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Kleinleins Klartext

Der Alptraum eines Verbandschefs

Der Alptraum eines Verbandschefs

 02.09.2015  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Auch als Verbandschef hat man Alpträume. Von einem ganz schlimmen möchte ich hier berichten. Der Traum dreht sich um eine ganz alltägliche Situation für einen Verbandschef: Eine Pressekonferenz. 

Worum geht es?

Der erste Schweißausbruch kommt, weil ich mich nicht vorbereitet habe. Ich habe keine Ahnung worum es geht, ich muss mich also auf das stützen, was meine Mitarbeiter vorbereitet haben. Die zweite Schweißwelle: Ich weiß, dass die anwesenden Journalisten gar nicht gut auf mich zu sprechen sind. Habe ich doch erst vor kurzem einen wichtigen Pressetermin gestrichen und stehe für noch weniger Interviews zur Verfügung.

Die Veranstaltung beginnt. Der Pressesprecher begrüßt und übergibt das Wort an mich. Ich soll jetzt die Einführung in das Thema übernehmen. Doch worum geht es? Auf meinem Tisch liegt immerhin die Einladung wie sie an die Journalisten gegangen ist. Das sollte doch helfen.

„Ich freue mich, heute mit Ihnen über die Generation Mitte reden zu dürfen“, beginne ich. Die Generation Mitte? Die „Generation X“ kenne ich, um die ging es in einem schrecklichen Buch aus den 90ern. Aber in der Einladung an die Journalisten wird das konkreter gefasst.

Macht das Sinn?

„Also, ich meine die 30- bis 59-Jährigen.“ Macht das Sinn, was ich da sage? Diese Altersgruppe umfasst doch mehr als nur eine Generation? Was haben denn die heute 30-Jährigen (Jahrgang 1985) mit den heute 59-Jährigen (Jahrgang 1956) gemeinsam? Sinn macht das nicht, was ich sage, aber da muss ich jetzt durch.

„Wir haben untersucht, was diese Generation unter guter Lebensqualität versteht, wie sie die eigenen Lebensbedingungen wahrnimmt.“ Jetzt komme ich in einen guten Fluss. Geht doch!

Gott sei Dank steht auf der Einladung noch mehr an Hintergründen. Ich lese jetzt einfach vor: „Die heute 30- bis 59-Jährigen sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Über 70 Prozent aller Erwerbstätigen gehören dieser Altersgruppe an.“ Jetzt kommt wieder Verzweiflung auf. Was erzähle ich denn da? Geht es noch belangloser? „Gemeinsam erwirtschaften sie über 80 Prozent der zu versteuernden Einkommen.“ O je! Das wird ja immer peinlicher an Plattitüden. Ich nehme einen Schluck Wasser.

Weiter im Text

Heiner Gläubig, einer der wichtigsten Journalisten, murmelt seiner Sitznachbarin Frau Tiefhügel etwas ins Ohr von: „Jetzt erzählt er uns gleich, dass diese ‚Generation Mitte‘ auch ganz wichtig sei“ und kichert leise . Weiter in meinem Text: „Sozial, gesellschaftlich und politische spielt die Generation Mitte eine entscheidende Rolle“ fahre ich fort. Das hat doch meine Pressestelle ernsthaft geschrieben! Was soll ich denn jetzt tun?

Hilft alles nichts, weiter im Text.

Ich räuspere mich und leite über zu den Fragen der Untersuchung. „Weil also diese Generation Mitte so entscheidend ist, haben wir diese Generation befragen lassen. So haben wir etwa gefragt, was diese Generation über das Erben denkt. Gibt es denn eine ‚Generation der Erben‘?“ Jetzt verheddere ich mich total, schießt es mir durch den Kopf. Wenn ich die 30-Jährigen zum Thema Erben befrage, gehören dann die 59-Jährigen nicht zu denen, die erst einmal versterben, damit die 30 Jährigen etwas erben? Müsste ich dann nicht auch die 59-Jährigen befragen, was sie davon halten, dass sie selbst sterben und etwas vererben? Was soll das dann, über diese „Generation Mitte“ zu schwadronieren, wenn ich mich jetzt mit einer „Generation Erben“ auseinandersetzen möchte? Warum tue ich das überhaupt?

Ich entdecke nun vor mir ein weiteres Schriftstück. In Kurzform die wichtigsten Ergebnisse. Das sollte mich retten. „Also, die Ergebnisse sind beeindruckend“, stottere ich. „Knapp die Hälfte der Befragten erwarten ein Erbe“. Ist auch nicht überraschend, denke ich, denn die andere Hälfte sind ja die, die dann versterben.

Schweißgebadet 

Die Blicke der Journalisten werden ungeduldig. „Und, ähm, auch zeigt sich, dass diejenigen die eher gut verdienen, ihre Lebensqualität auch besser einschätzen, als diejenigen, die eher wenig verdienen.“ Kein wirklich überraschendes Ergebnis. Wer gut verdient, dem geht es halt gut…. Mir wird schwindelig…

Schweißgebadet erwache ich. Gott sei Dank muss ich solche Veranstaltung nicht wirklich über mich ergehen lassen. Ein Blick in den heutigen Kalender, zeigt mir, was in der Versicherungswirtschaft so ansteht. Der GDV möchte genau eine solche Pressekonferenz abhalten. Armer Herr Dr. Erdland. Ich drücke ihm die Daumen, dass er besser vorbereitet ist als ich in meinem Traum. Was aber ja dann nichts an den Inhalten ändert.

PS: Die originale Ankündigung der Pressekonferenz des GDV liest sich wie folgt:


„Pressekonferenz 2. September

Wie gut lebt die Generation Mitte?

Welche Anforderungen stellt die „Generation Mitte” der 30- bis 59-Jährigen an eine gute Lebensqualität? Wie nimmt sie ihre eigenen Lebensbedingungen wahr? Vor dem Hintergrund der Regierungsstrategie „Gut Leben in Deutschland“ hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des GDV diese Punkte in Erfahrung gebracht. Die Ergebnisse unserer diesjährigen Allensbach-Umfrage zur „Generation Mitte“ präsentieren wir auf einer Pressekonferenz am 2. September.

Die heute 30- bis 59-Jährigen sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Über 70 Prozent aller Erwerbstätigen gehören dieser Altersgruppe an. Gemeinsam erwirtschaften sie über 80 Prozent der zu versteuernden Einkommen. Sozial, gesellschaftlich und politisch spielt die Generation Mitte eine entscheidende Rolle. Es lohnt sich daher, ihre Einstellungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Deshalb hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des GDV die „Generation Mitte“ befragt – zum dritten Mal in Folge.

Was denken die 30- bis 59-Jährigen zum Beispiel über das Thema Erben? Gibt es tatsächlich eine „Generation der Erben“? Und woran sollte Lebensqualität gemessen und wie kann sie verbessert werden? Die Antworten der „Generation Mitte“ auf diese und weitere Fragen stellen wir hier vor:“

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