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BdV in Europa

EIOPA 2022 Report on Costs and Past Performance – Rückblick mit begrenztem Aussagewert?

EIOPA 2022 Report on Costs and Past Performance – Rückblick mit begrenztem Aussagewert?

 12.07.2022  BdV in Europa  0 Kommentare  Christian Gülich

Seit Ende 2018 veröffentlicht die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA in Frankfurt am Main einen jährlichen Bericht über Kosten und vergangene Wertentwicklungen von kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen in Europa. Der im April 2022 veröffentlichte Bericht bezieht sich auf den Zeitraum 2016-2020 und berücksichtigt zum ersten Mal auch Betriebsrenten. Wir geben einen kurzen Überblick über die Ergebnisse, aber auch über notwendige Einschränkungen hinsichtlich des Aussagewertes dieses Berichts.

 

© Bruno/Germany /Pixabay

Kapital-Lebensversicherungen („Insurance-based investment products“- IBIPs)

Alle Aussagen, die zu Wertentwicklung und Kosten von Kapital-Lebens­versiche­rungen gemacht werden, beruhen auf den Definitionen und Kennziffern der Basisinformationsblätter, die seit 2018 EU-weit in Gebrauch sind. Die Kennziffer, die der Berechnung der Wertentwicklung unterliegt, ist die so genannte „Reduction in Yield“ („Renditeminderung“), die der BdV immer wieder öffentlich kritisiert hat - d.h. Kosten werden von einer angenommenen Rendite, aber nicht von geleisteten Beiträgen abgezogen. 

Unterschieden werden Fondspolicen („unit-linked products“), Hybridpolicen (vorrangig „Zwei-Topf“-Produkte) und klassische Policen mit Überschuss­beteiligungen („profit participation products“), zusätzlich differenziert nach Risikoeinstufung der Kapitalanlage, Vertragsdauer und Art der Prämienzahlung (einmalig oder fortlaufend).

Der betrachtete Zeitraum 2016-2020 war weltweit von hohen Kapitalmarkt­schwankungen gekennzeichnet („Crash“ Ende 2018, Aufschwung 2019, Corona-Turbulenzen 2020), dennoch ist die durchschnittliche „gewichtete“ Gesamtwertentwicklung nach Kosten positiv (Report, p. 18-23, 63):

  • Fondspolicen: 4,7% / Jahr (DE: 6%)
  • Hybridpolicen: 2,5% / Jahr (DE: 2%)
  • Überschusspolicen: 1,7% / Jahr (DE: 2%)

Diese Zahlen unterlagen großen Schwankungsbreiten je nach EU-Mitgliedsstaaten, nach diesen Auswertungen lagen die deutschen Lebensversicherer bei Fonds- und Überschusspolicen sogar über dem EU-Durchschnitt. Bemerkenswert sind folgende zwei Detailaussagen in dem Bericht:

  • Auf der niedrigsten Kapitalmarkt-Risikoklasse 1 haben Fonds- und Hybridpolicen sogar negative Renditen. EIOPA kritisiert vor allem bei Fondspolicen mit niedrigen Risikoeinstufungen den offensichtlich fehlenden „Value for Money“, da sie „low returns“ ausweisen sogar ohne das zusätzliche Sicherheitsnetz der Hybridprodukte mit ihren unvermeidlichen „Opportunitätskosten“ (Report, p. 23).
  • Wenn es um Vertragsdauer („Recommended Holding Period“) geht, muss nach EIOPA die Annahme in Frage gestellt werden, dass eine längere Laufzeit immer mit höherer Rendite einhergeht. Die Grenze zwischen „kurzer“ und „langer“ Laufzeit wird bei 15 Jahren angesetzt. Der Bericht zeigt, dass bei Fondspolicen (6% versus 4%) und bei Überschusspolicen (2,3% versus 1,3%) diese Annahme stimmt, bei Hybridprodukten eine kurze Vertragsdauer aber leicht besser abschneidet als eine lange (2,2% versus 2,1%; Report, p. 24-25).

Bei den Kosten werden fünf Hauptkategorien unterschieden: Verwaltungs-, biometrische, Vertriebs-, Kapitalanlage- und zusätzliche Kosten (Report, p. 32-33). Werden die Kosten aggregiert (mittels der „Renditeminderung“), ergibt sich folgendes Bild für das Jahr 2020:

  • Bei Fondspolicen liegt die Spanne der Gesamtkosten von 1,3% bis 4,1% je nach Mitgliedsstaat. Hinsichtlich der Kosten-Rendite-Relation schneidet Schweden am besten ab (mit Kosten von 1,4% und gleichzeitig der höchsten Nettorendite von 10%).
  • Bei Hybridprodukten liegt die Kostenspanne bei 2,1% bis 4,8%, und es ist Italien mit der besten Kosten-Rendite-Relation (über 4% Rendite bei 2,1% Gesamtkosten).

Für beide Produktkategorien gilt, dass die Gesamtkosten bei der niedrigsten Risikoklasse 1 auch am geringsten sind (für beide1,6%) im Vergleich zu höheren Risikoeinstufungen. Bei höherem Risiko sind Fondspolicen allerdings noch teurer als Hybridprodukte (ca. 3% versus 2%), denn die Kosten des „Versicherungsmantels“ steigen bei Fondspolicen mit höherem Risiko umso stärker.

Auf diese Kostenproblematik verweist auch Better Finance.

Hinsichtlich Laufzeit sind „kurze“ Verträge teurer als „lange“ bei Fondspolicen (2,8% versus 2,2%), was wenig erstaunlich ist, bei Hybridprodukten gibt es dagegen keinen Unterschied (2,2%). Bei Fondspolicen sind laufende Prämienzahlungen etwas kostengünstigster, bei Hybridprodukte Einmalzahlungen, wobei der Bericht aber betont, dass die Ergebnisse nicht eindeutig seien (Report, p. 26-31). Auf die öffentliche Kritik an Kosten von Fondspolicen in Deutschland gehen wir unten nochmals gesondert ein.

Bezüglich der Überschussprodukte lautet die generelle Schlussfolgerung, dass Kosten stabiler als Renditen sind, was implizit heißt, bei Schwankungen der Finanzmärkte werden eher Gewinnbeteiligungen als Kosten gesenkt. Unausweichlich haben Überschussprodukte ihre „Opportunitätskosten“, d.h. im Vergleich zu Fondspolicen und Hybridprodukten ist ihre Durchschnittsrendite deutlich geringer (bei Verträgen ab 2016 1,4 % versus 5,0% bzw. 2,0%; Report, p. 37). Des Weiteren steigen die Kosten bei Überschussprodukten mit höherer Risikoeinstufung, obwohl nur die Risikoklassen 1-3 berücksichtigt wurden. Kurze Laufzeiten sind etwas kostengünstiger als lange (Report, p. 31).

Der Bericht geht außerdem auf LV-Produkte mit Nachhaltigkeitsanspruch ein, wobei betont werden muss, dass diese für den untersuchten Zeitraum (2016-2020) noch nicht der mittlerweile EU-weit verbindlichen ESG-Taxonomie unterliegen (erst ca. 10% Marktanteil an den untersuchten Bruttoprämien). Die Renditen der ESG-Produkte lagen bei Fondspolicen deutlich über den der Nicht-ESG-Produkte (8,6% versus 4,7%) und bei Hybridprodukten knapp darüber (2,8% versus 2,5%; Report, p. 36). Der Bericht betont, dass diese Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren seien nicht nur wegen der noch nicht vereinheitlichten ESG-Kriterien, sondern auch wegen der Gefahren der Kursüberbewertung durch massive Kapitalzuflüsse in kurzer Zeit bei begrenzten Anlagemöglichkeiten (Report, p.37/38).

Rentenprodukte – privat und betrieblich

Im Gegensatz zu Lebensversicherungen gibt es keine EU-einheitliche Definition von Rentenprodukten. Deshalb muss sich EIOPA auf diejenigen beschränken, die unter ihre Aufsicht fallen: Privatrenten, die auch Versicherungsanlageprodukte („IBIPs“) sind, sowie Betriebsrenten, die von Einrichtungen betrieblicher Altersvorsorge (EbAv, d.h. vor allem Pensionskassen und Pensionsfonds) angeboten werden, die unter die EbAv II-Richtlinie fallen. Nur über diese Produktkategorien verfügt EIOPA auch statistische Daten.

Bei Privatrenten unterscheidet der Bericht zwischen fondsgebundenen und Überschussprodukten, deren durchschnittliche Nettorenditen für den Zeitraum von 2016-2020 sich auf 4,7% versus 1,7% belaufen. EIOPA kritisiert, dass speziell für das Jahr 2020 die Renditen für beide Produktkategorien (3,1% versus 1,5%) zwar noch positiv, aber schwächer als der 5-Jahres­durchschnitt seien - bei gleichzeitig leicht ansteigenden Kosten zumindest bei den fondsgebundenen Produkten (2,2% für 2020; Report, p. 40-41). Die absinkende Rendite habe beim langfristig orientierten Sparen wegen der ansteigenden Inflation eine für die Verbraucher noch stärker „schädliche“ Wirkung. Speziell für deutsche Privatrenten kommt EIOPA zu folgenden Renditenangaben für den Zeitraum 2016-2020: fondsgebundene (6,6%) und mit Überschussbeteiligung (2,0%). Sie lagen damit sogar über dem EU-Durchschnitt (Report, p. 43/44).

Bei Betriebsrenten ist die Datengrundlage noch eingeschränkter, nur EbAv werden überhaupt erfasst. Damit werden für Deutschland aber weniger als 25% aller Betriebsrenten erfasst, denn hierzulande sind neben Pensionskassen und Pensionsfonds andere Durchführungswege (Direktversicherungen, Unterstützungskassen und Direktzusagen) bedeutsamer (1). In den Niederlanden z.B. decken dagegen Pensionsfonds fast komplett den heimischen Markt für Betriebsrenten ab.

Die Zahlen, die im Bericht zu den EbAv veröffentlicht werden, beziehen sich nur auf die verwalteten Vermögen in der Gesamtsumme sowie auf „Einkommen“ und „Ausgaben“ der EbAv selbst, aber nicht ihrer „Mitglieder“, sprich Leistungsempfänger (aus 24 der 27 EU-Staaten). Das verwaltete Gesamtvermögen der EbAv belief sich im Jahr 2020 auf 2,5 Billionen Euro, das der EbAv ausschließlich mit Beitragszusagen („defined contributions“) auf 337 Mrd. Euro (Report, p. 49). Die EbAv mit Beitragszusagen hatten 2020 aggregierte „Ausgaben“ (hauptsächlich für die Kapitalanlage) von 1,8 Mrd. Euro, ihre „Einkommen“ aus den Kapitalanlagen summierten sich auf 17,7 Mrd. Euro., so dass die Gesamtsumme der „Ausgaben“ im Vergleich zu den „Einkommen“ als „low“ erscheint (Report, p. 51).

Zwar schlüsselt der Bericht die Ausgaben nach Kategorien und einigen Staaten noch weiter auf, der Aussagewert dieser Daten im Bericht erscheint aber definitiv als zu „low“ aus Sicht der „Mitglieder“. Denn explizit offenbart der Bericht, dass es nicht möglich sei, „to understand the proportion of expenses passed on to schemes‘ members or if these bear additional expenses not captured at the IORPs level” (Report, p. 50). Diese Feststellung ist umso erstaunlicher, als es zum einen von EIOPA selbst entwickelte „Pension Benefit Statements“ gibt, d.h. Vorlagen für jährliche Standmitteilungen für Rentenanwartschaften, auch wenn diese in Form und Inhalt nicht verbindlich sind. Zum anderen hätte sich EIOPA z.B. tatsächliche Auszahlungsbescheide von EbAv in anonymisierter Form zuschicken lassen können, um Daten auf der Ebene der Leistungsempfänger zu erhalten. Diese Lücke muss für die zukünftige Berichterstattung über EbAv dringend geschlossen werden.

Eingeschränkte Aussagekraft des Berichts

Vor allem durch die unzureichende Datenbasis wird die Aussagekraft des Berichts erheblich eingeschränkt. Das selbst gesteckte Ziel von 60% Marktabdeckung wird nur bei den Lebensversicherungen erreicht. Bei Privatrenten wurden nur 200 Produkte mit einem Marktanteil von ca. 800.000 Verträgen analysiert (in jedem Staat die drei Produkte mit den jeweils höchsten Marktanteilen gemessen an Bruttoprämien). Das sind sogar weniger analysierte Privatrenten als für den Bericht im Jahr davor, für den 210 Privatrenten (bei ca. 1,4 Mill. Verträgen) untersucht wurden (EIOPA Report 2021, p. 6). Zum Vergleich: allein in Deutschland lag im Jahr 2021 der Bestand an Privatrenten bei etwas über 41 Millionen Verträgen laut GDV-Statistik. (2)

Bei den EbAv gibt es im Bericht zwar eine Übersicht über die Anzahl der untersuchten EbAv pro EU-Mitgliedsstaat (Annex III) (3), es wird aber nichts über den Marktanteil der EbAv an den Betriebsrenten in den einzelnen Staaten ausgesagt, der – wie schon angedeutet – sehr unterschiedlich sein kann. Hier könnte das angestrebte EU-weite Pension Dashboard langfristig für eine verbesserte Datenlage sorgen. Auf die völlige Unzulänglichkeit des Berichts hinsichtlich der fehlenden Auswertung von Renditen und Kosten für die Leistungsempfänger selbst (und nicht nur der EbAv) wurde schon hingewiesen.

Bei den Renditeangaben der Fondspolicen wird nicht explizit ausgeführt, ob es sich um Policen ausschließlich mit Aktienfonds oder auch mit Index-, Misch- und Rentenfonds handelt. Was die Kostenbelastungen bei Fondspolicen anbetrifft, so wird im Bericht – wie dargestellt - zwar durchaus Kritik geäußert, diese hätte aber auch deutlich schärfer ausfallen können. EIOPA hat selbst im vergangenen November eine „aufsichtliche Stellungnahme“ veröffentlicht, in der überhöhte Kosten und Interessenkonflikte im Vertrieb (u.a. wegen Kick-Backs zwischen Fondsgesellschaften und Vermittlern) kritisiert wurden. Die BaFin hat dies durch eigene Untersuchungen für Deutschland mittlerweile bestätigt und will möglicherweise sogar einen „Provisionsrichtwert“ einführen.

Auch so genannte “exit costs” werden im EIOPA-Bericht nicht ausreichend berücksichtigt, sie werden sogar als „negligible“ oder „minimal“ bezeichnet (Report, p. 26, 34). Dies konnte wahrscheinlich dadurch geschehen, dass im Basisinformationsblatt Kosten bei regulärem Ablauf aufgeführt werden, die im Gegensatz zu reinen Geldanlageprodukten bei Lebensversicherungen formal nicht vorhanden sind. Werden unter „exit costs“ dagegen auch Stornogebühren („penalties“) bei vorzeitiger Kündigung erfasst, wirken diese sich - wie allgemein bekannt - erheblich auf die Rendite aus (Absenkung des Rückkaufswertes). Diese Problematik fehlt im EIOPA-Bericht vollständig, obwohl selbst nach GDV-Angaben die Stornoquote 2021 bei 2,57% der Gesamtanzahl der Verträge lag (4), d.h. allein in Deutschland über 2 Millionen Verträge in einem Jahr gekündigt wurden.  

Renten (privat und betrieblich) werden von EIOPA nur als „investment“, aber nicht als „pension products“ im engeren Sinne betrachtet, denn es fehlt eine Auswertung der Auszahlungsphase. Zwar werden biometrische Kosten aufgeführt, aber nur für die Beitragsphase und ohne sie zu quantifizieren. Die für die Auszahlungsphase entscheidenden Kosten wie die einkalkulierte Lebenserwartung sowie der Rentenfaktor werden nicht berücksichtigt. Hier wäre es darüber hinaus besonders wichtig herauszuarbeiten, ob und wie groß die Unterschiede in der kalkulierten Lebenserwartung zwischen den Rentenversicherern in den jeweiligen EU-Staaten sind und wie stark diese von der allgemeinen Lebenserwartung in dem jeweiligen Land abweichen. Hinzukommt die Frage, ob und wie die Versicherten an diesen möglichen Risikogewinnen durch übervorsichtig kalkulierte Tarife beteiligt werden?

Auch sollte EIOPA auf eine Beschleunigung des Auswertungsprozesses für diese jährlichen Berichte insgesamt hinarbeiten. Im Frühjahr 2022 wurden die Zahlen für 2020 präsentiert. Bei Beibehaltung desselben Rhythmus werden im kommenden Jahr die Zahlen für 2021 veröffentlicht. Das Auseinanderklaffen mit der aktuellen makroökonomischen Realität dürfte sich bis dahin nochmals deutlich verschärft haben. Im Herbst 2021 erreichten die Aktienkurse weltweit ihren Höhepunkt, und es ist allgemein bekannt, was spätestens seit Anfang 2022 hinsichtlich der Kurse von Aktien und Anleihen, Zinsentwicklung und Inflation passiert ist. Eine Präsentation der Zahlen für 2021 wird 2023 sicherlich wie aus einem vergangenen Märchenland erscheinen.

Unter „Next Steps“ (Report, p. 55) fasst EIOPA die eigenen Bemühungen zur Qualitätsverbesserung des Berichts zusammen. Positiv zu erwähnen ist die Absicht, auch „multi-option hybrid products“ zu berücksichtigen. Desgleichen sind EIOPAs kontinuierliche Ansätze zu begrüßen, einheitliche Kostendefinitionen zu entwickeln. (5)

 

Endnoten:

Vgl. GDV: Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen 2022, Tabelle: Bestand an Verträgen der betrieblichen Altersversorgung (bAV), S. 35; Direktzusagen sind dieser GDV-Tabelle noch nicht einmal erfasst.

Vgl. GDV, a.a.O., S. 17.

Für Deutschland wurden von EIOPA 121 EbAv analysiert. Die BaFin gibt die Zahl der hierzulande beaufsichtigten Pensionskassen mit 132 und der Pensionsfonds mit 35 an (vgl. BaFin-Jahresbericht 2021, Mai 2022, S. 49, Tabelle 11).

Vgl. GDV, a.a.O., S. 15.

Vgl. Report, Annex IV; auch im Bericht des Vorjahres waren Arbeitsdefinitionen schon enthalten (vgl. Report 2021: Box 5 - Drivers of Costs in the IBIPs Markets, Annex II – Cost Mapping, Annex V – Definitions).