Menu
Kleinleins Klartext

Achtung: „Frischgebrühter Kaffee ist heiß!“ und „Die Riester-Garantie gilt eigentlich nicht“

Achtung: „Frischgebrühter Kaffee ist heiß!“ und „Die Riester-Garantie gilt eigentlich nicht“

 27.01.2016  Kleinleins Klartext  4 Kommentare  Axel Kleinlein

Kennen Sie die Geschichte vom heißen Kaffee und der ungeschickten Stella? Schon 1992 erwarb die Dame in den USA einen frischgebrühten Kaffee in einem Fastfoodrestaurant und schüttete sich im Auto das Heißgetränk über die Beine. Wegen der Verbrennungen verklagte sie das Restaurant, da sie ja nicht vor der Hitze gewarnt worden sei. 

Sie gewann vor Gericht, erstritt eine erhebliche Summe und ist seitdem Namensgeberin des Stella-Awards. Mit diesem werden absurde Gerichtsverfahren in den USA ausgezeichnet.

Seit Stella kann man sich immer wieder über ähnliche Meldungen ergötzen. Da wird bei einem Föhn davor gewarnt, ihn nicht beim Baden unter Wasser zu halten, die Mikrowelle eigne sich nicht für das Katzentrocknen und ähnlich absurde Warnhinweise erheitern mittlerweile unseren Alltag. In anderen Lebensbereichen gibt es weniger amüsante Warnungen. Etwa bei riskanten Geldanlagen, wo vor dem Totalverlust gewarnt wird. Aber auch viele andere Hinweise finden sich im Kleingedruckten. Da wird „drucktechnisch hervorgehoben“ auf Widerspruchs- und Widerrufsrechte hingewiesen oder kleinteilig über Kosten informiert – manches auch bei den Lebensversicherungen.

Von Warnhinweisen...

Das ist alles gut und richtig so, auch wenn diejenigen, die diese Schreiben formulieren zuweilen weniger die Verständlichkeit im Sinn haben, als nur das Ziel, irgendwie diesen Informationspflichten nachzukommen. Leider ist das Ergebnis daher oft unverständlich und es gibt zu viele Informationen, die eigentlich überflüssig sind und von den relevanten Dingen ablenken.

Was aber bei der Lebensversicherung fehlt: Ein Warnhinweis, dass man auch hier Verluste machen kann. Und das sogar bei der Riester-Rente!

Richtig offenbar wurde das jetzt durch eine kleine Anfrage der Grünen im Bundestag. Die wollten nämlich wissen, ob bei Lebensversicherungen auch die garantierten Leistungen gekürzt werden können, wenn es dem Unternehmen nicht so gut geht. Die Antwort ist „Ja“, das können die Unternehmen, wenn die BaFin mitzieht. Und dann wollten die Grünen noch wissen, ob die Kunden bei Vertragsabschluss darauf aufmerksam gemacht werden müssen, dass da ein Verlust entstehen kann. Hier ist die Antwort „Nein“, da gibt es keine Informationspflicht.

In Ordnung ist das nicht. Besonders bei so etwas Wichtigem sollte eigentlich eine Warnung erfolgen.

Und weil die versicherungsförmigen Riester-Renten nach den gleichen Regeln wie die anderen Angebote der Versicherer geführt werden, müsste also eigentlich auch bei jeder Riester-Rente deutlich informiert werden.

... auch für Riester-Renten

Das könnte dann so heißen wie:
„ACHTUNG RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN IHRER RIESTER-RENTE: Auch wenn der Gesetzgeber eigentlich gefordert hat, dass bei der Riester-Rente eine besonders gute Garantie gilt, trifft das bei ihrem Vertrag nicht zu. Denn, wenn es dem Unternehmen schlecht geht, dann kann auch die Garantie ihrer Riester-Rente beschnitten werden, dass noch nicht einmal der Beitragserhalt gegeben ist. Auch, wenn das dem Riester-Gesetz widerspricht, ist das dann leider so. Wir hoffen sehr, dass im Fall der Fälle, dann Ihr Vertrag trotzdem noch als Riester-Rente anerkannt wird. Ansonsten müssten Sie dann ja auch noch die ganzen Zulagen und Steuervorteile zurückzahlen, weil es ja dann keine Riester-Rente mehr ist. Aber wir glauben ganz fest daran, dass diese Situation nicht eintritt“.

Dass das alles nicht nur theoretisch ist, das sehen heute schon sehr viele Kunden. Denn der (dem Grunde nach) garantierte und verfassungsrechtliche Anspruch auf die Beteiligung an den Bewertungsreserven ist ja heute schon stark gemindert – nur begründet mit einer vermeintlichen Schwäche der Unternehmen. Der Kunde bekommt weniger Geld, aber dem Aktionär geht’s gut. Der bekommt dann schon mal Rekorddividenden. Und der Aktionär wird sogar noch vor der Verlustgefahr seines Investments gewarnt.

PS: Ich glaube zwar nicht, dass im Falle einer geminderten Garantie dem Vertrag die Riester-Fähigkeit rückwirkend (womöglich nur teilweise) aberkannt würde, vermutlich geht das schon wegen Treu-und-Glauben nicht. Aber das müsste noch mal genau geprüft werden…

PPS: Ceterum censeo occulta reserves esse recederem.


Kommentare
Kommentar von H. A.  am  08.02.2016 15:00
Dass Schwark als Chef des Lobbyverbands der deutschen Versicherungswirtschaft die kritik des BDV und anderer (denn Kleinlein ist ja nicht der Einzige, der fundierte Kritik äußert, von "Alleingang" insofern keine Spur) nicht goutiert, ist kein Wunder. Zu gut hat man an der verängstigten Bevölkerung bisher verdient.
Ich persönlich bin seinerzeit auch staatlichem Druck und Propagandalügen der Versicherungswirtschaft aufgesessen und habe so einen Riester-Müllvertrag abgeschlossen (mittlerweile längst beitragsfrei gestellt). Man kann nur hoffen, dass es mittelfristig gelingt, die Rentenprivatisierung wieder rückgängig zu machen, das muss das Ziel sein. Inzwischen hat ja selbst der ehemalige IWF-Chefökonom angesichts der Situation, in der sich die Weltwirtschaft befindet, erkannt, dass man weltweit zurückkehren müsse zu pay-as-you-go (umlagefinanzierte) Rentensystemen. Der Weg in die sog. Kapitaldeckung war ein Irrweg - für wenige sehr lukrativ - für viele sehr verlustreich.
Kommentar von Dr. Peter Schwark  am  28.01.2016 21:03
Mit einem medialen Trommelfeuer geschickter, wenn auch unsachlicher Kritik, kann man die Reputation der Riester-Rente nachhaltig beschädigen. Das haben Sie getan und tun Sie weiter, wie obiges Beispiel zeigt. Ich erinnere an Ihre Studie Ende 2011, die Riester-Rente lohne sich nicht. Dass die Riester-Rente sich lohnt, haben sogar die Experten der Deutschen Rentenversicherung nachgewiesen, bekanntermaßen keine Fans der privaten Versicherungswirtschaft. Dass dennoch in der Öffentlichkeit mittlerweile ein Negativbild dominiert, hat seine Ursache maßgeblich in Ihren sehr geschickt gemachten und verbreiteten Scheinanalysen. Medien lieben Negativnachrichten.

Auch in dem obigen Beitrag handelt es sich um eine Scheinanalyse: Alle Anbieter der Riester-Rente sagen zu, mindestens die eingezahlten Beiträge zu verrenten. Kein Anbieter hat die Macht, diese Zusage einseitig zu kürzen. Deshalb ist das AltZertG auch 100 % erfüllt.

Das was Sie zitieren, sind gesetzliche Spezialvorschriften, die im Insolvenzfall relevant werden. In der Privatwirtschaft hat übrigens jedes Unternehmen grds. ein theoretisches Insolvenzrisiko. Deshalb gelten auch für alle Unternehmen Regeln des Insolvenzrechts.

Die von Ihnen indirekt beschriebenen Paragrafen, die die Interessen der Gesamtheit der Versicherungsnehmer im Krisenfall sichern sollen, sind seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland kein einziges Mal benutzt worden. In der Versicherungswirtschaft ist selbst für den angesichts der kalkulatorischen und solvenzrechtlichen Vorkehrungen unwahrscheinlichen Fall einer drohenden Insolvenz allerdings ein gesetzlicher Sicherungsfonds geschaffen worden, der dann die zugesagten Leistungen erbringt.

Dass jemals bei einer versicherungsförmigen Riester-Rente nicht einmal der zugesagte Beitragserhalt erbracht werden könnte, ist deshalb aus kalkulatorischen und praktischen Gründen ausgeschlossen. Dennoch machen Sie mit dem BDV dazu einen gewaltigen Wind, um zielgerichtet die Riester-Rente weiter zu beschädigen. Für die sozialpolitischen Folgen sind Sie verantwortlich. Ich könnte an Ihrer Stelle damit nicht gut schlafen.

Dass Sie die Bewertungsreserven als vermeintlich quasi-garantierte Überschussbeteiligung charakterisieren, ist eine weitere Nebelkerze:

1. Kein Unternehmen hat derartiges vertraglich garantiert oder versprochen.

2. Der Gesetzgeber, der ohne Not und ohne (!) Gebot des BVerfG eine Beteiligung an flüchtigen Bewertungsreserven 2008 aus Anleihen ins VVG geschrieben hatte, musste sich angesichts der in einer Niedrigzinssituation erheblichen Kollateralschäden dieser Reserveschwächung 2014 korrigieren.

Langfristig wird es dem BDV sehr schaden, wenn er weiter derart unseriös argumentiert.
Kommentar von Axel Kleinlein  am  28.01.2016 16:34
Lieber Herr Schwark,

es ist nicht möglich "im Alleingang" ein Projekt wie die Riester-Rente zu "vernichten". Darum geht es ja auch gar nicht. Vielmehr geht es um sachliche Kritik und da scheint es ja nun so zu sein, dass sich die kritische Haltung gegenüber der Riester-Rente durchsetzt.

Ich freue mich aber immer wieder über einen echten Austausch. So würde es mich interessieren, wie Sie denn das Problem sehen, dass die Garantien der versicherungsförmigen Riester-Rente so staek eingeschränkt werden können, ohne dass die Kunden im Vorfeld davor gewarnt werden.

Beste Grüße

Axel Kleinlein
Kommentar von Dr. Peter Schwark  am  27.01.2016 14:55
Noch ein Beitrag aus dem Heldenepos "Wie ich, Axel Kleinlein, quasi im Alleingang die ´Riester-Rente´ vernichtet habe.".

Millionen Bürger, die wegen des Trommelfeuers geschickt gemachter, fachlich in aller Regel aber nicht haltbarer und unseriöser Kritik gegen die Riester-Rente, leider vielfach wiederholt in Web, Print und TV, auf eine geförderte Vorsorge verzichtet haben, werden im Alter deshalb schlechter leben.

Eine systematische fachliche Analyse, wie das mit geschickten Auslassungen und unrealistischen Maßstäben funktioniert, habe ich vor einiger Zeit beim DIW veröffentlicht (abrufbar als .pdf unter http://ejournals.duncker-humblot.de/doi/pdfplus/10.3790/vjh.81.2.71).

Eigenen Kommentar abgeben
Name (Sie dürfen auch ein Pseudonym angeben)
E-Mail* (wird nicht veröffentlicht)
Ihr Kommentar*
 

Mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.

Mit Absenden eines Kommentars erklären Sie sich mit den rechtlichen Hinweisen und den Kommentarrichtlinien einverstanden.