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BdV in Europa

Was sind „Versicherungs-
anlageprodukte“?

Was sind „Versicherungsanlageprodukte“?

 08.08.2016  BdV in Europa  1 Kommentar  Christian Gülich

Obwohl der Termin für die praktische Umsetzung und Anwendung der neuen Basisinformationsblätter für Versicherungsanlageprodukte immer näher rückt (ab dem 31.12.2016), tauchen noch immer widersprüchliche Hinweise darüber auf, was hierunter fallen soll und was angeblich nicht.

© Ariel / Pixabay

BaFin-Erläuterungen

Dabei hatte die BaFin bereits alles gesagt: Im August 2015 erschien im BaFin-Journal ein Artikel zum „Basisinformationsblatt“ nach der EU-PRIIPs-Verordnung, in dem klipp und klar dargelegt wurde, dass „die Definition für verpackte Anlageprodukte nur über eine Negativaufzählung eingeschränkt [wird]“. Nochmals zum Verständnis: unter PRIIPs fallen sowohl Privatanlegerprodukte (wie Investmentfonds oder Zertifikate) als auch Versicherungsanlageprodukte („insurance-based investment products“ = IBIPs). Für den BdV sind nur die letzteren von Bedeutung, d.h. „ein Versicherungsprodukt, das einen Fälligkeitswert oder einen Rückkaufswert bietet, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist“ (vgl. PRIIPs-Verordnung Artikel 4 (2) sowie IDD, Artikel 2 (17)).[i] 

Laut BaFin sind „Versicherungsverträge ohne Anlageelement“ (wie Risikolebensversicherungen), alle Formen betrieblicher Altersvorsorge oder eine staatlich geförderte Altersvorsorge wie die Riester-Rente ausgenommen. Umgekehrt gehören aber dazu „Versicherungsprodukte mit Anlagecharakter, wie zum Beispiel kapitalbildende und fondsgebundene Lebensversicherungen und Hybrid-Produkte“. Mit anderen Worten: durch ihren Sparanteil, welche Form auch immer dieser annimmt (klassisch, fonds-, indexgebunden, hybrid o.a.), werden Lebensversicherungen zu Anlageprodukten. Deswegen müssen sie sowohl untereinander als auch mit anderen Anlageprodukten für Sparer und Anleger vergleichbar gemacht werden, und genau das ist die Aufgabe der Basisinformationsblätter.

Versicherung oder Anlagegeschäft?

Nun kann darauf verwiesen werden, dass bisher in der deutschen Rechtsprechung Lebensversicherungsverträge mal eher als „Versicherung“, mal eher als „Anlagegeschäft“ gewertet wurden (entsprechend der Gewichtung von Todesfallschutz und Ablaufleistung im einzelnen Vertrag). Die Frage ist, ob das noch zielführend ist, denn der EU-Gesetzgeber nimmt – wie ausgeführt - eine eigene und damit eine grundsätzlich andere Gewichtung vor. Und EU-Recht hat nun einmal Vorrang vor nationalem Recht auch in Deutschland, zumindest solange es keinen „Dexit“ gibt…

Die traditionelle kapitalbildende Lebensversicherung mit Garantiezins, die nur in Deutschland eine wirkliche Bedeutung hat, mittlerweile im Neugeschäft aber auch hier fast keine Rolle mehr spielt, besitzt ebenfalls keinen Sonderstatus, worauf Prof. Brömmelmeyer explizit verweist: „Die Leistungen im Todes-, Erlebens- und Rückkaufsfall sind aufgrund der Beteiligung am Bilanzüberschuss und an stillen Reserven des VR (§153 Abs. 1 VVG) (spürbaren) Marktschwankungen ausgesetzt"[ii]

Komplexe Anlageprodukte

Ein weiterer möglicher Aspekt ist die Unterscheidung von „einfachen“ bzw. „nicht-komplexen“ und „komplexen“ Versicherungsanlageprodukten (IDD Artikel 30 (3) a). Zunächst sei gesagt, dass es in IDD die klare Unterscheidung von Versicherungs-anlageprodukten und Nicht-Lebensprodukten, d.h. allen anderen Sparten, gibt. Das ist aus deutscher Sicht sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig, denn hierzulande gibt es auch in anderen Sparten Elemente nach der Kalkulation von Lebensversicherungen: Altersrückstellungen in der Krankenvollversicherung oder Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr etwa. Entsprechend der Richtlinie (und der PRIIPs-Regulierung) gehören sie aber nicht zu den Versicherungsanlage-produkten.

Bei den reinen Anlageprodukten ist geregelt, dass z.B. Aktien oder Anleihen, die von Privatanlegern direkt gekauft werden können, nicht unter die PRIIPs fallen (im Gegensatz zu Aktien-, Renten- oder Mischfonds, da hier die einzelnen Aktien oder Anleihen in den Fonds „gepackt“ werden). Deshalb muss ganz klar hinterfragt werden, ob diese aus dem Wertpapierbereich kommende Unterscheidung (vgl. MIFID2 Artikel 25 (4)) überhaupt auf Lebensversicherungen angewendet werden kann? Beispiele werden weder in IDD noch in der PRIIPs-Verordnung gegeben. Insofern erscheint diese Unterscheidung als nicht relevant, denn ob „einfach“ oder „komplex“, es handelt sich wegen des „verpackten“ Sparanteils in jedem Fall um Versicherungsanlageprodukte.

Rentenversicherungen

Deutlich spannender ist dagegen die Frage, ob und welche Rentenversicherungen unter die Versicherungsanlageprodukte fallen? Wie eingangs schon ausgeführt, gehören Betriebsrenten und Riester-Renten (letztere u.a. wegen der Zulagen) eindeutig nicht dazu. Interessanterweise sagt die BaFin aber nichts zu Rürup-Renten und den sonstigen Privatrenten.

Bei den Rürup-Renten kann darauf verwiesen werden, dass sie wegen expliziter Steuerförderung in der Ansparphase und staatlicher Zertifizierung unter die Ausnahmeregelung für „Altersvorsorgeprodukte“ fallen können, „die nach nationalem Recht als Produkte anerkannt sind, deren Zweck in erster Linie darin besteht, dem Anleger im Ruhestand ein Einkommen zu gewähren, und die dem Anleger einen Anspruch auf bestimmte Leistungen einräumen“ (vgl. IDD Artikel 2 (1) 17c sowie PRIIPs-Verordnung Artikel 2 (2) e).

Bei den sonstigen Privatrenten fehlen aber die steuerliche Förderung in der Ansparphase (für Neuverträge ab 2005) sowie die Zertifizierung. Wie Lebensversicherungen bieten sie einen „Fälligkeitswert“ (entweder Beginn der Rentenauszahlungsphase oder Einmalauszahlung bei Kapitalwahlrecht) sowie einen Rückkaufswert (bei Vertragskündigung). Wegen ihres Sparanteils gehören sie - wie Lebensversicherungen - zu den „andere[n] individuelle[n] Versicherungen und Sparprodukte[n], die Investitionsmöglichkeiten bieten“ und „unter den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen sollten“ (vgl. Erwägungsgrund 7 der PRIIPs-Verordnung). Selbst nach deutschem Recht gehören sie wie die Lebensversicherungen zu der dritten Schicht der privaten kapitalgedeckten Vorsorge entsprechend dem Alterseinkünftegesetz von 2005.

Auch aus der Art des eingeschlossenen Risikoschutzes (Todesfall und Erleben bei Lebensversicherungen - Langlebigkeit bei Rentenversicherungen) kann kein Unterschied in der Zuordnung abgeleitet werden. Denn im Basisinformationsblatt muss unter dem Abschnitt „Um welche Art von Produkt handelt es sich?“ lediglich angegeben werden, welche Versicherungsleistungen angeboten werden: „Einzelheiten zu den Versicherungsleistungen, die das PRIIP gegebenenfalls bietet, einschließlich der Umstände, unter denen diese fällig würden“ (vgl. PRIIPs-Verordnung Artikel 8 (3) c iv). Der Risikoschutz Langlebigkeit wird also weder hier noch unter dem Artikel 2 (2) der PRIIPs-Regulierung (bzw. entsprechend IDD Artikel 2 (1) 17) als Ausschlusskriterium genannt.

Fazit

Die BaFin hat verdeutlicht, dass Versicherungsanlageprodukt ein umfassender neuer Begriff ist, der nur durch wenige Ausnahmeregelungen eingeschränkt wird. Diese Ausnahmen sind gleichlautend in der EU-PRIIPs-Verordnung sowie in IDD in den entsprechenden Artikeln genannt. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass alle Formen von privaten Lebens- und Rentenversicherungen, die weder staatlich noch betrieblich gefördert werden, als Versicherungsanlageprodukte gelten müssen. Der EU-Gesetzgeber hat diesen neuen Begriff eingeführt, um die Vergleichbarkeit und die gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen allen Anlageprodukten zu fördern. Nationaler Gesetzgeber und Rechtsprechung müssen sich hieran orientieren.

 


 

[i] Hintergrundinformationen über die zugrundeliegende EU-PRIIPs-Verordnung vom November 2014 sowie zu den Detailvorgaben zu Form und Inhalt dieser Basisinformationsblätter, die von der EU-Kommission Ende Juni endgültig verabschiedet wurden, finden Sie bereits in diesem Blog.

 

[ii]  Christoph Brömmelmeyer: Gläserner Vertrieb?  Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln in der Richtlinie  (EU) 2016/97 über Versicherungsvertrieb, in: Recht und Schaden, 2016, S. 271.


Kommentare
Kommentar von Nicolas Meili  am  27.11.2017 10:07
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