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Kleinleins Klartext

Der Verrat an den Vermittlern

Der Verrat an den Vermittlern

 21.10.2015  Kleinleins Klartext  2 Kommentare  Axel Kleinlein

Stellen Sie ich vor, Ihr Job besteht darin, Dinge zu verkaufen. Sie haben bestimmte Anbieter, von denen Sie die Produkte bekommen, die Sie dann an den Endkunden weiterverkaufen sollen. Und ausgerechnet Ihr Anbieter fällt Ihnen in den Rücken und erklärt, dass fast alles, was Sie in den letzten Jahren verkauft haben, eigentlich „sinnlos“ gewesen ist.

 

Jetzt können Sie nur noch hoffen, dass Ihre alten Kunden nichts davon mitbekommen. Denn natürlich würden die sich ziemlich dumm behandelt fühlen, wenn sie Wind davon bekommen, dass ihnen was Sinnloses angedreht worden ist.

Genau das passiert aber jetzt vielen Versicherungsvermittlern, die in der Vergangenheit gutes Geschäft mit klassischen Lebensversicherungsverträgen geschrieben haben. „Warum hast Du mir eigentlich damals diese klassische Lebensversicherung verkauft, wo doch jetzt selbst der Chef von der Allianz-Leben sagt, dass die eigentlich sinnlos ist?“

Ich beneide niemanden, der sich so einem Gespräch stellen muss

Ich habe noch nicht mitbekommen, wie die Vermittler der Allianz solche Kundengespräche bewältigen. Ich beneide niemanden, der sich diesem Gespräch stellen muss. Die beste Gesprächsstrategie ist in so einem Fall vermutlich, dass dann so getan wird, als würden die heutigen klassischen Tarife deutlich schlechter sein und deutlich schlechter laufen als die alten Angebote.

Das stimmt aber nicht so richtig. Denn gerade die heutigen klassischen Angebote sind zum Beispiel eben bei vielen Unternehmen erheblich kostengünstiger als das, was noch vor zehn oder zwanzig Jahren angeboten wurde. Und die zwar mager erscheinende laufende Gesamtverzinsung ist im Vergleich zur Inflation heute sogar oft besser als es sich in der Vergangenheit darstellt (natürlich noch immer nicht gut, aber immerhin). Das Problem liegt ja nicht in der klassischen Konstruktion mittels Garantiezins, sondern in der unfairen Aufteilung der Gewinne.

Dennoch kann ein Vermittler versuchen, sich im Gespräch mit dem frustrierten Kunden auf diese Erklärungsstrategie festzulegen. In jedem Fall heißt es dann nach einer neuen Devise die Verträge zu verkaufen: „Finger weg von den klassischen Tarifen, die neuartigen Garantien sind die Lösung!“

Haftungsfalle

Klar ist, nachdem selbst der Marktführer vor den klassischen Garantien warnt, muss jeder Vermittler eine Haftungsfalle befürchten, sollte er dennoch solche klassischen Produkte verticken. Wer sich nicht in diese Gefahr begeben will, sollte es also tunlichst vermeiden, solche Produkte zu verkaufen, die klassisch kalkuliert sind. Also besonders für alle Vermittler gilt: „Finger weg von Angeboten, bei denen ein klassischer Garantiezins die Basis für die Kalkulation ist.“

Und jetzt wird es richtig gemein: Denn die Versicherungsunternehmen bieten so etwas in der Lebensversicherung eigentlich gar nicht an! Lautstark wettern sie gegen die klassische Konstruktion. Nimmt man die Angebote aber unter die Lupe, dann münden alle Verträge in einen klassischen Vertrag (ausgenommen ganz, ganz exotische Konstruktionen, die aber keine echte Marktrelevanz haben). Fondsgebundene Verträge? Mehrtopfhybride? Select-Tarife? Neuartige Garantien? Ab dem Rentenbezug läuft alles klassisch. Klassische Kalkulation, klassischer Garantiezins, klassische Kapitalanlage. Alles wie gehabt.

Der schwarze Peter

Eine Abkehr von der klassischen Lebensversicherung findet im Rentenbezug also nicht statt. Das „Sinnlose“ ist also auch weiterhin fester, tragender Bestandteil der Altersvorsorge. Nur wird jetzt der schwarze Peter den Vermittlern in die Hand gedrückt. Die müssen ihren Kunden jetzt erklären, warum die klassische Konstruktion mit Garantiezins vor dem Rentenbeginn Mist ist und danach auf einmal doch wieder gut sein soll.
Das kann aber niemand seinen Kunden erklären.

Die Versicherungsunternehmen haben die klassischen Produkte durch ihre Unternehmenspolitik heruntergewirtschaftet. Jetzt erklären die Versicherer höchstselbst die klassischen Produkte für gescheitert. Echte Alternativen geben sie nicht, denn die Verrentung läuft immer noch klassisch. Die Vermittler stehen mit dem Problem alleine, das den Kunden zu erklären. Ich beneide die Vermittler nicht um diese Aufgabe.


Kommentare
Kommentar von Alexander Schmidt  am  24.10.2015 09:53
Das größte ethische und moralische Problem der gesamten Finanzindustrie (Banken, Sparkassen, Finanzdienstleister, Makler und sonstige Vermittler) ist und war schon immer, daß man nur dann verdient, wenn ein Produkt verkauft wird. Somit ist natürlich das vorgeschaltete Gespräch keine Beratung, sondern ein Verkaufsgespräch, also Mittel zum Zwecke des Abschlusses. Jeder, auch der beste und seriöseste Makler, wird also am Ende im Sinne seines Geldbeutels handeln, den Kunden überzeugen, dessen Einwände und Vorwände behandeln, dann zum Abschluss kommen.
Und lukrativ war und ist der Verkauf von Finanzprodukten allemal.
Nun ändert sich aber die Zeit, die Kunden wollen einfach nicht mehr "beschwatzt" werden, es wird noch etwas dauern, bis auch die Sparkassen und Banken merken, dass deren Kunden sich kein Produkt, keinen Fonds mehr andienen lassen wollen für viel Geld, sondern wirkliche Beratung suchen, die nach Stunden bezahlt wird, mehr nicht.
Die Zeit für das Provisionsverbot wird kommen !

Alexander Schmidt
Diplomierter Bankbetriebswirt (KWG 33)
Geprüfter Börsenhändler
Kommentar von Eberhard Stopp  am  23.10.2015 11:48
Sehr geehrter Herr Kleinlein,
das von Ihnen beschriebene Problem besteht in der Tat genau so. Nur sollte man den Unterschied in der Vermittlerstruktur nach GewO 34 d (1) und VVG § 59 beachten.
Der Versicherungsmakler - eigentlich auf der Seite seiner Mandanten stehend- hat eher das größere Problem, zahlt er doch seine Vermögensschaden- HV selbst, haftet selbst persönlich oder durch Anteile an einer GmbH und kann sich nicht so einfach auf Nicht-Wissen berufen, wie der gebundene Vertreter. Aber wie viele Makler haben dennoch in den letzen 10 Jahren untaugliche KLV, Rürrup – und Riester R Enten verkauft, oder auch BAV-Produkte oder einfache Renten nach Schicht 3? Was steht im Beratungsprotokoll? Garantiert ist, dass nichts garantiert ist! ? Siehe VAG § 89, LVRG, Zinsreserve und Überschussbeteiligung. Seit Jahren spreche ich mich öffentlich gegen diese Produkte aus und fordere das auch von den Maklern, deren Verbänden, natürlich meist erfolglos.
Wo sollen sonst die Einnahmen herkommen? Von der PHV und Hausratversicherungen lassen sich kein Gewerbetrieb finanzieren! Und es stellt sich die Frage, haben Makler in diesem Bereich ( Altersvorsorge) wirklich beraten? , oder auch nur Produkte verkauft?
Da kommt sofort auch die Frage nach Honorarberatung auf, da möchte ich unbedingt auf diesen Beitrag und meinen dortigen Kommentar im Versicherungsbote hinweisen:
Versicherungsberater und Versicherungsmakler? Brauchen wir nicht!
http://www.versicherungsbote.de/id/4830290/Versicherungsberater-Versicherungsmakler-Brauchen-wir-nicht/#comments

Der Markt der Vorsorge funktioniert also nicht nur wegen der untauglichen Produkte nicht, sondern auch wegen der Abhängigkeit der Vermittler von einem untauglichen Rechtsstatus, der zum Verkauf zwingt und Beratung nicht belohnt!
Um das alles zu ändern, wäre das zusammenwirken aller Beteiligten, wie Makler, VbZ, BdV, Maklerverbände , externe Fachleute (Prof. Sell, Steffens, H. Balodis, ADG, ….Dr. Morgan ) notwendig. Aber diese Zusammenarbeit findet leider noch nicht statt.
Leider macht der BdV hier auch einen großen Fehler, nach meiner Aufassung, in dem er diesen Unsinn befürwortet:
" Ein neues Angebot der privaten Altersvorsorge in Europa (PEPP) – Merkmale und Perspektiven "
Was Sie, Sehr geehrter Herr Kleinlein, in ihrem Beitrags hier kritisieren, befürworten Sie bezüglich PEPP, was für mich sehr unverständlich und kontraproduktiv ist.
Die Lösung kann nur sein:
Stärkung der DRV, weg mit den Kürzungsfaktoren, Weg mit dem Einfrieren des Beitragssatzes der AG, Hoch und dann weg mit der Beitragsbemessungsgrenze, Alle zahlen von allem ein und auf der Versicherungsvermittlerseite müssen gleiche gesetzliche Voraussetzungen ( Zulassung, Haftung, Entlohnung auch für die Vbz) für alle geschaffen werden und eine freie Beratung mit einer Honorarordnung muss für die unabhängigen Berater möglich sein.
Den ( GDV ) Lobbyisten im Bundestag muss eine Lobby der Verbraucher gegenüber stehen, organisiert, geschlossen, fachlich fundiert und unbestechlich!!!
Ansonsten wird alles so weiter gehen wie bisher!
Alter „ Wein in neuen Schläuchen „ wie PEPP helfen da weder Kunden noch Vermittler !
Eberhard Stopp Versicherungsmakler

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