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Kleinleins Klartext

Exzesse! Exzesse! Exzesse!

Exzesse! Exzesse! Exzesse!

 18.09.2019  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Man kann auch heute noch behaupten, dass die Erde eine Scheibe sei. Und man müsste dann darüber diskutieren, ob die Scheibe eher rund oder viereckig ist. Und man kann dann behaupten, dass das alles Fake-News ist, was Astronauten erzählen, die die Erde von außen gesehen haben, und dass die Erde eine Kugel sei. 

Kann man behaupten. Kann man machen.

Man kann auch heute noch behaupten, dass man sich nicht mit dem Interessenkonflikt auseinandersetzen muss, der durch Provisionierung entsteht. Man kann noch immer so tun, als würde die Höhe einer Provision keinen Einfluss auf die Empfehlungen der Vermittler haben.

Kann man behaupten. Kann man machen.

Zugegeben, ob die Erde eine Kugel ist, das kann ich nicht so einfach beweisen. Aber dass man sich mit dem Interessenkonflikt auseinandersetzen muss, das habe ich schwarz auf weiß. Denn das steht in der IDD (der Versicherungsvermittlungsrichtlinie). Diese Richtlinie gilt auch für uns. Und da wird ganz klar gefordert, dass Vermittler und Versicherer Interessenkonflikte „erkennen“, „regeln“ und „offenlegen“ müssen. Deshalb müssen wir uns mit ihm beschäftigen und – auch das ist vorgeschrieben – gewährleisten, dass „keine Beeinträchtigung der Kundeninteressen riskiert wird“. Egal, ob das gefällt oder nicht.

Wollen das alle akzeptieren? Nein.

Über den Provisionsdeckel fetzen

Das habe ich letzte Woche mal wieder erlebt, als die Standard Life zur Bundespressekonferenz eingeladen hat, damit sich dort Expertinnen und Experten vor ausgewählten Versicherungsvermittlern und der Presse über den Provisionsdeckel fetzen konnten. Was sich wieder mal gezeigt hat: Auch heute noch wird in solchen Diskussionen allen Ernstes bestritten, dass man sich mit dem Interessenkonflikt auseinandersetzen muss, der sich aus der Provisionierung ergibt. Klar, man kann einfach so tun, als gäbe es keine Richtlinien und Gesetze und man kann so tun, als wäre genau dort nicht die Rede von dem Interessenkonflikt. Aber mal ganz im Ernst: In der Vermittlerrichtlinie steht da so einiges an Hausaufgaben rund um den Interessenkonflikt drin. Durch Wegleugnen bekommt man dies aber eben nicht in den Griff.

Und macht man die Augen auf, wird man schnell feststellen, dass es da ernsthafte Probleme gibt. Erst gestern hat ein Finanzjournalist, dem ich per Twitter folge, ein paar Beispiele von Tarifen gebracht, bei denen die Abschluss- und Vertriebskosten deutlich über den eigentlich maximal avisierten 4 Prozent der Beitragssumme liegen. Alles belegt mit Beispielen von Produktinformationsblättern (PIBs).

Ich habe keinerlei Veranlassung, daran zu zweifeln, dass diese Beispiele echt sind. Im Gegenteil haben wir auch schon derartige PIBs gesehen – auch Riester-Tarife mit Abschluss- und Vertriebskosten in Höhe von 160 Promille der vereinbarten Prämiensumme gibt es am Markt. Man könnte sich jetzt auf den Standpunkt stellen, dass hier besondere Einzelfälle betrachtet würden (was ich nicht glaube). Oder, dass diese Muster-PIBs auf den Webpages der Unternehmen nicht so ernst zu nehmen seien (was ich auch nicht nachvollziehen kann).

Beweis für exzessive Provisionen?

Auf jeden Fall sieht man, dass die Position der Abschluss- und Vertriebskosten exzessiv hoch ist. Und jetzt kommt die spannende Frage: Ist das ein Beleg für Exzesse bei den Provisionen? Ist das ein Beweis für exzessive Vergütungszahlungen an die Vermittler?

Und da muss ich als Versicherungsmathematiker klar sagen: Nein. Das ist kein Beweis für exzessive Provisionen.
Das, was die Produktinformationsblätter zeigen, sind enorme Abschluss- und Vertriebskosten, die die Kundinnen und Kunden mit ihren Prämien zahlen müssen. Ob die dann aber als Provisionen an die Vermittler gehen, das ist eine andere Frage. Es ist seit Jahrzehnten üblich, dass Versicherer im Direktgeschäft, also ohne Vermittler, ihre Tarife verkaufen. Trotzdem kassieren die Unternehmen dann erhebliche Abschlusskosten ein. Das sind dann auch Exzesse, Abschlusskostenexzesse – aber keine Provisionsexzesse.

Exzesse gibt es in jedem Fall

Und so könnte es jetzt auch sein. Dass die Versicherungsunternehmen hohe Abschlusskosten einkassieren und die dann selber einstecken und noch nicht mal die eigenen Vermittler damit beglücken. Dann sollten wir nicht von Provisionsexzessen reden, sondern von Abschlusskostenexzessen. Exzesse gibt es aber in jedem Fall. Und dafür zahlen müssen die Versicherten.
Ohne Kostendeckel werden wir das Problem also wohl nicht lösen können. Wer durch Verleugnen sich dem Konflikt entziehen will, dem wird dann mittelfristig ein Deckel bis hin zu einem Provisionsverbot vorgesetzt. Dem geht es dann so, wie demjenigen, der mit Verblüffung merkt, dass die Erde wohl doch eine Kugel ist.

PS: Im Nachgang zu der Podiumsdiskussion hat mich dann einer der anwesenden Makler bei einem Bier gefragt, ob ich der Meinung sei, dass das Problem eher bei den Unternehmen oder bei den Vermittlern läge. Da musste ich dann klar sagen: Es sind die Unternehmen, die am meisten für die Exzesse verantwortlich sind. Und der Makler? Hat mir zugestimmt und zugeprostet.


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