beispiele aus meinem Berateralltag.
In einem Policenbegleitschreiben steht doch tatsächlich “…vielen Dank für Ihr Vertrauen… wir werden stets bemüht sein, dieses zu rechtfertigen…“. Da kommt mir doch sofort die Zeugnissprache in den Kopf: Welche Note ist noch ein „stets bemüht“? Eine 5 oder eine 6? War dies vielleicht schon ein Wink mit dem Zaunpfahl?
Die Belehrung zu dem Widerspruchsrecht war in diesem Fall falsch!
Ein anderes Mitglied hat wiederum den Widerspruch bereits gegenüber seinem Versicherer erklärt. Dieser ist auch bereit darauf einzugehen und den Vertrag rückabzuwickeln. Hierfür hat unser Mitglied eine zu unterschreibende Vergleichsvereinbarung zugesandt bekommen, welche u. a. eine Geheimhaltungspflicht beinhaltet. Unser Mitglied sollte sich verpflichten, den Abschluss und den Inhalt der Vergleichsvereinbarung geheim zu halten und ihn weder ganz noch teilweise an Dritte weiterzugeben. Für jeden Fall der Verletzung der Geheimhaltungsverpflichtung, sollte sich unser Mitglied zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 1.000 Euro verpflichten. Unser Mitglied hat diese Vergleichsvereinbarung nicht unterschrieben.
Dabei hat ein Versicherungsnehmer doch das Recht, bei einer fehlerhaften oder fehlenden Belehrung dem Vertrag zu widersprechen. Hierbei hat er einen Anspruch von dem Versicherer einen Geldbetrag einzufordern, der sich wie folgt errechnet:
• sämtliche eingezahlten Versicherungsbeiträge
• zuzüglich Nutzungszinsen
• abzüglich der auf die Versicherungsbeiträge entfallenden Kostenanteile für die Risikoabsicherung (z. B. Todesfallschutz, Unfallzusatz- oder Berufsunfähigkeitszusatzversicherung)
Ein weiteres Mitglied hat ebenfalls bereits von seinem Recht, dem Vertrag aufgrund einer fehlerhaften Belehrung zu widersprechen, Gebrauch gemacht. Dieser Versicherer hat unser Mitglied vertröstet, mit der Begründung, dass der Bundesgerichtshof (BGH) zwar entschieden hat, welche Beträge erstattet werden müssen, aber noch nicht abschließend entschieden hat, welche Nutzungszinsen darüber hinaus herauszugeben und wie diese zu berechnen sind.
Der BGH hat mit Urteil vom 29.07.2015 sehr wohl darüber entschieden, dass die Nutzungszinsen bei einem Widerspruch des Vertrages herauszugeben sind, die tatsächlich vom Versicherer gezogen wurden. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Höhe der Nutzungszinsen liegt dabei bei den Versicherungsnehmern. Das heißt, der Versicherungsnehmer muss entsprechende Tatsachen vortragen,, in welcher Höhe der Versicherer Nutzungszinsen erwirtschaftet hat. Dieser Tatsachenvortrag muss Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Lebensversicherers nehmen. Über weitere Einzelfragen des Nutzungsersatzes hatte der BGH hier nicht zu entscheiden. Insofern ist noch offen, worauf dieser Tatsachenvortrag gestützt werden kann und wie der Nutzungsersatz genau zu berechnen ist. Diesbezüglich steht also eine Entscheidung des BGH noch aus, die allerdings demnächst erwartet wird. Anhaltspunkt hierfür könnten die Geschäftsberichte aus den Jahren ab Vertragsbeginn liefern.
Ich bin gespannt, welche kreativen Ideen und Schreiben mir von Seiten der Versicherer beim Prüfen der Belehrungen noch über den Weg laufen werden.