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Kleinleins Klartext

Es ist nicht alles Pfusch, was die letzte Regierung gemacht hat…

Es ist nicht alles Pfusch, was die letzte Regierung gemacht hat…

 13.06.2018  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

… aber manches eben schon. Da freut man sich, wenn dann – besser spät als nie – das schlecht Gemachte dann doch noch verbessert werden soll. Wovon ich rede? Natürlich von einem meiner meistkritisierten Gesetze der letzten Legislaturperiode. Ich rede vom Lebensversicherungsreformgesetz – unter Fachleuten auch zärtlich LVRG genannt.

Wir erinnern uns

Es ist wohl wirklich ein Zufall und keine böse Absicht, dass es just in dem Moment wieder um genau dieses Gesetz geht, wenn die Fußball–WM beginnt. Wir erinnern uns: Vor vier Jahren wurde das Gesetz genau dann im Bundestag in Ausschüssen, Lesungen und in der Sachverständigenanhörung diskutiert, als die Fußballelf sich in den Spielen der WM bewährte. Im Windschatten der Fußballbegeisterung ging es den Verbraucher*innen vor vier Jahren an den Kragen, oder eben an den Geldbeutel.

Was schon damals klar war: Es soll auf jeden Fall ein paar Jahre später evaluiert werden, ob das Gesetz denn funktioniert. Und heute ist es nun an der Zeit, dass genau diese Evaluierung stattfindet. Eine der Oppositionsparteien ist auch schon ungeduldig, die FDP hat nachgefragt, wie es um die Evaluierung steht.

Jetzt kommt Bewegung in die Sache

Und jetzt kommt Bewegung in die Sache. Morgen, am 14. Juni beginnt die Fußball-WM und auf einmal zirkuliert im politischen Berlin ein Diskussionspapier aus Regierungskreisen zur „Evaluierung des Lebensversicherungsreformgesetzes“, dass sich just mit Änderungen und neuen Entwicklungen rund um das LVRG beschäftigt. Natürlich heißt es in dem Evaluationspapier, das sich das ursprüngliche Gesetz „überwiegend bewährt“ hätte. Aber eben nur „überwiegend“. Für die Autor*innen heißt das zumindest, dass wohl jemand ein bisschen gepfuscht hat.

Ganz zentral in der Evaluierung: Für die Stabilisierung der Lebensversicherer müssten jetzt Maßnahmen ergriffen werden, die dafür sorgen, dass bestimmte Puffer nicht mehr ganz so stark mit sehr viel Geld gefüllt werden müssten. Es geht dabei um die Zinszusatzreserven, die nach den aktuellen Regeln immer größer werden und den Versicherungsunternehmen die Luft abschnüren. Schon seit langem plädieren auch wir vom Bund der Versicherten e. V. dafür, dass man hier eine Entlastung für die Unternehmen braucht. Schön, dass die Autor*innen des Evaluationspapiers unserer Überzeugung folgen.

Ähnlich bei der Frage der Abschlusskosten und Provisionen in der Lebensversicherung: Jetzt ist die Rede, dass ein Provisionsdeckel eingezogen werden sollte. Klar, vor vier Jahren haben die Parlamentarier*innen versucht durch andere Regeln einen ähnlichen Effekt zu erzwingen – damals noch durch eine Senkung des Zillmersatzes. Dass das aber nicht klappt, haben wir im Verbraucherschutz schon damals erklärt.

Die Branche aber bewegt sich nicht von allein

Die Politiker*innen haben uns damals nicht geglaubt, und haben darauf vertraut, dass die Branche wohl freiwillig mit vernünftigen Abschlusskosten und Provisionen arbeiten würde. Denn ansonsten würde ja ein Provisionsdeckel drohen! Die Branche bewegt sich aber eben nicht von allein, sondern muss immer durch harte Regulierung gezwungen werden, die Verbraucher*innen angemessen fair zu behandeln. Konsequenterweise ist jetzt ein Provisionsdeckel in der Diskussion.

Aber auf einen Punkt des LVRG, der die Verbraucher*innen Milliarden kostet, geht die Evaluierung mit keinem Wort ein: auf eine massive Kürzung der Überschussbeteiligung! Genauer, auf die Kürzung der Beteiligung an den Bewertungsreserven. Auch wenn Zig-Millionen Verträge betroffen sind, ist das den Autor*innen der Evaluation nicht einen Satz wert. Dabei geht es um die Kapitallebensversicherungen, privaten Rentenversicherungen, Riester-Renten, Rürup-Renten und um sehr viele Direktversicherungen in der betrieblichen Altersvorsorge – denn bei fast allen diesen Verträgen haben die Versicherungsunternehmen seit der letzten Fußball-WM wegen des LVRG die Überschussbeteiligung deutlich gekürzt.

Heute wird der BGH entscheiden

Gut, dass wir vom Bund der Versicherten e. V. diesen Sachverhalt gerichtlich prüfen lassen. Genau heute, am 13. Juni 2018 darf der Bundesgerichtshof entscheiden, ob die Kürzung dieser Überschussbeteiligung OK war oder nicht. Vermutlich wird er sagen, dass das in Ordnung war, denn es steht ja so im LVRG. Aber so wird uns als Verbraucherschutzverband der Weg eröffnet, dass am Schluss dann endlich das Verfassungsgericht über dieses Gesetz befinden kann. Und das ist unser Ziel. Denn wir sind der Überzeugung, dass die Kürzung dieser Überschussbeteiligung nicht mit der Verfassung vereinbar ist.

PS: Wie es schon in der Überschrift heißt, war das Gesetz nicht per se ausschließlich Pfusch. Es war richtig, ins Gesetz zu schreiben, dass die Unternehmen von den sogenannten Risikogewinnen seit dem LVRG nur noch zehn Prozent einbehalten dürfen und nicht mehr ein ganzes Viertel. Das war richtig! Aber dieser Aspekt findet in dem Evaluationspapier keine Berücksichtigung. Schade. Denn wenn der Gesetzgeber mal was richtig macht, dann darf man das auch würdigen. Und das will ich hiermit ausdrücklich tun!

PPS: Die Evaluation ist noch nicht veröffentlicht – allerdings ist ihr Inhalt den Presse- und Branchenvertretern bereits bekannt. Es ist gleichermaßen irritierend wie bezeichnend, dass den Parlamentariern – auch den Mitgliedern des zuständigen Finanzausschusses – dieses Papier noch nicht vorliegt. Der Pfusch äußert sich also auch darin, dass der Grundsatz der Transparenz auch im Jahr 2018 noch nicht bei der großkoalitionären Bundesregierung angekommen ist. Aber das nur am Rande bemerkt.


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