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Basisinformationsblätter für Lebensversicherungen – Kommende Neuerungen

Basisinformationsblätter für Lebensversicherungen – Kommende Neuerungen

 16.09.2022  BdV in Europa  0 Kommentare  Christian Gülich

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat vor Kurzem die Resultate einer Untersuchung zu den Basisinformationsblättern (BIB) von deutschen Lebensversicherern veröffentlicht. Das nehmen wir zum Anlass, um auf kommende und angedachte Änderungen auf EU-Ebene zu den BIB hinzuweisen.

© Scott Graham / Unsplash

Untersuchung der BaFin

Ende Juli veröffentlichte die BaFin auf Ihrer Website einen Fachartikel, in dem sie konstatierte, dass die Basisinformationsblätter der deutschen Lebensversicherer nur Mängel „formaler Art“, aber keine schwerwiegenden aufwiesen. „Konkret kontrollierte sie, ob Verbraucher die Basisinformationsblätter leicht finden können, ob diese aktuell sind und die formalen Vorgaben der PRIIPs-Verordnung erfüllen.“ Als „schwerwiegend“ hätten Berechnungsfehler bei den Performance-Szenarien oder den Kostenangaben oder etwa das Fehlen des Risikofaktors bzw. dessen zu niedrige Klassifikation gegolten. Die gefundenen formalen Fehler (z. B. im Abschnitt „um welche Art von Produkt handelt es sich“ die Angabe, wie die Rendite ermittelt wird) seien mittlerweile behoben worden. Aus Verbrauchersicht kann man nur hoffen, dass die BaFin nicht zu milde geurteilt hat, denn die empirische Basis für diese Aussage (36 Dokumente) ist nicht sehr groß. Eine BaFin-Untersuchung der Produktinformationsblätter zu den Sachsparten Hausrat und Rechtsschutz Ende 2021 kam zu einer deutlich kritischeren Einschätzung.

Ist also alles in Ordnung bei den Basisinformationsblättern für Lebensversicherungen, die als vorvertragliches Dokument eine wichtige Rolle während eines Verkaufsgesprächs spielen? Bereits in einem früheren Blogbeitrag hatten wir auf notwendige Änderungen hingewiesen wie etwa bei der Renditeminderung als Kostenkennziffer.

Neue EU - Delegierte Verordnung (DVO)

Mittlerweile ist es hier zu konkreten Resultaten gekommen, denn eine neue EU-Verordnung zu den BIB (DVO EU/2021/2268 vom 6. September 2021) wird Anfang 2023 in Kraft treten. Vorrangig betrifft sie Kleinanlegerprodukte (Investmentfonds, Zertifikate u. a.), teilweise aber auch Versicherungsanlage­produkte (Fondspolicen sowie Lebens- und Rentenversicherungen mit Sparanteil). Für Letztere sind u. a. folgende Änderungen wichtig:

  • Wertentwicklungsszenarien: „Die Annahmen über eine künftige Gewinnbeteiligung müssen mit der Annahme über die jährlichen Renditen der zugrunde liegenden Vermögenswerte übereinstimmen“. Sie müssen „realistisch“ sein hinsichtlich der „Annahmen über die Aufteilung der künftigen Gewinne zwischen dem Produkthersteller und dem Kleinanleger“.
  • Berücksichtigung von Gewinnbeteiligungen: „Bezieht sich eine Komponente der Wertentwicklung auf eine Gewinnbeteiligung, die auf Ermessensbasis zahlbar ist, wird diese Komponente nur in optimistischen Performance-Szenarien angenommen.“ Letzteres kann nur bedeuten, dass insbesondere Überschussbeteiligungen und Schlussüberschüsse nur in das „optimistische“, nicht aber das „mittlere“, geschweige denn das „pessimistische“ Wertentwicklungsszenario mit einfließen dürfen.
  • Angabe von früheren Wertentwicklungen: Es muss ein Verweis auf die Website des Versicherers eingefügt werden, wo die Informationen über Wertentwicklungen in der Vergangenheit gefunden werden können (einschließlich der dafür zugrundeliegenden Anzahl der Jahre) – im Abschnitt „sonstige zweckdienliche Angaben“.
  • Sofortrenten: In den Szenarien muss für den Erlebensfall der „kumulierte Betrag der an den Kleinanleger geleisteten Zahlungen“ sowie für die Zeitabschnitte zuvor die „Rückkaufswerte“ angegeben werden. Für den Todesfall muss der „Pauschalbetrag“ ausgewiesen werden, „den die Begünstigten zu diesem Zeitpunkt erhalten“.
  • „Ausstiegskosten“, d. h. Kosten bei regulärem Vertragsablauf (in Tabelle „Zusammensetzung der Kosten“): Diese Kostenart fällt bei Lebens- und Rentenversicherungen (im Gegensatz zu börsennotierten Wertpapieren) nicht an, deshalb wird zukünftig „in der rechten Spalte ‚Nicht zutreffend‘ angegeben und zusätzlich zu den vorstehenden Beschreibungen wird die folgende Erklärung in die Spalte eingefügt: ‚Unter Ausstiegskosten wird in der nächsten Spalte ‚Nicht zutreffend‘ angegeben, da sie nicht anfallen, wenn Sie das Produkt bis zum Ende der empfohlenen Haltedauer halten.‘“ Auf diese Klarstellung hatte der BdV mehrfach in seinen Stellungnahmen gedrungen.
  • „Verwaltungsgebühren“ (in Tabelle „Zusammensetzung der Kosten“): Ausweis der Kosten für den Versicherungsvertrag sowie der Kostenspanne der Anlageoptionen in Prozent der Renditeminderung. Bei den Kosten des Versicherungsvertrags bleibt leider unklar, wie genau sie offengelegt werden müssen (oder gar nur die Tatsache an sich, dass diese Kosten anfallen).
  • Produkte mit verschiedenen Anlageoptionen: Es wird weiter spezifiziert, dass der Versicherer zwei BIBs bereitstellen muss. Das „generische“ BIB muss - abgesehen von der Darstellung des eigentlichen Versicherungs­schutzes - bei den laufenden Kosten den „Kostenbereich“ oder die „Kostenspanne“ der möglichen Anlageoptionen (für den Sparanteil) aufführen. Dazu kommt eine „Beschreibung, wo die spezifischen Informationen über jede zugrundeliegende Anlageoption zu finden sind.“ Das führt zu dem zweiten BIB, wobei für jede Anlageoption ein eigenes BIB (z. B. Investmentfonds) vorgehalten werden muss. Das „generische“ BIB muss den expliziten „Hinweis“ enthalten, dass nur sich aus der „Kombination“ der Kosten von Versicherungsschutz und der jeweils gewählten Anlageoption die „Gesamtkosten“ ergeben (im Abschnitt „Welche Kosten entstehen?“).

Diese Delegierte Verordnung (DVO EU/2022/2218) ist vorrangig auf die Novellierung von Vorgaben für die Berechnung der Wertentwicklungsszenarien, der Kostenindikatoren und der verschiedenen Anlageoptionen ausgerichtet. Mit diesem eher „technischen“ Charakter stellt sie auf die Novellierung der vorherigen DVO (EU/2017/653) vom März 2017 ab. Sie sollte ab dem 1. Juli 2022 gelten, was nun aber auf den 1. Januar 2023 verschoben wurde, wie die BaFin Ende Juni mitteilte. Die ESAs sollen Anfang 2023 weitere „Leitlinien“ für die praktische Anwendung veröffentlichen.

Weitere angestrebte Änderungen

Von den Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) gibt es aber noch grundlegendere Reformbestrebungen bezüglich der BIB, die von ihnen in einem umfassenden Positionspapier (ESA Advice of 29 April 2022) zusammengefasst wurden und auf eine Novellierung der ursprünglichen PRIIPs-KID-Verordnung vom Dezember 2014 (EU/1286/2014) abzielen. An der vorangehenden Konsultation dazu hatte sich der BdV mit einer ausführlichen Stellungnahme (vom 16. Dezember 2021) beteiligt.

Für Versicherungsanlageprodukte werden u. a. folgende Änderungen vorgeschlagen:

  • Dashboard“: Einführung einer knappen Übersichtstafel über die wichtigsten Kennziffern zu möglichen Wertentwicklungen/Auszahlungen, Kosten und Risikofaktor bei regulärem Vertragsende.
  • Wertentwicklungen und Vergangenheitswerte: Statt von „Wertentwicklungs-Szenarien“ soll zukünftig von „Angemessenen Informationen zur Wertentwicklung“ gesprochen werden, um Vergangenheitswerte ausdrücklich mit einzubeziehen. Kurze narrative Texte sollen die Faktoren erläutern, von denen die Wertentwicklung abhängt (z. B. Zinssatz, Volatilität, Vergleichsindex). Die Produktanbieter sollen darüber hinaus einen „Filtermechanismus“ hinsichtlich der angestrebten Rendite auf der Website anbieten, damit die mögliche Produktauswahl vorab gezielter eingrenzt werden kann.
  • Produkte mit verschiedenen Anlagemöglichkeiten: In dem „generischen“ BIB sollen die Kosten des Versicherungsvertrages (Verwaltung, Vertrieb u. a.) von den Kosten der Kapitalanlage getrennt ausgewiesen werden. Während die Kosten des Versicherungsvertrages in einer einzigen Kostenziffer zusammengefasst werden sollen, kann für die Anlageoptionen eine Kostenspanne angegeben werden.
  • Berücksichtigte Produktkategorien: Die ESAs empfehlen nicht, die bestehende PRIIPs-Regulierung auf bisher ausgeschlossene Produktkategorien wie die betriebliche oder die im nationalen Rahmen anerkannte private Altersvorsorge auszudehnen. Die ESAs wollen aber eine „deutlich längere, nicht-abschließende Liste“ von eingeschlossenen bzw. ausgenommenen Produkten erstellen. Während bisher z. B. temporäre Renten, beruhend auf einem Einmalbeitrag, miteingeschlossen sind, sollen zukünftig Sofortrenten generell nicht berücksichtigt werden, wenn sie keine Ansparphase beinhalten.

Die meisten der anderen Änderungsvorschläge betreffen nicht nur Versicherungs-, sondern auch die Geldanlageprodukte, die unter die PRIIPs-Verordnung fallen (Investmentfonds, Zertifikate u. a.). So soll wegen der seit August 2022 obligatorischen Abfrage der „Nachhaltigkeitspräferenzen“ auch im BIB explizit ausgewiesen werden, ob das Anlageprodukt nachhaltige Investitionsziele verfolgt oder nicht, und wenn ja, welche.

  • Ausführlich wird auch darauf eingegangen, wie das BIB für die Online-Nutzung noch attraktiver gemacht werden kann. Zum einen soll das Konzept der „Schichtung“ („layering“) von Informationen mehr genutzt werden, d. h. der Gefahr der Informationsüberladung im BIB soll dadurch vorgebeugt werden, dass das BIB vermehrt Verweise (Hyperlinks) enthalten kann, wo Zusatzinformationen zu bestimmten Punkten (Risikostufen, Kostenkennziffern, Wertentwicklungen o. a.) auf den Websites der Produktanbieter gefunden werden können.
  • Zum anderen soll das BIB nicht bloß ein statisches „Blatt“ sein, sondern „interaktive Elemente“ einschließen, um insbesondere Produktvergleiche besser zu ermöglichen (mittels Infografiken, Erklärvideos o. a.). Das haben Verbrauchertests ergeben, und man wird gespannt sein können, wie z. B. auch die Einbindung der BIB in Applikationen für Smartphones gelöst werden könnte.

Trotz all dieser sicherlich zu begrüßenden Überlegungen bleiben einige grundlegende Fragen ungeklärt. So sollte bei den Kostenangaben die angewandte Methode der „Renditeminderung“ weiterhin in Frage gestellt werden, zumindest solange die dafür notwendigen Annahmen wie die exakte Höhe der für die Zukunft unterstellten Rendite nicht offengelegt werden müssen. Diese soll zwar „realistisch“ sein, aber es bleibt ein relativ großer Ermessensspielraum für die Produktanbieter. Die europäische Verbraucherorganisation Better Finance hat weitere Kritikpunkte auf ihrer Website zusammengefasst.

Offen bleibt leider auch der zeitliche Rahmen, innerhalb dessen diese Änderungsvorschläge umgesetzt werden könnten. Von der EU-Kommission war nur das Datum für die Abgabe dieses „Advice“ (30. April 2022) vorgegeben worden. Damit sind die Überprüfungsanforderungen aus der Verordnung von 2014 erfüllt. Weitere Terminangaben fehlen bisher.


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