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Kleinleins Klartext

Die Versicherten - moralisch riskant

Die Versicherten - moralisch riskant

 10.08.2016  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Angst ist für Versicherungsunternehmen ganz zentral. Sie fürchten die Kunden. Genauer: Sie haben Angst vor der moralischen Verwerflichkeit der eigenen Klientel. Schweißgebadet erwachen die Versicherungsmanager aus Albträumen, in denen gierige Versicherte nach dem Geld der Unternehmen greifen. Diese Angst hat einen Namen: „MORAL HAZARD“.

Dieses „Moral Hazard“ führt nach Ansicht der Versicherer dazu, dass die Kunden ganz gezielt versuchen, sich „zu gut“ zu versichern, daraus einen Vorteil ziehen und das Versicherungsunternehmen übervorteilen. Ein Beispiel: Der Kunde, Herr K., schließt eine Krankentagegeldversicherung ab. Er ist selbständig und behauptet ganz dreist, besonders gut zu verdienen. Er sichert deshalb ein Krankentagegeld von 200 Euro pro Tag bei der Pfefferminzia-Versicherung ab. Herr K. fühlt sich seitdem gut abgesichert, die Pfefferminzia kassiert gut und alles ist eigentlich in Ordnung.

Aber was wäre, wenn Herr K. eigentlich gar nicht so gut verdient? Oder seine Einkünfte gehen zurück? Oder er ist nicht mehr so fleißig wie früher? Dann könnte es sein, dass er über die Krankentagegeldversicherung mehr Geld bekommen würde, als er verdienen würde, wenn er regulär arbeitete. Herr K. kommt also in die Versuchung, dass er so tut, als wäre er krank, um die Versicherung zu schröpfen. Anders gesagt: Er kommt in die Versuchung das Versicherungsunternehmen zu belügen, einen falschen Gesundheitszustand vorzutäuschen, einen Arzt zu einer Falschdiagnose zu bewegen und zu betrügen.

Diese Versuchung nennen die Versicherungsexperten „Moral Hazard“. Und wie der Begriff schon suggeriert, unterstellen die Experten, dass der Versicherte dieser Versuchung nur schwer widerstehen kann.

Wer Moral Hazard als ernste Gefahr begreift, hat ein sehr schräges Bild von den Versicherten: Versicherungskunden seien eben gierige Wesen, die nichts anderes im Sinn haben, als die Versicherung zu schröpfen und der Assekuranz zu schaden. Das Strafgesetzbuch wäre unzureichend angesichts der Perfidität mit der sich die Kunden Leistungen erschleichen wollen.

Schutzlos dem gierigen Kunden ausgeliefert

Jeder Kunde ist demnach ein potentieller Krimineller, der lügt, betrügt und täuscht - „Moral Hazard“ könne sich eben kein Versicherter entziehen. Unsere Justiz ist zu schwach, um diesen Kriminellen das Handwerk zu legen. Fazit: Die Versicherungswirtschaft ist schutzlos den gierigen Kunden ausgeliefert.

So kompliziert und wirr diese Angst-Gedanken auch sind, so einfach und schlicht ist die Lösung der Versicherer. Es wird einfach die Leistung gekürzt. Auch wenn 200 Euro vertraglich versichert waren, gibt es dann eben nur 100 Euro. Begründet wird das damit, dass der Kunde in der letzten Zeit ja deutlich weniger verdient hat. Da ist es egal, dass die Pfefferminzia-Versicherung genau so viel kassiert hat wie vertraglich vereinbart. Nur die Leistung ist eben geringer als sie im Vertrag stand.

Unterm Strich zahlt also der Kunde die volle Prämie für eine Leistung, die er nicht bekommt. Begründet wird das durch diese Paranoia namens „Moral Hazard“. Ist das gerecht? Ist das in Ordnung? Nach Ansicht der Karlsruher Richter am BGH im speziellen Fall der Krankentagegeldversicherung nicht, da der Versicherer die Leistungskürzung nicht „transparent“ genug erklärte.

Wie man einem Kunden aber „transparent“ erklären will, dass er bei gleicher Prämie auf vertragliche Leistung verzichten soll, das kann ich mir nicht vorstellen. Das ginge eigentlich nur, wenn der Kunde gleichermaßen das Recht hätte, dass er die Prämie kürzt, wenn er mal etwas schlechter verdient. Und dann hätten die Versicherer auf einmal Angst, dass der Kunde das geringe Einkommen nur vortäuscht… 


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