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BdV in Europa

EIOPA Annual Conference am 18.11.2015 in Frankfurt / Main: Verbraucherschützer unterrepräsentiert

EIOPA Annual Conference am 18.11.2015 in Frankfurt / Main: Verbraucherschützer unterrepräsentiert

 27.11.2015  BdV in Europa  0 Kommentare  Christian Gülich

Gleich in seinem Eingangsstatement gab Gabriel Bernardino, der Chef der Europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA, die Richtung für die geplanten Diskussionen vor: EIOPAs „strategische Prioritäten“ seien Konvergenz der Aufsicht, Stärkung des vorbeugenden Verbraucherschutzes sowie Bewahrung der Finanzstabilität. Die vordringlichsten Vorhaben hierfür seien Solvency II und die private Altersvorsorge der EU-Bürger.

Guillaume Prache von Better Finance - © CGülich

Im Verlauf der drei angesetzten Podiumsdiskussionen wurde aber deutlich, dass die Mehrheit der Konferenzteilnehmer andere Schwerpunkte setzte. So wurde im ersten Block die Frage gestellt, wie der Erfolg von Solvency II zukünftig zu messen sei: Statt der möglichen Antworten „Produktinnovation und Wahlmöglichkeiten für Verbraucher“ oder „verstärkte Kapitalanlagetransparenz“ wurde das „tragfähige Langzeit-Versicherungsgeschäft“ gewählt, was eindeutig der Perspektive der Unternehmen entsprach. Immerhin wurde von einer Unternehmensrepräsentantin betont, dass die Entwicklung einer „Risikokultur“ mit Entwicklung einer „opportunity culture“ einhergehen sollte, was nicht nur mit neuen Kapitalanlagemöglichkeiten, sondern auch mit innovativen und transparenten Produkten verbunden werden könnte.

Im zweiten Block ging es um „Vorsorgesparen im 21. Jahrhundert“, für den Bernardino klar auf bestehende Informationsasymmetrien und mangelndes Finanzwissen zuungunsten der Verbraucher und deshalb auf die Notwendigkeit einer „Verbraucher-zentrierten Kultur“ in den Unternehmen hingewiesen hatte. In der Podiumsdiskussion wurden aber, insbesondere von einem britischen Teilnehmer, die möglichen Vorteile durch einen neuen Anbieter betrieblicher Altersvorsorge ausführlich dargestellt. Es wurde schlichtweg behauptet, „Renten sind unverkäuflich“, weshalb das in Großbritannien bestehende System des „auto-enrolment“, also der automatischen Einbindung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in die betriebliche Altersvorsorge, so vorteilhaft sei. Es fragt sich nur vorteilhaft für wen?

Das Paradies der Betrieblichen Altersvorsorge liegt in GB...

Wie referiert, gelte das „auto-enrolment“ nicht nur auf betrieblicher oder tarifvertraglicher Ebene, sondern gesetzlich für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Großbritannien. Für den einzelnen Arbeitnehmer gibt es deshalb nur eine Möglichkeit, dem „auto-enrolment“ zu entgehen: von sich aus aktiv die Opt-out-Möglichkeit vor Vertragsabschluss zu wählen. Wahrlich paradiesische Zustände für die Anbieter betrieblicher Altersvorsorge! Bezeichnenderweise wurde zusätzlich auf die notwendige Balance zwischen Verbraucherschutz und Überbelastung der Arbeitgeber hingewiesen, aber kein Wort zu Kostentransparenz, Renditen und Gewinnbeteiligungen durch die Anbieter der betrieblichen Altersvorsorge…

Thema des letzten Blocks war die Entwicklung von Geschäftsmodellen durch die Versicherer sowohl hinsichtlich neuer Garantien in der Lebensversicherung, als auch durch den zunehmenden Vertrieb per Internet. Auch hier ging es richtig zur Sache. Die Aussage eines britischen Lebensversicherers sorgte selbst bei dem Auditorium, welches überwiegend durch Unternehmensrepräsentanten geprägt war, für Erstaunen: Die Übertragung des Anlagerisikos auf die Lebensversicherten sei eine „Demokratisierung des Risikos“, denn schließlich könnten diese jetzt selbst ihre Kapitalanlage festlegen und durch die Internettechnologie sei für die notwendige Transparenz gesorgt. Also: kein Wort zur Informationsasymmetrie, zur Kostenintransparenz durch „verpackte“ Produkte und zur Qualität der im Vertrag angebotenen Fonds usw.

Es war dem einzigen überhaupt zu einem Podium eingeladenen Verbrauchervertreter, Guillaume Prache von Better Finance, vorbehalten, hier wenigstens etwas gegenzusteuern. Er verwies auf die von Better Finance jährlich herausgegebene Studie über die Renditen von Altersvorsorgeprodukten in der EU, die einzige ihrer Art, in der deutlich herausgearbeitet wird, wie sehr verschiedenste Kosten und Gebühren an der Rendite der Rentenprodukte zehren. Er betonte, dass Verbrauchervertrauen nur durch Transparenz, einfache Produktmerkmale, Dialog und Kosteneffektivität hergestellt werden könne. Was Letzteres anbetrifft, so müsse als absolutes Minimum wenigstens ein Kaufkraftverlust bei Auszahlung verhindert werden.

Verwunderliche Begegnung der dritten Art

Aus dieser Perspektive erscheint auch der Einsatz von sogenannten „Finanzrobotern“ als fraglich. Denn hinter jeder Technik stehen Menschen - genauer Interessengruppen, die mit der Technik klare Ziele verfolgen. Die Technik ist nur Mittel zum Zweck, und der Zweck kann ein echter „Verbraucherdialog“ oder eben ein reiner Verkauf sein. Mit EIOPAs Worten: nicht die „Technologie“, sondern die „Soziologie“ entscheidet über Vertrauen und damit über den Erfolg des Vertriebs.

Fazit: Bei der von EIOPA veranstalteten Jahreskonferenz handelt es sich um eine Industriemesse und nicht etwa um eine Jahresbilanz mit Rechenschaftsbericht des Vorstands und Ausblick auf das nächste Jahr. Das bringt schon der Tagungsort, das Congress Center Messe Frankfurt, zum Ausdruck. Trotz der klaren Vorgaben von dem EIOPA-Direktor war diese Veranstaltung aus Sicht des Verbraucherschutzes nur eine verwunderliche Begegnung der dritten Art…

 


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