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Kleinleins Klartext

Ein Plädoyer für besseren Umgang mit Statistiken und Zahlen

Ein Plädoyer für besseren Umgang mit Statistiken und Zahlen

 19.08.2015  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Ich ärgere mich dieser Tage mal wieder über den Lobbyverband der Versicherer, über den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, den GDV. Der hat mal wieder Zahlen in die Welt gesetzt, um damit zu begründen, dass die private Rente doch ganz großartig sei und die Verrentung ganz klasse funktionieren würde. 

Rechentricks

Der GDV setzt der „immerwährenden Rente“ (also den Zinsen eines Kapitals) einen Auszahlplan und eben private Renten gegenüber. Wen wundert es da, dass die Rente richtig toll abschneidet. Was mich nicht gewundert hat: Der GDV arbeitet mit Rechentricks, um die Zahlen zu beschönigen. Richtig falsch ist das nicht, aber die Zahlen halten keinem Check in der Wirklichkeit stand.

Was mich daran ärgert, ist zweierlei: Zum einen natürlich, dass hier ein falsches Bild von der Stärke der privaten Rente gezeichnet wird. Zum anderen aber auch, dass für den GDV Berechnungen und Statistiken etwas sind, was man nach Herzenslust modifizieren und beugen darf. Zahlen sind ja geduldig. Und dann wäre es wohl nicht so schlimm, wenn man sie missbraucht, oder?

Traue keinem Zitat...

Jetzt höre ich schon die Heerscharen der Statistikächter, die mir das vermeintliche Churchill-Zitat um die Ohren hauen wollen: „Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe…“.

Mit diesem Zitat sollen ja zweierlei Dinge suggeriert werden: Zum einen solle man Statistiken nicht so ernst nehmen, denn die kann man sowieso ganz leicht fälschen. Zum zweiten befindet man sich mit Winston Churchill in recht guter Gesellschaft, wenn man sich nicht so gerne mit Zahlen beschäftigen mag. Dabei ist dieses Zitat eine bodenlose Unverschämtheit, denn es unterstellt, dass ein Staatsmann wie Churchill selbst in Betracht gezogen hätte, eine Statistik zu fälschen.

Ich habe mich dann auf die Suche gemacht, in welchem Zusammenhang denn Churchill seine Missachtung für Statistiken zum Ausdruck gebracht haben soll. Glücklicherweise bin ich nicht der erste, der sich diese Frage gestellt hat. Ein ehemaliger Referent der Grundsatzabteilung des statistischen Landesamtes Baden-Württemberg hat sich diese Frage auch gestellt und als Pensionär geforscht. Ein Ergebnis hat er im Statistischen Monatsheft Baden-Württemberg im November 2011 veröffentlicht. 

Das wichtigste Ergebnis: Churchill hat den vielzitierten Satz wohl nie gesagt. Und seine spannende These dazu: Es ist anzunehmen, dass im Rahmen der Nazi-Propaganda Churchill das Zitat fälschlich und bösartig in den Mund gelegt wurde. Das würde bedeuten, dass jedes Mal, wenn sich jemand auf dieses vermeintliche Churchill-Zitat stützen will, um Missbilligung gegen Statistiken auszudrücken, er sich der alten Nazi-Propaganda bedienen würde.

Churchill schätzte saubere Statistiken

Durch die Forschung von Herrn Barke wird aber auch klar, dass Churchill saubere Statistiken sehr schätzte. Und wenn es darum geht, saubere Anwendungen von Statistiken zu suchen, dann sind Aktuare, die Versicherungsmathematiker nicht weit. Neben aller Kritik, die ich gerne übe, sehe ich doch den Berufsstand der Aktuare als einen der wenigen an, der Zahlen und Statistiken wirklich wertschätzt und nicht missbraucht sehen will.

Und hier stellt sich dann die Frage, wie die aktuellen Berechnungen des GDV zu bewerten sind. Um die Rentenhöhen des Produktvergleichs mit dem Auszahlplan und der „ewigen Rente“ zu vergleichen, zieht der GDV recht eigentümliche versicherungsmathematische Berechnungsgrundlagen heran:

Und der GdV?

Zum einen tut der Lobbyverband so, als könne man Kosten per se ausblenden. Es wird also so getan, als würden keinerlei Kosten anfallen. Das schönt die errechnete Rente schon ein wenig, hat aber mit Realität nichts zu tun.

Zum anderen tut der GDV so, als würden die Versicherer letztlich keine Risikozuschläge auf die Langlebigkeit ansetzen. Was die Lobbyisten damit unterstellen: Die Versicherungsunternehmen würden stets alle Risikogewinne in vollem Umfang ohne auch nur eine Sekunde Zeitverzug zuweisen. Sogar mit Zugriff auf Risikogewinne der Zukunft der jeweiligen Rentnergeneration! Erscheint auch Ihnen das als Unfug? In der Wirklichkeit schaut das anders aus.

Und schließlich geht die Berechnung von jährlich nachschüssigen Renten aus. Damit wird die Rentenhöhe nochmals künstlich nach oben gerechnet. Mit Realitätsnähe hat das nichts zu tun. Oder kennen Sie z.B. einen Vermieter der es in Ordnung findet, wenn man erst am 31. Dezember rückwirkend alle Mieten seit Januar bezahlt? Ich wäre längst aus meiner Wohnung geflogen.

Mit solchen Rechentricks kann der GDV zwar sein Ziel illustrieren, auf Biegen und Brechen die private Rente als Erfolgsmodell darzustellen. Was er aber mit den Rechentricks und –kniffen verliert: Glaubwürdigkeit. Zusätzlich trägt er dazu bei, dass Statistik und Rechnen zunehmend in Misskredit geraten und als reines Werkzeug der politischen Argumentation missbraucht werden.

PS: Auch der Verbraucherschutz hat in der Vergangenheit zwar selten, aber vermutlich doch manchmal derartige Kniffe verwendet. Soweit ich das beeinflussen kann, gelobe ich aber Besserung.


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