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Kleinleins Klartext

Beleidigtes Jammern und "Es gilt der Spruch: Im Nachhinein ist man immer schlauer..."

Beleidigtes Jammern und "Es gilt der Spruch: Im Nachhinein ist man immer schlauer..."

 12.09.2019  Kleinleins Klartext  1 Kommentar  Axel Kleinlein

So antwortet Norbert Rollinger in einem Interview mit dem Handelsblatt als er gefragt wird, ob sich die Branche in den 90er Jahren nicht einfach verkalkuliert habe. Was für eine Antwort! Und dann führt er weiter aus, dass dieser Vorwurf „unfair“ sei (s. Ausschnitt unten). Schließlich habe damals der Bund der Versicherten e. V. angesichts der seinerzeit hohen Zinsen sogar gefordert, die Branche solle einen noch höheren Zins „bieten“.

Aber wie war das denn damals in den 90ern? War es wirklich so, dass der Verbraucherschutz höhere Garantiezinsen gefordert hat und die Branche habe vor zu hohen Garantieverpflichtungen gewarnt? Nein. War es denn etwa so, dass sich in den 90ern die verantwortlichen Aktuare geziert hätten, mit vier Prozent zu kalkulieren, weil es zu unsicher sei? Nein. Dabei hätten die Aktuare damals auch mit niedrigeren Zinsen kalkulieren dürfen.

Technisches Unvermögen

Zugegeben, über einige Jahre gab es einige Unternehmen die nicht mit den maximal möglichen vier Prozent kalkulierten, sondern nur mit 3,5 Prozent. Aber taten sie dies aus einem Vorsichtsgefühl heraus? Nein. Sie taten es aus der Unfähigkeit heraus, die in früherer Zeit mit 3,5 Prozent kalkulierten Tarife auf vier Prozenter umstellen zu können. Das hat bei so manchem Unternehmen Jahre gedauert. Es war nicht die Angst vor zu hohen Zinsverpflichtungen, die diese Unternehmen an den 3,5 festhalten ließ. Es war technisches Unvermögen schnell auf einen höheren Zins umzustellen.

Es gab dann sogar (mindestens) ein Unternehmen, das freiwillig, ohne Not, schon bestehende Verträge mit niedrigerem Zins auf vier Prozenter umgestellt hat! Da hat keiner vor der hohen Zinsverpflichtung gewarnt. Im Gegenteil, da wurde den Kunden stolz mitgeteilt, dass man ja jetzt auf vier Prozent umstellen könne.

Wie die Lemminge

Und zu guter Letzt gaben viele Unternehmen noch eine sogenannte „Direktgutschrift“, so dass die „gefühlte“ Garantieverzinsung letztlich sogar mehr als vier Prozent betrug, zum Beispiel bei der R+V in 2001 noch immer fünf Prozent.
Wir hatten also eine Branche, die wie Lemminge den vier Prozent hinterhergelaufen sind, bei denen nur wegen technischem Unvermögen manche nicht mitgemacht haben und andere die Zinsbelastung freiwillig noch besonders in die Höhe getrieben haben! Und das alles mit stolzgeschwellter Brust, dass die Versicherungswirtschaft genau der richtige Partner sei, wenn es um Sparen und Altersvorsorge ginge!
Da ist es doch selbstverständlich, dass man dieser Branche glaubt, dass sie zumindest das mit den Zinsen und der Kalkulation einigermaßen im Griff hat. Und da man beobachten konnte, dass damals die Beteiligung an den Überschüssen auch schon alles andere als fair war, war es logisch, aus Verbrauchersicht höhere Garantien ins Spiel zu bringen.

Einsicht in die eigenen Fehler?

Sich jetzt hinzustellen und sich „unfair“ behandelt zu fühlen, zeigt einmal mehr, dass die Einsicht in die eigenen Fehler fehlt. Auch die R+V, das Unternehmen von Herrn Rollinger, hat in den 90ern gerne 4 Prozenter verkauft und dann inklusive Direktgutschrift mit fünf Prozent bedient. Auch sein Unternehmen hat damals keinen Gedanken an womöglich überhöhte Zinsverpflichtungen verschwendet.
Aber wer, wenn nicht die Versicherungswirtschaft sollte das Geschäft mit Zinsen und Garantien verstehen? Wer, wenn nicht die Lebensversicherer, die dieses Geschäft seit über hundert Jahren betreiben, sollten hier Klartext reden können?
Herr Rollinger, Sie wurden vom Handelsblatt gefragt, ob sich die Branche mit den Garantiezinsen verkalkuliert hat. Eine ganz einfache Frage, die man mit Ja oder Nein beantworten kann. Sie haben aber einfach nicht geantwortet, in der bekannten intransparenten Manier der Versicherungsbranche. Stattdessen kam nur die Floskel, „Im Nachhinein ist man immer schlauer“. Und schließlich das Jammern, der Vorwurf sei unfair.

Ich werte diese Nicht-Antworten als „Ja“. Ja, die Versicherungsbranche hat sich massiv verkalkuliert. Und Ja, die Versicherungsbranche ist noch immer nicht bereit, Verantwortung dafür zu übernehmen. Peinlich für eine einstmals stolze Branche.

 Auszug aus dem Interview im heutigen Handelsblatt (12.9.2019):


Kommentare
Kommentar von WKH  am  17.10.2019 12:35
Versicherer sprechen eben eine eigene Sprache, die sich keiner so verinnerlichen kann; reden ihre Schlappen schön und halten die Verbraucher für Deppen. Wir aus den zukunftsweisenden Bundesländern haben 1990/ 1991 nur Risiko-LV mit empfohlenen Versicherungssummen für uns und unsere Kinder abgeschlossen, dank auch fundierter Informationen durch den BdV. Das eingesparte Sparkapital wurde in Aktien und Fonds angelegt und hat sich bis zum Jahr 2009 trotz der Hoch und Tiefs an den Börsen um durchschnittlich 7,54% pro Jahr fast vervierfacht. (die Lehmann Brothers Krise wollten wir uns nicht antun und haben rechtzeitig reagiert) Wir waren damals überzeugt(worden vom BdV), dass Rentnerdasein jetzt so geruhsam sein könnte. Gut war es, dass wir uns selber darum gekümmert und keine sog. "Finanzmanager/-berater" zu Rate gezogen haben. Heute haben wir noch für unsere 3 Enkel einiges im Depot, was dann mit deren Alter 18 an diese übergeben wird. Leider können das bis zu 90% unserer Bundes-Bürger immer noch nicht. Hier herrscht enormer Beratungs- und Aufklärungsbedarf.

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