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Das Riester-Konzept klappt nicht so richtig. Manche sagen es ist gescheitert. Andere sagen, man müsse es reformieren. Aber keiner sagt mit Inbrunst, dass das so richtig gut läuft.
Eigentlich hätte aber alles so richtig toll laufen müssen. Die Politik hatte sich ins Zeug gelegt, die Medien haben fast alle immer wieder aufs Neue ventiliert, dass jeder Bürger unbedingt zusätzlich vorsorgen sollte und die Versicherungswirtschaft hat mit stolzgeschwellter Brust verkündet, dass sie bereit ist, diese wichtige sozialpolitische Aufgabe zu übernehmen und die geeigneten Produkte anzubieten.
Heute sieht das anders aus. Aber was ging schief? Wer hat uns verraten?
Wer sich noch an linke Demonstrationen aus den 70ern, 80ern und 90ern erinnert, der kennt die Antwort auf die Frage im Schlaf. Es war damals ein echter Reflex: „Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten…“ Aber in Sachen Riester-Rente stimmt das nicht, auch wenn Riester als sozialdemokratischer Minister dieses Rentenkonzept entwickelte.
Aber Riester hat einen Fehler gemacht. Er hat darauf vertraut, dass die Versicherer zu ihrem Wort stehen und auch immer geeignete Produkte anbieten werden.
Riester war ziemlich mutig, in diese Branche ein solches Vertrauen zu setzen. Denn er musste ja nicht nur darauf setzen, dass die Managergeneration des Jahres 2000 zu ihrem Wort steht. Er musste ebenso darauf bauen, dass auch die nachfolgenden Managergenerationen gleichermaßen die politischen Zusagen einhalten. Das war ziemlich blauäugig.
Aus der politischen Welt kennen wir das Problem sehr gut: Das was in dem einen Jahr im Parteiprogramm steht, ist nur wenige Jahre später überholt und hat keine Gültigkeit mehr. (Da sind wir wieder bei dem 80er-Jahre-Reflex mit der Antwort, wer uns denn verraten hätte). Und auch in der Wirtschaft ist das keine Überraschung, dass sich Produkte und Angebote bis hin zu Marken einfach über Nacht ändern können - entweder aus betriebswirtschaftlichen Gründen oder auch nur so, weil es eben nicht mehr modern ist.
Warum die Politiker vor 15 Jahren daran glaubten, dass das für die Versicherungswirtschaft nicht gelten sollte, ist mir ein Rätsel. Es ist mir vollkommen unverständlich, warum die Politiker damals glaubten, dass sich zwar alles ändern könnte, aber eben die Versicherer immer ganz, ganz lieb zur Riester-Rente stehen würden.
Aber leider zeigt die Wirklichkeit, dass auch die Versicherungsbranche nicht davor zurückschreckt, einst gegebene politische Versprechen zu brechen. Jüngstes Beispiel: Die Ergo. Hier sind jetzt Riester-Kunden zweitklassig. Nur wer mit viel Geld als Einmalbeitrag anklopft, der bekommt noch klassische Garantien, Riester-Kunden aber nicht. Dagegen war derzeit aber der damalige Victoria-Vorstand aus der Ergo immer vorn dabei die Riester-Rente zu pushen.
Auch bei anderen Unternehmen ist die Riester-Begeisterung gewichen. Es macht ja auch nicht besonders viel Spaß ein Produkt zu verkaufen, das sehr kompliziert ist, besonders hohen Verwaltungsaufwand erzeugt und sowieso eher finanzschwache Kunden anzieht, denen man nur schwer noch etwas anderes verkaufen kann.
Wer heute Versicherungsmanager ist, der will mit den Riester-Zusagen aus 2000 also nichts mehr zu tun haben.
Das ist auch nicht verblüffend. Mittlerweile ist eine andere Managergeneration am Ruder. Vor 15 Jahren waren die noch an der Uni oder im Unterbau ihrer Unternehmen. Die haben nicht mitgemacht bei dem politischen Riester-Deal. Die heutigen Entscheider in den Unternehmen fühlen sich nicht dazu verpflichtet irgendwelche politische Zusagen aus 2000 einzuhalten. Heutige Manager fühlen sich dazu verpflichtet einen guten Job zu machen. Das heißt, heute gute Renditen für die Inhaber zu erzielen.
Und wenn eine politische Zusage aus anno dazumal stört, die heutigen Gewinne zu erwirtschaften, dann wird die Zusage eben aufgekündigt. Ist das verwerflich? Nein! Das ist Politik und der Job solcher Manager. Die müssen drauf schauen, dass der Laden läuft. Egal welche Lippenbekenntnisse der Vor-Vorgänger damals abgegeben hat.
Deswegen ist es nur logisch, dass Riester-Kunden zunehmend nur noch Kunden zweiter Klasse sind. Es ist betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, dass Riester-Sparer schlechtere Angebote bekommen als finanzstärkere Kunden, es ist unternehmerisch richtig, dass Unternehmen das Riester-Geschäft auf Sparflamme laufen lassen oder gänzlich beenden.
Es wäre schön, wenn die Versicherungswirtschaft heute ehrlich wäre und zugeben würde, dass sie eben nur für kurzfristige, politische Deals zur Verfügung steht. Für langfristige Projekte ist diese Branche nicht geeignet. Der Verrat am politischen Partner ist da vorprogrammiert.
Und wenn man die Frage nur etwas anders stellt, dann passt also auf einmal der alte Reflex aus den früheren Demonstrationen:
„Wer wurde verraten? Die Sozialdemokraten!“ …und nebenbei natürlich auch der frühere Koalitionspartner und alle Riester-Sparer und Steuerzahler.