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Gastbeiträge

Warum wir dieses Buch schreiben mussten!

Warum wir dieses Buch schreiben mussten!

 01.08.2017  Gastbeiträge  3 Kommentare  Holger Balodis

Nein, bloß nicht schon wieder ein Buch mit dem effekthascherischen Begriff „Lüge“ im Titel! Davon gibt es wahrlich schon genug. Das dachten auch wir, als der Verlag uns „Die große Rentenlüge“ vorschlug. Doch bei Lichte betrachtet trifft der Titel ins Schwarze. 

Seit über 15 Jahren erzählt uns die Politik: bessere Renten seien nicht finanzierbar, die Demografie stünde dagegen, die Jungen dürften nicht überfordert werden, mehr private Vorsorge könne helfen, bla-bla-bla. Genau das ist die Rentenlüge und auch wenn alle Fakten dagegen sprechen: Die Lüge hält sich beharrlich.

Doch wie sehen die Fakten aus

Doch wie sehen die Fakten aus: Rund 3 Millionen Rentner sind bereits heute arm, sie haben Anspruch auf Grundsicherungsleistungen. Dass ein Großteil dieser Menschen aus Scham die staatlichen Gelder nicht beantragt, macht es nicht besser. Frank Bsirske und seine ver.di rechnen vor, dass in Zukunft rund die Hälfte der heute Beschäftigten mit ihrer Rente in diesem Armutsbereich landen werden. Auch wir kommen in unseren Abschätzungen zu ähnlichen Größenordnungen. Wissen die Verantwortlichen von Union, SPD, FDP und Grünen eigentlich, was da auf uns zukommt? Welchen Sprengstoff sie durch ihre Rentenpläne an das Fundament dieser demokratischen Gesellschaft gelegt haben? Lediglich die LINKE zeigt sich als Mahnerin, doch ihre Forderungen werden von den Altparteien nicht wirklich ernst genommen. Diese Parteien zeigen sich (abgesehen von sehr wenigen kritischen Stimmen) beratungsresistent und halten noch immer die Fahne hoch, die Gerhard Schröder und Walter Riester einst gehisst haben. Parole: Das Rentenniveau muss sinken, damit die gesetzliche Rente bezahlbar bleiben kann und nur private Vorsorge kann und soll das ausgleichen.
Dabei kann jeder erkennen, dass weder Riester-Renten noch andere Formen der privaten Vorsorge berechenbar den Rentenkahlschlag kompensieren können. Statt dessen werden die Kunden in den Zeiten der Nullzinspolitik in riskante Anlagen getrieben, während das sichere Fundament der gesetzlichen Rente seelenruhig weiter zerstört wird. Ein Beispiel ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz: Damit will die Bundesregierung möglichst vielen Arbeitnehmern zu einer Betriebsrente verhelfen. Dumm nur, dass sie diese Form der Betriebsrente weitgehend allein finanzieren müssen, dass am Ende noch nicht mal die eingezahlten Beiträge sicher wieder rauskommen und mit jedem zur Betriebsrente umgewandelten Euro später die gesetzliche Rente gekürzt wird. Ein absurder Vorgang, den viele Bundestagsabgeordnete offenbar noch nicht verstanden haben. Persönlich muss sie so etwas auch nicht interessieren. Sie sind exzellent abgesichert. Andrea Nahles hingegen kennt die Zusammenhänge. Bevor sie Ministerin wurde, hat sie nachdrücklich vor der Schwächung der Rente durch mehr private Vorsorge im Wege der Entgeltumwandlung gewarnt. Nun betreibt sie selbst die Rentenlüge mit aller Macht und hat die sogenannten Betriebsrenten zu ihrem Lieblingsprojekt gemacht. So etwas macht fassungslos.

Perfide Fake-News

Eine andere Facette der Rentenlüge betrifft den Beitragssatz. Seit 15 Jahren heißt es nahezu gleichlautend: Die für gute Renten erforderlichen Beitragssatzsteigerungen seien schlicht nicht zumutbar. Sie hätten geradezu eine erdrosselnde Wirkung für die Beitragszahler. Die Jungen würden überfordert. Um es kurz zu machen. Dabei handelt es sich um eine perfide Fake-News. Natürlich ist es so, dass höhere Renten auch höhere Beiträge erforderlich machen. Niemand kann zaubern. Doch die uns allen mit Riester-Rente und weiterer zusätzlicher Vorsorge angeratene Lösung ist noch viel, viel teurer. Zumindest für die Versicherten. Professor Winfried Schmähl hat das als Chef des Sozialbeirats der Bundesregierung bereits zur Jahrtausendwende prophezeit – und wurde daraufhin gefeuert. Und so sehen die Fakten heute aus: Arbeiter und Angestellte werden nach den Projektionen der Bundesregierung im Jahr 2030 rund 18 Prozent alleine zahlen müssen. Hätte man auf die Riester-Reformen verzichtet, wären es allenfalls 13 Prozent gewesen. Im Klartext: Durch die Niveauabsenkung der Rente verbunden mit deutlich mehr privater Vorsorge wird die junge Generation nicht etwa geschont, sondern geradezu ausgeplündert. Wenn das keine Rentenlüge ist!

Warum eine gute und bezahlbare Alterssicherung für alle möglich ist

Fast noch wichtiger als der Titel „Die große Rentenlüge“ ist uns jedoch der Untertitel: „Warum eine gute und bezahlbare Alterssicherung für alle möglich ist“. Wir nennen ein Bündel von Maßnahmen von der Einführung einer Erwerbstätigenversicherung über einen höheren Bundesanteil bis zur Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze. Und das Schöne daran: Dies sind keine Hirngespinste. Für alle Vorschläge gibt es praktische Vorbilder im europäischen Ausland. Besonders bemerkenswert ist das Beispiel Österreich. Seitdem die Hans-Böckler-Stiftung im Januar 2016 einen Vergleich der Rentensysteme veröffentlichte, kocht gelegentlich in Fachkreisen die Diskussion hoch und hinterlässt in der Regel ungläubiges Staunen. Die Durchschnittsrenten sind in der Alpenrepublik nahezu doppelt so hoch wie hierzulande. In Worten: fast DOPPELT SO HOCH! Die Erklärung: Die Ösis haben sich nach reiflicher Diskussion gegen ein Einfrieren der Beiträge entschieden, haben den Riester-Quatsch gar nicht erst angefangen und haben eine wirkliche Erwerbstätigenversicherung eingeführt. Nun fragt man sich, welchen Einfluss dies alles auf die politische Rentendebatte in Deutschland genommen hat: Keinen.
Das muss sich ändern. Deshalb mussten wir dieses Buch schreiben. 

 

Hinweis der Redaktion: Das Buch "Die große Rentenlüge" von Holger Balodis und Dagmar Hühne ist im Westend Verlag erschienen, 208 Seiten, 18 Euro, ISBN-13: 978-3864891779.


Kommentare
Kommentar von Holger Balodis  am  12.09.2017 12:00
Sehr geehrter Herr Engemann,
vielen Dank fürs Lob. Sie sprechen eines der zentralen Probleme an: Seit Jahren verschlechtert die Politik die Renten-Bedingungen für viele Millionen Menschen und der Aufschrei bleibt dennoch aus. Ich sehe mehrere Gründe: 1. Die Verschlechterungen erfolgen ähnlich wie bei Klimawandel schleichend und sind nicht sofort für alle spürbar. Es sind Jahr für Jahr vor allem die Neurentner betroffen, sodass nicht die 21 Millionen zur Gänze voll betroffen sind. 2. Es hat sich eine Mutlosigkeit und Lähmung breit gemacht. Motto: Wir können ja ohnehin nichts tun. 3. Die Gesellschaft wird seit Jahren von einer solch perfiden Gehirnwäsche überzogen, nach der angeblich verlangt, so dass sich die Alten kaum noch trauen, selbstbewusst zu protestieren. Angeblich verlangt ja die demografische Entwicklung alternativlos Rentenkürzungen. Und die Jungen glauben, das sei in ihrem Sinn und protestieren ebenfalls nicht.
Was dagegen hilft: Information, Information und nochmals Information. Empfehlen Sie unsere Buch weiter und noch besser: Laden Sie uns zu einer Diskussionsveranstaltung ein!
Kommentar von Karl-Peter Engemann  am  07.09.2017 10:01
Sehr geehrter Herr Balodis,

Ihr Buch „Die große Rentenlüge“ habe ich mit großem Interesse gelesen. Das Thema „Rente“ stand schon 1992 auf meiner Agenda und wurde durch Hilfestellung Ihres exzellenten Buches mit guten Informationen deutlich erweitert. Danke!

Als nicht betroffener Rentner, im beneidenswert komfortablen Wohlstand lebend schreit mein Gerechtigkeitsempfinden nach dem Lesen Ihrer Lektüre noch lauter. Das desaströse Rentensystem, durch unsere egozentrischen Volksvertreter konzipiert, wird bald der Anteil Armer bei 50 % liegen.

In Deutschland beziehen heute fast 21 Mio. und mit ihren Familienmitgliedern m. E. fast 30 Mio. Personen BfA-Renten. Folglich könnten sie, wenn alle Nichtwähler berücksichtigt werden gegenüber ges. ca. 44 Mio. Wählerstimmen, deutlich ihren Vorteil einbringen.

Warum haben nicht sofort alle Betroffenen mit ihrem „2/3-Wahlpotential“ schon ab Mitte der 90iger, spätestens Anfang des neuen Jahrtausends, als unsere Volksvertreter die große Amputation unserer Renten verabschiedeten, große Protestaktionen veranstaltet?

Könnten es vielleicht Bequemlichkeit, Unwissen oder nicht Erfassen des komplexen Renten-Systems, die Gründe gewesen sein? Wenn diese Symptome zutreffen sollten, wird sich sicher nichts ändern.

Ein Versorgungssystem nach österreichischem Vorbild ist der ideale Schlüssel für unsere Gesellschaft, wenn eine „sichere Sozial-Kasse für alle“ ins Leben gerufen wird.

Qua Alter muss ich heute leider erkennen, dass mein ehemaliges Unternehmerdenken stark rastet.
Sehr geehrter Herr Balodis: „Welche Möglichkeiten sehen Sie hier etwas in Bewegung zu setzen?“


Mit freundlichem Gruß
Karl-Peter Engemann

Tel.: 0212-593722
Kommentar von Otto  am  03.08.2017 10:59
Das Beispiel in Österreich kenne ich; welche Partei muss ich im Herbst wählen, damit wir wieder weg von Riester-Quatsch private Renten(geldvernichtungs)vorsorge und den Regierungs-Renten-Fake-News kommen?

Die Parteien die uns das eingebrockt haben - und so weitermachen - können es wohl schwerlich werden; oder gibt es schon irgendwo ein zartes Pflänzchen der Erkenntnis?

Viele Grüsse aus der künftigen Altersarmut

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