Wir geben Einblicke in die Versicherungswelt - von A wie Altersvorsorge bis Z wie Zinszusatzreserve.
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Ich bin ein Besserwisser. Gerne erkläre ich andern die Welt. Deshalb schreibe ich zum Beispiel auch gerne für diesen Blog. Eine kleine Entschuldigung: Die Besserwisserei gehört ein wenig zum Berufsprofil eines Mathematikers. Denn der lernt ja gerade im Studium nichts Geringeres, als Wahrheiten zu produzieren, Falsches zu brandmarken und Unentscheidbares zu erkennen. Das gibt dem Mathematiker stets ein gutes Gefühl, zu wissen, was richtig ist. Ein Besserwisser eben.
Zillmerung - mathematisch oder juristisch?
Ein historisches Beispiel: Das sogenannte „ungezillmerte Deckungskapital“. Für den Aktuar ist das genau das Deckungskapital, das sich ergibt, wenn er in der Kalkulation auf die Zillmerung verzichtet, eben „ungezillmert“. Technisch heißt das dann, dass die ursprünglich auf den Vertragsbeginn über die Zillmerung als einmalig kalkulierten Abschlusskosten stattdessen auf den Beitragszahlungsverlauf verteilt werden. Eigentlich ganz einfach.
Für die Aktuare ist das auch keiner weiteren Diskussion mehr würdig. Wie das mit der Zillmerung funktioniert ist schließlich rein aktuarielles Wissen und für Juristen nicht nachvollziehbar. Die sollen sich auf die Expertise der Aktuare verlassen, wenn es darum geht dieses „ungezillmert“ zu deuten. Oder?
Weit gefehlt! Denn die Juristen haben auch eine eigene Vorstellung, was „ungezillmert“ bedeuten soll. Viele Rechtsgelehrten verstehen darunter eine Kalkulation, die gänzlich auf Abschlusskosten verzichtet. Der „Verzicht“ ist natürlich etwas anderes als die „Verteilung auf den Beitragszahlungszeitraum“. Oder anders ausgedrückt: Die Juristen verstehen unter „ungezillmert“ etwas anderes als die meisten Aktuare.
Und jetzt kommt die Besserwisserei ins Spiel: Die Versicherungsmathematiker erheben einerseits den Anspruch, die Gralshüter des Wissens um die Zillmerung zu sein. Die Juristen sehen andererseits in „ungezillmert“ einen juristischen Begriff, der eben von Juristen zu definieren sei. Beide sind mit Inbrunst von ihrer eigenen Sache überzeugt.
Der Gewinner: der Jurist
Unversöhnlich stehen sich Aktuare und Juristen gegenüber. Kinder lösen solche Konflikte durch einfache Wettbewerbe wie Kirschkernweitspucken oder Wettrennen. In der Welt der Erwachsenen gewinnt aber letztlich immer: Der Jurist. Das liegt nicht daran, dass der Jurist klüger, schlauer, schöner oder besser ist als sein Counterpart. Das liegt daran, dass der Jurist mit gezinkten Karten spielt. Denn gestritten wird am Schluss immer vor Gericht und vor Gericht gelten nun mal die Regeln der Juristerei. qed
Warum ich darüber lamentiere? Als Bund der Versicherten streiten wir viel vor Gericht. Und nicht selten geht es dabei auch um aktuarielle Aspekte. Da kostet es zuweilen Nerven, wenn sich der Aktuar in mir dem Besserwissen des eigenen Anwalts unterwerfen muss. Schön ist es aber dann, wenn wir gewinnen. Dann hat der Aktuar in einem selbst zu schweigen und dem erfolgreichen Juristen zu applaudieren. Aber am Ende ist es schließlich gut für die Versicherten, und darum geht es – und nicht darum, es besser zu wissen.