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Besserwisser – ich bin dabei! Du auch?
Besserwisser – ich bin dabei! Du auch?
Jetzt wissen alle, wie man das alles hätte besser machen können. Olaf S. erklärt dem Jens S. (nicht verwandt, nicht verschwägert, nur verkoalitioniert), bei wem man Impfstoff hätte bestellen müssen. Peter T., der Olaf S. abgelegten Job übernommen hat, beklagt sich, dass er zu wenig Impfstoff bekommt. Und Manuela S., Nachbarin von Peter T., findet, dass man sowieso mehr hätte bestellen müssen, um die Älteren besser zu schützen.
Aber nicht nur diese rote Truppe rund um Olaf S. (der bei den Entscheidungen mit dabei war) weiß jetzt alles besser. Für die politische Opposition ist es ja auch ein Teil ihrer Aufgabe, es besser zu wissen und das laut zu sagen – besonders da sie in die Entscheidungen nicht richtig einbezogen wird. Der hübsche Christian L. findet zum Beispiel, man hätte „parallel zur EU“ mehr bestellen müssen. Der knallrote Bodo R. räumt wenigstens ein, dass er das früher nicht ganz richtig eingeschätzt hat und möchte jetzt härtere Maßnahmen. Das fordert sein grüner schwäbischer Kollege Winfried K. übrigens auch. Nicht zu vergessen der blauweiße Markus S., der schon immer am besten wusste, was richtig ist. Die unbunte Truppe rund um Jorg M. und Tino C. hat währenddessen stets verkündet, wie es in Sachen Corona eigentlich laufen sollte (etwa mit löchrigen Masken).
Jetzt ist also die Zeit der Besserwisser!
Das gilt auch für die Versicherungswirtschaft. Zum Beispiel erklärte ja gerade Oliver B. von der A.-Versicherung (Branchenführer), dass solche Lebensversicherer, die nicht gut gewirtschaftet hätten, eben aus dem Wettbewerb ausscheiden sollten. Organisieren solle das die Aufsichtsbehörde BaFin. Das klingt so, als wäre es üblich, dass Lebensversicherer in Deutschland pleitegehen. Das ist es aber aktuell nicht. Oliver hat dabei ja recht, ich habe das schon vor einem Jahr gesagt.
Oliver B. erläutert auch die Hintergründe: Das Problem für die Versicherer läge ja darin, dass der Olaf S. (ja, der vom Anfang) so schlechte Schuldverschreibungen verkaufen würde und dass die Christine L. von der EZB falsch handeln würde - auch wenn er ihr nicht „an allem“ die Schuld geben wolle. Oliver B. unterstellt ihr nur im gleichen Atemzug, dass es eben „fundamental falsch“ wäre, was die Notenbank der Christine L. macht. Also ist sie doch schuld.
Oliver B. verliert aber keinen Gedanken daran, dass die niedrigen Zinsen nur die eine Seite der Zinsproblematik sind. Denn das wäre alles nicht so schlimm, wenn sich die Versicherer früher nicht verrechnet hätten. Sie haben mit viel zu hohen Zinsen und Kosten kalkuliert. Ohne nachzudenken, haben die nämlich vier Prozent pro Jahr garantiert! Und dann auch noch gleich den Versicherten mindestens schnell vier Prozent der Beitragssumme (!) aus der Tasche gezogen. Schön zu Beginn als Abschlusskosten - etwa für Vertreter-Provisionen!
Jede*r der bis hierher gelesen hat, merkt schon: Auch der Axel K. weiß alles besser! Der hat ja schon Ende 2019 gesagt, dass 2021 das Jahr der Lebensversicherungspleiten werden wird! Und jetzt fühlt er sich auch noch von Oliver B. bestätigt! Ausgerechnet der Chef von seinem alten Arbeitgeber!
Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Besserwisserei
Eigentlich ist aber jetzt nicht der Zeitpunkt der bloßen Besserwisserei, egal, ob es um Corona oder pleitegehende Lebensversicherer geht. Ein Nachkarteln oder „hätte-hätte-Fahrradkette“ reicht nicht aus. Wir müssen uns nüchtern und pragmatisch den Problemen stellen, Fehler aus der Vergangenheit offen eingestehen, die Fehler korrigieren und dabei auch Konzepte aus der Vergangenheit (die nicht funktioniert haben) umfänglich und grundlegend ändern und ggf. beenden. Denn dies alles wird uns noch viel Kraft und Geld kosten. Besonders bei Corona, aber auch bei pleitegehenden Lebensversicherungen.
Fazit: Deutschland hat sich viel zu lange darauf ausgeruht, dass im Sommer 2020 die Corona-Fallzahlen (erfreulich) niedrig gewesen sind, und die politischen Entscheider haben Warnungen vor folgenden Wellen weitgehend viel zu zögerlich adressiert. Dieses Versäumnis holt uns jetzt alle ein. Auch die Lebensversicherer haben sich lange Zeit auf den Verkaufszahlen ihrer Produkte ausgeruht und Warnungen ignoriert, dass ihr Geschäftsmodell nicht dauerhaft marktfähig ist und deshalb Anbieter scheitern werden.
Deutschland und die EU müssen sich jetzt offen zum Scheitern ihrer bisherigen „Impfstrategie“ bekennen und eine funktionierende Alternative auf den Weg bringen. Auch die Lebensversicherer müssen offen das Scheitern ihres Geschäftsmodells eingestehen und sich auf das fokussieren, was sie können, nämlich Todesfall- und Arbeitskraftabsicherung.
Ein wenig Selbstkritik habe ich aber auch. Auch wir als BdV haben bis vor wenigen Jahren vorrangig betont, dass sich kapitalbildende Verträge für die Kund*innen nicht lohnen. Dass auch Unternehmen an diesem Geschäftsmodell scheitern werden, haben wir erst vor wenigen Jahren thematisiert, im Rahmen unserer Solvenzstudien oder in meiner Neujahrsansprache. Es gibt also auch für uns in Sachen Besserwisserei noch viel zu lernen.
PS: Wir brauchen auch kein „Weiter-So“ und Gefasel von weiterhin „attraktiver, sicherer und erfolgreicher Vorsorge“ mit Lebensversicherungen - auch wenn Andreas W. von der A.-Lebensversicherung das so schreibt.
Hintergründe: