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Kleinleins Klartext

Die Phantomschmerzen der Vermittler

Die Phantomschmerzen der Vermittler

 07.04.2022  Kleinleins Klartext  2 Kommentare  Axel Kleinlein

Es gibt einen Reflex bei Versicherungsvermittlern, wenn ich mich über die hohen Kosten bei Lebensversicherungen beschwere. Vermittler, Vertreter, Makler – mit absoluter Regelmäßigkeit beklagen sie sich dann darüber, dass ich zu Unrecht die hohen Provisionen brandmarken würde.

So geschehen auch wieder letzte Woche. Ich hatte im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit, deren Ergebnisse ich auf unserer Wissenschaftstagung vorstellte, unter anderem die Kostenbelastung von fondsgebundenen Versicherungen ins Visier genommen. Die Ergebnisse fanden wir beim Bund der Versicherten so spannend, dass wir sie schon vorher gesondert in einer Pressemitteilung veröffentlichten. Grundtenor: „Ein Viertel der Prämie gehen bei Fondstarifen für Kosten drauf“. Alles sauber nachgerechnet und recherchiert. Die Presse hat das auch aufgegriffen und darüber berichtet.

Auch das Versicherungsjournal berichtete. Und dort gab es dann auch einen Leserbrief eines Maklers, Claude Burgard, der sich bitter darüber beklagt, dass ich „die Schuld gerne im Vertrieb solcher Produkte suchen“ würde. Und „es wäre wundervoll“, wenn ich bei „zukünftigen Beiträgen“ eine „entsprechende Differenzierung zwischen Vergütung und verbleibenden Kosten“ vornehmen würde.

Das, was mich irritiert: Weder in unserer Pressemitteilung noch in dem Artikel, der unsere Pressemitteilung aufgreift, ist die Rede von Provisionen oder Vertriebskosten. Ausdrücklich kritisieren wir, dass die Versicherungsunternehmen (nicht die Vermittler) gegen das Versicherungsprinzip verstoßen, indem sie für eher wertlosere Fonds-Tarife (weil weniger Garantien) höhere Kosten einkalkulieren als für werthaltigere Klassiktarife mit Garantien. Es sind also die Versicherungsunternehmen, die in ihrer Gier die Kosten hochsetzen!

Hier tragen die Versicherungsvorstände die Verantwortung

Es ist keine Rede davon, dass an diesem Missstand die Vermittler, die Vertreter oder die Makler Schuld hätten. Bei diesen überhöhten Kosten sind die Kosten für den Vertrieb nämlich gar nicht so dominant. Deshalb habe ich dann auch auf eine Provisionskritik verzichtet. Im Gegenteil! Hier hätte ich sogar Probleme, die Kolleginnen und Kollegen meines Lieblingsvertriebs für diese Fehlentwicklung verantwortlich zu machen. Hier sind es die Versicherungsvorstände, die Verantwortung tragen, nicht die Vermittlerschaft!

Dennoch fühlt sich Herr Burgard in dem Leserbrief von mir angegriffen. In der Medizin spricht man von Phantomschmerzen, wenn einem etwas wehtut, was gar nicht da ist. So ähnlich geht es diesem Makler-Kollegen.

Dieser Berufsstand hat manche Mitglieder, die sich schon bei geringstem Gegenwind als Opfer der Verbraucherschützer sehen. Sind sie aber nicht immer, nur manchmal. Meistens sind es die Versicherungsmanager in den Unternehmen, die Schindluder mit dem Versicherungsgedanken treiben und dafür Gegenwind bekommen. So eben auch letzte Woche.

Wo der Leser recht hat

Herr Burgard hat in seinem Leserbrief ja in seiner Argumentation auch recht, wenn er beklagt, dass die Kosten, die die Versicherungsunternehmen einkassieren, ein Vielfaches von dem sind, was er als Vermittler bekäme. Aber warum wirft er mir das vor? Da bin ich der falsche Adressat. Richtig wäre es, wenn er bei den Unternehmen vorstellig würde und dort mit der Faust auf den Tisch haut, damit die Kosten gesenkt werden.

Aber es ist eben leichter, einfach mal ins Blaue hinein gegen den Verbraucherschützer zu poltern. Da kann man sich der Zustimmung der anderen Vertriebler gewiss sein und die an der Misere schuldigen Versicherungsunternehmen können sich wegducken.

Oder um es ähnlich wie Sie, Herr Burgard, zu sagen: Es wäre wundervoll, wenn Sie bei zukünftiger Würdigung meiner Arbeit zwischen Kritik an der Vermittlerschaft und Kritik an den Versicherungsunternehmen differenzieren würden ;-)

 


Kommentare
Kommentar von Andi  am  11.07.2022 14:43
Die Andeutung, dass die von einem Lebensversicherungs-Unternehmen eingerechneten Abschlusskosten "ein Vielfaches" oder "bedeutend" über den als Provisionen an die Vermittler ausgezahlten Leistungen liegen würden, ist tatsächlich absurd falsch.

Tatsächlich entstehen in der Bilanz der Versicherung in den ersten 5-8 Jahren (solange bis die Stornohaftung abgelaufen ist) durch das Neugeschäft und die vorab gezahlten Provisionen sogar deutliche Verluste, die erst durch längere Laufzeit wieder ausgeglichen werden. Insbesondere seit 2015, wo nur noch 25 Promille gezillmert werden dürfen, die Provisionen aber in der Regel höher bis deutlich höher liegen. Es ist auch kein böser Wille der LVU, sondern schlicht der Wettbewerb um den Vermittlermarkt, der zu diesen Preisen führt - und der Wunsch des Kunden nach Beratung, denn der Online-Abschluss dümpelt bei 4% dahin seit Jahren.

Man darf auch nicht den Fehler machen zu verwechseln, dass ein Provisionsssatz mit Basis "Beitragssumme des Neugeschäfts" (=hypothetische Beiträge) natürlich nicht identisch sein wird mit der Kostenbelastung der tatsächlich eintreffenden Beiträge beim Versicherer, denn aufgrund ganz normalen (auch späteren) Stornos kommen vielleicht nur 60-80% der "Beitragssumme" tatsächlich am Ende beim Versicherer an.
Nicht verwechseln darf man auch Gesamtkosten (also bei Fondsgebundenen wurden da vor allem Fondsgebühren bei aktiv gemanagten Fonds rein gerechnet, die mit dem Versicherer erstmal nichts zu tun haben) mit den Kosten rein für den Versicherungsmantel. Diese jährlichen Kosten dann auf die Beiträge am Anfang (25%!!) hochzurechnen, ist eher ein Taschenspielertrick, denn wenn die Verträge über gut 30 Jahre gehen, sind das immer noch nur rund 1% jährlich - wenn die Fonds eine Performance von 5-6% abwerfen kommt dabei am Ende immer noch ein Geschäft für den Kunden heraus. Nicht zuletzt hat heute so gut wie jeder Lebensversicherer auch günstige ETFs im Angebot.

Die reine Verwaltungskostenquote der Branche liegt jedenfalls inzwischen bei nur 2,0%, zum Vergleich: Bei der gesetzlichen Rente sind es auch 1,6%.
Kommentar von Mewis  am  08.04.2022 10:55
Sehr geehrter Herr Kleinlein, da haben Sie in allem was Sie da vortragen meine volle Unterstützung. Nur der Gedanke, dass es mächtig weiterhelfen würde, wenn der Vermittler bei einer Versicherung "mit der Faust auf den Tisch haut, damit die Kosten gesenkt werden" erscheint mir (mit einigen Jahren Lebenserfahrung) eher als amüsante Rhetorik als hilfreiches Argument.
I. ü. finden wir das, was Sie zu Recht bei Versicherungsprodukten an Kostentreiberei und Intransparenz beklagen in allen Bereichen und Produkten des täglichen Lebens. Egal ob Sie einen Computer, Smartphone, ihren Strom, ein Medikament aus der Apotheke oder Brötchen kaufen, egal ob Sie zum Rechtsanwalt oder zum Arzt gehen. Sie erhalten stets etwas sehr intransparentes und kennen in aller Regel weder die Herstellungskosten noch die Vertriebsmarge.
Augenscheinlich ist unser Land so organisiert, dass man durch möglichst viele Zwischenhändler möglichst viele Zusatzkosten erzeugt.
Es scheint politisch so gewollt zu sein. Dadurch schafft man zwar Arbeitsplätze, aber wenig Nutzen und hohe Intransparenz.
Mir wäre es lieber man würde den Zwischenhandel weitgehend ausschließen.
Ein schönes Beispiel, dass so etwas auch in diesem Land mitunter gelingen kann, ist die Teekampagne.
Das erreicht man wohl eher durch gute und neutrale Aufklärung und gute Gedanken über die Verteilung des volkswirtschaftlich erwirtschafteten Kuchens, als durch Gesetze. Denn alle die jetzt vom Zwischenhandel leben müssen ja auch dann noch würdevoll überleben können.
Die offenen Fragen kann man durch neutrale Beratung, die dann sicher nicht kostenfrei ist lösen und zu guten Teilen durch erheblich mehr Bildung in den lebensrelevanten Gebieten. Dazu gehören dann nicht nur Finanzen und Versicherungen sondern auch IT und IT-Sicherheit, Gesundheit und Medizin sowie Umwelt, Klima und Mobilität.
I. ü. löst auch der häufig vorgetragene Wunsch nach Honorarberatung statt Provisionsberatung das Kostenproblem des Verbrauchers nur sehr begrenzt. Denn am Ende muss jeder seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Das legt den Gedanken nahe, dass der Provisionsvermittler möglichst viele möglichst gut honorierte Verträge braucht und der Honorarberater möglichst viele möglichst gut bezahlte Beratungsstunden.

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