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Gabriel Bernardino, Chef der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA, sagte Anfang September 2015 in Frankfurt/Main klipp und klar, dass ein neues Produkt für die private Altersvorsorge kommen solle: das Pan-European Personal Pension product (PEPP), das wie bestimmte Investmentfonds (UCITS funds) grenzüberschreitend europaweit vertrieben werden soll. Auf dieser Konferenz konnten sich Experten und Verbände von Versicherern, Investmentgesellschaften, Verbraucherschützern u.a. austauschen, um für die EIOPA-Konsultation zu PEPP bis Anfang Oktober eine Stellungnahme abzugeben.
EIOPA-Konferenz zu PEPP am 7.9.15 in Frankfurt/Main (© EIOPA)
Ganz neu sind diese Pläne nicht: Ausgehend vom Renten-Weißbuch der EU-Kommission (2012) fand bereits 2013 eine erste EIOPA-Konsultation statt, zu der ein ausführlicher Abschlussbericht (Februar 2014) veröffentlicht wurde. Im Juli 2014 wurde EIOPA von der Kommission beauftragt (Call for Advice), bis Februar 2016 eine Vorlage für eine Richtlinie oder Regulierung zu erarbeiten. Das Ziel der Erweiterung des EU-Binnenmarktes um die private Altersvorsorge wurde durch das Grünbuch der Kommission zur Kapitalmarktunion im Februar 2015 nochmals unterstrichen. Dieser Gesamtrahmen muss berücksichtigt werden, um Ursprung und Stellenwert dieses Vorhabens zu erkennen.
Hauptgründe für die mögliche Einführung von PEPP sind u.a. die Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität von Arbeitnehmern (für den EU-Binnenmarkt) sowie der sehr ungleiche Entwicklungsstand der privaten Altersvorsorge in der EU. Aber es geht auch um die Rückgewinnung von Verbrauchervertrauen in die Finanzmärkte (nach der globalen Krise von 2008/09), weshalb das PEPP „einfach, transparent, kosteneffizient und vertrauenswürdig“ (overarching qualities) sein müsse, um ein Erfolg zu werden.
In der Ansparphase könnte das PEPP wie ein Investmentfonds gestaltet sein, denn es soll eine Standard-Investmentoption geben (z. B. wie Lebenszyklusprodukte mit abnehmendem Risiko gegen Ende der Einzahlphase). Die Anzahl kostenloser Fondswechsel und sonstiger Wahlmöglichkeiten während der Einzahlphase soll begrenzt werden. Neben diesen Pflichtmerkmalen kann es flexible Merkmale geben wie eine Beitragsgarantie, die Festlegung des Beginns der Auszahlungsphase oder den Einschluss biometrischer Risiken. Die vorvertraglichen und die laufenden Verbraucherinformationen sollen sich an den PRIIPs orientieren (etwa Kostenoffenlegungen für Vertrieb, Kapitalanlage und Vertragsverwaltung bei Versicherungs- u.a. Anlageprodukten).
Aus Verbrauchersicht ist die Einführung von PEPPs zu befürworten sofern die vier genannten Qualitäten wirklich umgesetzt werden. Sie könnten zur Messlatte für alle anderen Altersvorsorgeprodukte werden (egal ob Bank- oder Fondssparplan, private Rentenversicherung o.a.). Gemäß dem Grundsatz der Trennung von Sparen und Risikoschutz sollten allerdings nur Langlebigkeit und Todesfall als biometrische Risiken miteinbezogen werden (weder Unfall noch Berufsunfähigkeit etwa).
Außerdem soll EIOPA ein Zentralregister aller zugelassenen PEPPs führen. Die Zulassung soll durch die jeweilige nationale Aufsichtsbehörde erfolgen, die auch den Produktpass für den grenzüberschreitenden Vertrieb ausstellt. Aus Verbrauchersicht erscheint das wenig zweckmäßig: Zulassung, Produktpass und Register sollten in einer Hand, nämlich bei EIOPA, liegen. Dadurch würde gegenüber den Verbrauchern klar zum Ausdruck kommen, dass ein PEPP ein europäisches und nicht ein nationales Produkt ist.
Im EIOPA-Konsultationspapier wurde die Auszahlungsphase bewusst nicht eingeschlossen, da diese - wie die Besteuerung - den Mitgliedsstaaten überlassen werden soll. Aus Verbrauchersicht erscheint es aber unerlässlich, auch hierzu Mindeststandards zu setzen. Von EIOPA selbst gibt es bereits eine ausgezeichnete Vorlage, nämlich EIOPA’s Fact Finding Report on Decumulation Phase Practices vom Oktober 2014. Als verbreitete Auszahlungsoptionen werden hierin vorrangig genannt: lebenslange Rente (annuity), Einmalauszahlung (lump sum), Auszahlungsplan mit Kapitalverzehr (programmed withdrawal) sowie Auszahlungsplan mit späterer Verrentung (income drawdown).
Letzteres ist in Deutschland von Riester-, Bank- und -Fondssparplänen bekannt, zusätzlich genannt werden könnte die partielle Einmalauszahlung mit sofortiger Verrentung des Restkapitals. Die Details dieser Auszahlungsoptionen (vor allem hinsichtlich ihrer Höhe und Kostenbelastungen) müssten den Verbrauchern sowohl bei den vorvertraglichen Informationen als auch gegen Ende der Einzahlungsphase umfassend dargestellt werden.
Auf der erwähnten EIOPA-Konferenz wurde deutlich, dass sowohl Investmentgesellschaften wie Verbraucherschützer die EU-Pläne zu den PEPPs klar unterstützen. Von Seiten der betrieblichen Altersvorsorge wurden Bedenken geäußert, was nicht verwunderlich ist, da PEPPs nicht in betriebliche Durchführungswege eingebunden werden sollen.
Die Verlautbarungen der Versicherer könnten als ein lauwarmes Ja interpretiert werden. Noch 2013/14 hatte sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft klar dagegen ausgesprochen (vgl. Europa im Wahljahr 2014. Die Positionen der deutschen Versicherer, S. 22, GDV Berlin; Assekuranz Agenda, Nr. 35, August/September 2013, S. 1f). Von Insurance Europe, dem europäischen Dachverband der Versicherer, wurde jetzt angeregt, das sogenannte Glättungsverfahren (smoothing) als Standardoption in der Einzahlphase hinzuzunehmen (für eine gleichmäßigere Gewinnbeteiligung).
Eine weitere Schwierigkeit für traditionelle Versicherer ist der Vertrieb. Durch die forcierte Standardisierung sollen PEPPs vorrangig über das Internet verkauft werden. Wenn ein Verbraucher die vorgeschlagene Standardoption wählt, soll er sogar komplett auf eine Beratung verzichten können. Dadurch wäre der traditionelle Vertrieb über Vertreter oder Makler vom PEPP-Markt weitgehend ausgeschlossen. Die Einführung verpflichtender Kostendeckelungen bei den Standardoptionen ist ebenfalls möglich.
Laut dem Grünbuch der EU-Kommission zur Kapitalmarktunion beträgt das europaweit verwaltete Vermögen der Investmentbranche mehr als 17 Billionen Euro, das der Versicherungsbranche und Altersvorsorge rund 12 Billionen Euro. Diese Zahlen alleine dürften schon etwas über die Realisierungschancen von PEPP aussagen. Aber nur wenn die genannten Bedingungen hinsichtlich Zulassung, Beaufsichtigung und Transparenz realisiert werden, kann PEPP eine zusätzliche Möglichkeit in der privaten Altersvorsorge für die europäischen Verbraucher darstellen, mit der sie einen echten Gegenwert (value for money) erhalten.