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Kleinleins Klartext

Die Unfehlbaren

Die Unfehlbaren

 24.06.2015  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Nur wenige Institutionen sind unfehlbar. An erster Stelle gibt es solche Fehlerlosigkeit im religiösen Bereich. Was aber kaum jemand registriert hat: Auch die deutschen Lebensversicherer können sich nun in den Reigen derer einordnen, die unzweifelhafte Wahrheiten verbreiten! Wahrheiten, die der gemeine Laie, gefälligst nicht zu hinterfragen hat! Wahrheiten, die der Versicherte einfach hinzunehmen hat.

Niemand geringeres als der Bundesgerichtshof hat für die deutschen Versicherer dieses Dogma der Unfehlbarkeit proklamiert. Worum es geht? Leider nicht um moralische Weisheiten sondern nur um Berechnungen. Genauer, es geht um die Leistungen, die die Verbraucher von ihren Lebensversicherern bekommen. Üblicherweise also die Summe aus garantierter Leistung, den laufenden Überschüssen, den Schlussüberschüssen und der Beteiligung an den Bewertungsreserven (wenn der Kunde die denn überhaupt noch bekommt).

Leistungen weiterhin nicht nachvollziehbar

Früher gingen die Verbraucher noch davon aus, dass sie die Leistungen, die sie vom Versicherer bekommen, irgendwie verstehen könnten. Es gab sogar die Hoffnung, dass sie den Kunden vorgerechnet würden. Das ist besonders für die Kunden wichtig, die das Gefühl haben, zu wenig zu bekommen. Die Höhe der diversen Überschüsse und der „Beteiligung an den Bewertungsreserven“ führt bei vielen Versicherten oft zu Stirnrunzeln.

Und dieses Zweifeln hat auch seine Berechtigung: Selbst das Bundesverfassungsgericht hatte ja bei der „Beteiligung an den Bewertungsreserven“ die Befürchtung, dass diese mit den Schlussüberschüssen verrechnet werden könnte – zu Lasten des Kunden. Deshalb hat dieses oberste Gericht genau diese Verrechnung auch verboten. Um zu überprüfen, ob eine solche Verrechnung stattfindet, müsste der Kunde aber die Zahlen kennen und auch verstehen. Er müsste nachvollziehen können, wie sich diese Werte errechnen.

Die Rechnung geht nur in Karlsruhe auf

Auch bei einem Mitglied des Bund der Versicherten war das so. Er zweifelte an der Versicherung. Er wollte verstehen, wie sich die Werte seines Vertrages denn begründen. Und er hatte die Befürchtung, dass die eigentlich verbotene Verrechnung zwischen Schlussüberschüssen und Bewertungsreserven stattgefunden hätte. Deswegen klagte er vor den diversen Gerichten, am Schluss dann vor dem Bundesgerichtshof. Und dort kam es dann zur Unfehlbarkeitserklärung.

Diese Karlsruher Richter haben just dieses Frühjahr für Beruhigung in der gesamten Welt der Deutschen Versicherung gesorgt. Was die Herren in ihren roten Roben in etwa erklärten: Die VERSICHERER rechnen richtig! Kein Kunde muss die Berechnungen der VERSICHERER überprüfen, denn die VERSICHERER rechnen korrekt!

Ein Jubel brandete durch die Welt der Verbraucher und Verbraucherschützer! Endlich klare Gewissheit! Wir müssen (und dürfen) nicht mehr zweifeln! Die Unfehlbarkeit der Berechnungen der Lebensversicherer! Wer hätte das gedacht? Aber dennoch gibt es noch Zweifler, notorische Schwarzseher, die den Jubel dämpfen wollen...

Vergleicht man die Proklamation der Unfehlbarkeit der VERSICHERER etwa mit der des Papstes, dann gibt es spannende Parallelen: Als das 1. Vatikanische Konzil dem Oberhaupt der katholischen Kirche die Unfehlbarkeit zuschrieb, ging es der katholischen Kirche nicht gut. Viele Gläubige hinterfragten die Religion sehr ernst. Manche Historiker sehen in dem Unfehlbarkeits-Dogma gar eine verzweifelte Antwort der Klerikalen auf die damals stark wachsende sozialistische und kommunistische Bewegung oder auch als einen Gegenakzent im Kulturkampf. Die Unfehlbarkeit des Papstes ist ja kein Relikt aus dem finsteren Mittelalter, sondern ist noch keine 150 Jahre alt.

Die Glaubensfrage

Ist die Unfehlbarkeit der VERSICHERUNG nun ähnlich eine Antwort auf die wachsende Skepsis der Verbraucher gegenüber den Versicherungen? Ist die vermeintliche Unfehlbarkeit der letzte Versuch, die VERSICHERUNG der Kritik zu entziehen? … Und so muss sich jetzt jeder die Glaubensfrage stellen, ob er (oder sie) an die VERSICHERUNG glaubt. Andernfalls muss man sich selbst mutig der Frage stellen, ob eine Welt ohne VERSICHERUNG denkbar ist, ob Altersvorsorge ohne VERSICHERUNG überhaupt funktioniert…

PS: Und so kam es, dass nun dann doch sogar das Bundesverfassungsgericht angerufen wurde, um sich mit der Frage dieser Unfehlbarkeit zu beschäftigen. Ob die Herren und Damen in den anderen roten Roben hier mit größerer Weisheit sprechen werden, das ist noch unklar. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt….


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