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BdV in Europa

Kann die EU bei der privaten Altersvorsorge helfen?

Kann die EU bei der privaten Altersvorsorge helfen?

 18.12.2017  BdV in Europa  0 Kommentare  Christian Gülich

Die private Altersvorsorge steckt Europa-weit in einem Dilemma: zwar wird (fast) überall fleißig gespart, aber dennoch gibt es zunehmend Zweifel, ob es im Alter ein Auskommen mit dem verfügbaren Einkommen gibt? Eine neue Studie von Better Finance belegt das umfassend. Wäre deshalb das neue, von der EU-Kommission vorgeschlagene pan-europäische Rentenprodukt PEPP ein Ausweg? Der BdV hat sich hierzu erneut öffentlich eingebracht und nennt klare Voraussetzungen.

© Better Finance

Better Finance Pension Report

 

Reichen ein möglichst früh beginnendes, regelmäßiges und der Höhe nach verkraftbares Sparen (etwa 10% des monatlichen Bruttoeinkommens) für den Aufbau einer ausreichenden Altersvorsorge aus? Die Antwort lautet eindeutig „nein“, wie Better Finance betont. Better Finance ist die EU-weit größte Dachorganisation von regierungsunabhängigen Verbraucherverbänden im Finanzsektor und stellte vor kurzem seinen aktualisierten Jahresbericht zur privaten Altersvorsorge („Pension Report“) in Europa vor.

Demnach ist die dritte unabdingbare Voraussetzung hierfür eine positive und angemessene langfristige Rendite („long-term return“) und zwar „real“, d. h. nach Abzug von Inflation, Gebühren und Provisionen. Die Studie zeigt, dass mindestens eine höhere einstellige Rendite auf die Ersparnisse unabdingbar ist, denn bei nur 2% Rendite werden lediglich 17% des Einkommens vor Rentenbeginn durch diese Ersparnisse ersetzt (vgl. BF Pension Report 2017, S. 17-18).

Niedrige Renditen

Nachgewiesen wird allerdings, dass in den meisten Fällen durchschnittlich die jährlichen realen Renditen von betrieblichen und privaten Rentenversicherungen in den untersuchten EU-Staaten zwischen 1 bis 3% liegen (einschließlich Deutschlands, bezogen auf die Jahre von 2000 bis 2016; vgl. BF Pension Report, S. 58-59). Die niedrige Durchschnittsrendite steht in einem starken Kontrast zu der Tatsache, dass in diesem Zeitraum Phasen mit starken Kursgewinnen für Aktien (von 2003 bis 2006 sowie von 2009 bis 2016) und außerdem für Anleihen (vor allem durch die auf historische Niedrigstände sinkenden Zinsen) fielen.

Für Better Finance ist der Befund eindeutig. Der Hauptgrund für die mangelhafte Teilhabe der EU-Bürger an den tatsächlich hohen Kapitalmarktrenditen liegt darin begründet, dass sie ihre Ersparnisse in einem viel zu geringen Maße direkt an den Kapitalmärkten investieren (z. B. in Aktien oder Anleihen), stattdessen gehen sie den Umweg über „gepackte“ Produkte wie Investmentfonds oder Lebens- und Rentenversicherungen. Vor allem bei fondsgebundenen Lebensversicherungen sind die Kostenbelastungen oftmals komplex, undurchsichtig und uneinheitlich.

Diese Schlussfolgerung wird sogar durch eine offizielle Publikation der EU-Kommission bestätigt (vgl. BF Pension Report 2017, S. 9 und 23). Und die Europäische Versicherungsaufsicht EIOPA weist in einem neuen Bericht explizit auf die potenziellen Risiken der Kundenschädigung bei Fondspolicen hin, die durch ungelöste Interessenkonflikte bei den Vergütungen von Kapitalanlage-management und Versicherern festgestellt werden konnten.

Empfehlungen von Better Finance

Better Finance propagiert deshalb ein Bündel von Empfehlungen (vgl. BF Pension Report 2017, S. 62-64), darunter folgende:

  • Offenlegung aller Kosten und Provisionen für Vertrieb, Verwaltung und Kapitalanlage, mit denen der Sparer belastet wird;
  • Offenlegung der Bedingungen und Gebühren bei Vertragskündigung oder Verkauf;
  • Offenlegung von Wertentwicklungen in der Vergangenheit (neben prognostizierten Gewinnerwartungen), um eine zusätzliche Vergleichsmöglichkeit zu haben (mindestens 10 Jahre bei Fonds, längere Zeiträume bei Rentenprodukten);
  • Entwicklung eines obligatorischen standardisierten Produkt-informationsblattes für Altersvorsorgeprodukte (zu Risiken, Kosten, Renditeangaben usw.);
  • Entwicklung von einfachen und standardisierten Produktangeboten insbesondere für Personengruppen mit niedrigem Einkommen und geringer finanzieller Allgemeinbildung (kostengünstig in Beratung und Kapitalanlage).

Teil dieser Empfehlungen ist auch, den Vorschlag eines pan-europäischen Altersvorsorgeproduktes (PEPP) durch die EU-Kommission vom Juni 2017 weiter zu konkretisieren und voranzubringen. Was die wesentlichen Merkmale dieses Vorschlages sind, habe ich in einem vorherigen Blogbeitrag  dargestellt.

PEPP-Projekt und EIOPA

Welche Schlüsselrolle dabei EIOPA, der europäischen Versicherungsaufsicht, zufällt, hat Gabriel Bernardino, EIOPA-Vorsitzender, vor kurzem auf der Jahreskonferenz seiner Behörde in Frankfurt nochmals verdeutlicht. EIOPA soll für die EU-weite Zulassung der PEPP-Angebote zuständig sein und die notwendigen hohen Qualitätsstandards garantieren. Dazu gehören u. a. die Einrichtung eines zentralen Registers für die PEPP, die Erarbeitung technischer Standards für Produktinformationsblätter und für die laufende Berichterstattung der Produktanbieter über Risiken, Kosten und Renditen der zugelassenen PEPP sowie ein umfassender jährlicher Praxisbericht. Die Herstellung einer möglichst weitgehenden aufsichtsrechtlichen „Konvergenz“ zwischen den zuständigen nationalen Behörden ist dafür unabdingbar.

Darüber hinaus verwies Bernardino auf die notwendige Verknüpfung von Anspar- und Auszahlphase, die insbesondere in der PEPP-Standardoption gewährleistet sein müsse: zum einen durch eine Beitragsgarantie bei Erreichen des vertraglich festgelegten Rentenbeginns, zum anderen durch die Umwandlung des Großteils des angesparten Kapitals entweder in fixe Auszahlpläne oder in lebenslange Renten zur Absicherung des Langlebigkeitsrisikos.

Insgesamt wurde erneut deutlich, dass Bernardino den Vorschlag der EU-Kommission als „einen mutigen Schritt hin zur Etablierung einer europäischen, sicheren, transparenten und kostengünstigen Option für das langfristige Altersvorsorgesparen“ vehement unterstützt. Dieser Schritt würde konsequenterweise zu einer deutlichen Erweiterung von EIOPAs bisherigen „gestaffelten Befugnissen“ (vgl. VersR 2012, S. 32) führen.

 

EIOPA Annual Conference, Frankfurt – 22 November 2017

Offene Verbraucherfragen

Auf der anschließenden Podiumsdiskussion konnte ich für den BdV einerseits verdeutlichen, dass wir grundsätzlich dieses PEPP-Projekt befürworten, insbesondere hinsichtlich neuer verpflichtender Standards für die Offenlegung von Risiko-, Kosten- und Renditeangaben bei Rentenprodukten. Andererseits kann nicht genug auf die immense Verantwortung verwiesen werden, die auf EIOPA bei der konkreten Umsetzung dieses Vorhabens für die europäischen Verbraucher zukommen wird (Stichwort: „Verbrauchervertrauen“). Denn angesichts der offenkundigen Renditeschwäche der bisherigen überkomplexen und kostenbelasteten Rentenprodukte, müssen die neuen PEPP-Angebote wirklich so „einfach, transparent und kostengünstig“ sein, wie von der EU-Kommission und EIOPA propagiert wird. Damit sie zu einer greifbaren Alternative für die EU-Bürger werden. Eines weiteren, dann auch noch EU-zertifizierten Vertriebsweges für bestehende Finanzprodukte bedarf es dagegen nicht.

Weiterführende Hinweise:

PENSION SAVINGS. The Real Return. 2017 Edition by Better Finance, Brussels.

Eine kritische Einschätzung des EU-PEPP-Projektes aus aktuarieller Sicht findet sich hier: Aktuar Aktuell, Heft 40, Dezember 2017, S. 10-11.

Julius Goldmann / Kai Purnhagen: EIOPA – Die neue europäische Versicherungsaufsicht, in: Versicherungsrecht, Heft 1 / 2012, S. 29-33.


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