Menu
Kleinleins Klartext

Es kommt nicht nur auf Zahlen an

Es kommt nicht nur auf Zahlen an

 09.01.2019  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Vorgestern wurde ich gefragt, ob ich als Verbraucherschützer denn nicht sehr glücklich sein müsste, dass die deutschen Lebensversicherer so hohe Solvenzquoten haben. Schließlich wäre damit doch dann alles in Ordnung und alles wäre sicher. Wie Sie sich vorstellen können, kann ich einen solchen Optimismus nicht teilen. Warum?

Wenn Sie zum Arzt gehen und der Ihnen Blut abnimmt und ins Labor schickt und zusätzlich den Blutdruck misst, dann kann er schon eine ganze Menge über Ihren Gesundheitszustand erfahren. Er kann deshalb aber noch lange nicht sagen, ob es Ihnen „gut“ geht. Ob Sie gut schlafen, ob die Verdauung so funktioniert, wie sie es soll, oder ob Sie Rückenschmerzen haben - das kann er aus den Blutwerten nicht ablesen.

Solvency II alleine reicht nicht

Genauso ist es erst einmal ja so, dass die Solvenzquoten nur einen bestimmten Aspekt des Lebensversicherungsgeschäfts beschreiben. Es ist eben die spezielle Sichtweise nach Solvency II in Bezug auf die Ausstattung mit Risikokapital. Als Besonderheit geht es hier zum Beispiel eher um eine „Zeitwertbetrachtung“ der Kapitalanlagen. Das ist übrigens anders, als bei der Sichtweise nach Handelsgesetzbuch, nach HGB, dort gilt das gemilderte Niederstwertprinzip. In jedem Fall müssen die Versicherungsunternehmen genügend Mittel vorweisen, um beiden Sichtweisen gerecht zu werden. Solvency II alleine reicht nicht, auch nach HGB muss das mit der Bilanz klappen.

Wenn ein Versicherer nun genügend Mittel hat, um nach beiden Regeln das Geschäft betreiben zu dürfen, so ist aber noch immer nicht gewährleistet, dass er sich gut um seine Versicherten kümmert. Im Gegenteil können besonders hohe Solvenzquoten sogar darauf hinweisen, dass er sich eben sehr schlecht um seine Versicherten kümmert. Kundenunfreundliches Verhalten fördert nämlich zuweilen die Solvenzquoten.

Wer seine Versicherten knapp hält, wird belohnt

Wenn sich das Versicherungsmanagement zum Beispiel bei einer Lebensversicherung darauf festgelegt hat, besonders wenig an Überschüssen auszuschütten, dann verbessert sich die Solvenzquote! Denn die für die Überschussbeteiligung vorgesehenen Gelder, die erstmal nicht ausgezahlt werden (die sogenannte freie RfB), treiben nämlich die „Eigenmittel“ nach oben, die wiederum zentral für die Solvabilität sind. Wer seine Versicherten knapp hält, wird also sogar belohnt. Und ist das Unternehmen eine Aktiengesellschaft, dann haben die eben wegen dieses kundenunfreundlichen Verhaltens sogar mehr Spielräume für besonders hohe Dividendenausschüttungen.

Deswegen kann ich als Verbraucherschützer nicht sagen, dass mit einer hohen Solvenzquote alles in Ordnung sei. Es kommt eben darauf an, dass sich das Versicherungsunternehmen auch fair gegenüber den Kundinnen und Kunden verhält. Damit das erfolgt, muss der Versicherer notwendigerweise erst einmal ein gutes oder zumindest akzeptables Marktverhalten an den Tag legen.

Das Marktverhalten der Versicherer im Fokus der Aufsicht

Und hier kommen auf einmal die Aufsichtsbehörden mit ins Spiel. Eigentlich ist die BaFin ja ein Ort, an dem besonders dem Studium der Unternehmenskennzahlen gefrönt wird. Umso besser, dass sich die Aufseherinnen und Aufseher in Bonn jetzt verstärkt auch dem „Marktverhalten“ der Versicherer widmen wollen, so zumindest der Tenor einer jüngsten Veröffentlichung.

Auch die europäische Aufsicht, die EIOPA, sieht im Marktverhalten ein wichtiges Feld, das es zu beaufsichtigen gilt. Unter dem Stichwort „conduct of business supervision“ hat sie sich erst letztes Jahr ausführlich dazu geäußert. Eine rein auf Zahlen basierte Kontrolle der Branche ist also glücklicherweise nicht das Ziel der Aufseherinnen und Aufseher. Ich hege sogar eine kleine Hoffnung, dass das Marktverhalten in der Arbeit von BaFin und EIOPA zukünftig ein wenig mehr Raum einnehmen wird. Und das ist gut so, denn Zahlen allein sagen nicht viel.

PS: Übrigens, auch wenn in Sachen Solvenz und Marktverhalten alles in Ordnung ist, ändert das nichts daran, dass die kapitalbildenden Tarife der Versicherer meist ungeeignet sind. Merke: Die Lebensversicherung zur Altersversorgung ist ein legaler Betrug!

 

PPS: Und morgen gibt's des Weihnachtsrätsels Lösung.


Eigenen Kommentar abgeben
Name (Sie dürfen auch ein Pseudonym angeben)
E-Mail* (wird nicht veröffentlicht)
Ihr Kommentar*
 

Mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.

Mit Absenden eines Kommentars erklären Sie sich mit den rechtlichen Hinweisen und den Kommentarrichtlinien einverstanden.