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Gastbeiträge

Restschuldversicherungen: Neues Recht löst altes Problem nicht

Restschuldversicherungen: Neues Recht löst altes Problem nicht

 20.02.2018  Gastbeiträge  0 Kommentare  Andrea Heyer

Restschuldversicherungen machen Banken und Versicherer reich und gefährden wirtschaftliche Existenz von Kreditnehmern

© Bernhard_Staerk / Pixabay

Massive Kritik seitens Verbraucherschutzorganisationen, aber auch des Versicherungsombudsmannes e.V. an der verbraucherunfreundlichen Vertragsgestaltung und Vertriebspraxis seitens der Banken und Versicherungsunternehmen haben etwas bewirkt. Mit der Umsetzung der IDD in deutsches Recht werden am 23. Februar 2018 zwei neue Regelungen zur Restschuldversicherung in das VVG eingeführt.

§ 7 d lautet: Der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags für Restschuldversicherungen hat gegenüber der versicherten Person die Beratungs- und Informationspflichten eines Versicherers. 2 Die versicherte Person hat die Rechte eines Versicherungsnehmers, insbesondere das Widerrufsrecht. 3 Über dieses Widerrufsrecht ist eine Woche nach Abgabe der Vertragserklärung erneut in Textform zu belehren. 4 Das Produktinformationsblatt ist mit dieser Belehrung erneut zur Verfügung zu stellen. 5 Die Widerrufsfrist beginnt nicht vor Zugang dieser Unterlagen.

Der große Wurf ist mit der Neuregelung dennoch nicht gelungen. Das Kernproblem der Verbraucherdarlehen mit Restschuldversicherung wurde nicht angefasst. Dieses ist finanzieller Art und besteht in einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches wucherverdächtig ist.

Beispiele wie diese belegen das Problem

Beispiele wie dieses belegen das Problem: Ein Leipziger Paar möchte 2015 seine Schulden ordnen und in einem Darlehen zusammenführen. Dafür benötigt es 17.681,66 Euro. Schwer vorstellbar, dass die beiden freiwillig weitere 9.753,10 Euro für eine Kredit-Lebensversicherung - wie die Restschuldversicherung auch genannt wird - ausgeben wollten. Laut Vertragsunterlagen haben sie sich jedoch aus freien Stücken für diese Versicherung entschieden. Da sie diese knapp 10.000 Euro nicht hatten, wurde der Kredit um diesen Betrag erhöht So betrug der Gesamtkreditbetrag rund 27.500 Euro. Laut Bundesbankstatistik lag der vergleichbare Marktzins für derartige Verbraucherdarlehen bei 7,28 Prozent. Als effektiver Jahreszins waren im Vertrag des Paares 10,03 Prozent pro Jahr angegeben, also wurde schon ein erheblicher Risikozuschlag einkalkuliert. In Zeiten einer andauernden Niedrigzinsphase sind über 10 Prozent Zinsen an sich schon unverschämt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Werden die Kosten der Restschuldversicherung sowie der unzulässige, aber eingenommene laufzeitunabhängige Individualbeitrag und sonstige Ablösekosten hinzugerechnet, schnellt der Effektivzins in den Bereich des Wuchers. Selbst unter Berücksichtigung der problembehafteten BGH-Rechtsprechung, nach der nur die hälftigen Kosten der Restschuldversicherung angerechnet werden sollen kommt man auf einen Effektivzins von 20,62 Prozent. Wenn der vereinbarte Zins den Marktzins um 100 Prozent übersteigt, liegt ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Die Überschreitung liegt hier bei 183 Prozent. Werden nicht nur die hälftigen sondern die gesamten Kosten der Versicherung berücksichtigt, liegt die Überschreitung bei 329 Prozent! Das ist so oder so Wucher! Doch welche Konsequenzen drohen den so agierenden Unternehmen? Bisher praktisch keine. Die Leidtragenden sind die Verbraucher, die derartig teure Kredite eher früher als später nicht mehr nicht zurückzahlen können, immer wieder umschulden müssen und am Ende in einem Schuldenturm gefangen sind.

Bündnis gegen Wucher

Dies zu ändern ist das bundesweite Bündnis gegen Wucher angetreten, welches sich im Januar 2018 in Leipzig gegründet hat. Ihm gehören neben mehreren Verbraucherzentralen, das Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen und auch engagierte Rechtsanwälte an. Unser Ziel ist es, solche Skandale aufzudecken, Aufsicht, Politik und Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren und die Wucherrechtsprechung zu Ratenkrediten wieder zu beleben und durch Gerichte weiter entwickeln zu lassen. Im Ergebnis wollen wir die bisherige Unternehmenspraxis unterbinden und ein neues, liquiditätssicherndes Versicherungsprodukt. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, auf dem wir Spuren hinterlassen werden.

 

 

 


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