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Kleinleins Klartext

Gefolgt und dann verunsichert – Ihre Deutschen Versicherer!

Gefolgt und dann verunsichert – Ihre Deutschen Versicherer!

 03.02.2016  Kleinleins Klartext  2 Kommentare  Axel Kleinlein

Ich bin beim Lobbyverband der deutschen Versicherer recht folgsam. Seit ich meinen Twitter-Account habe, bin ich ein Follower vom „Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft“. Und manchmal ist es recht erschreckend und verunsichernd, was ich dort erfahren darf: Die Deutschen schätzen ihre Lebenserwartung um 7 Jahre zu niedrig ein!

Die Folgen sind dann natürlich katastrophal. Denn wer für sieben Jahre zu wenig plant, der hat dann im Alter womöglich für genau diese sieben Jahre zu wenig Geld. Ein Glück, dass dann die Lebensversicherungsunternehmen so richtig faire Annahmen treffen. Tun sie doch, oder?

Bei den Verträgen, die die Verbraucher so abschließen, ist nicht wirklich ersichtlich, wie die Versicherer kalkulieren. Das ist ziemlich intransparent. Selbst als Versicherungsmathematiker kann man das nicht so richtig erkennen. Wenn man Glück hat, findet sich im Kleingedruckten oder Geschäftsbericht ein Hinweis auf die sogenannte Sterbetafel. Üblich ist etwa die „DAV04R-Aggregat“ von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV). Damit kann natürlich auch nur ein Versicherungsmathematiker etwas anfangen. Aber das bin ich ja!

Der Effekt von überhöhten Lebenserwartungen

Kämpfe ich mich durch die vielen Berechnungen, dann komme ich zu einer klaren Faustregel: Mindestens 10 Jahre zu hoch, ist die von den Versicherern angenommene Lebenserwartung. Manchmal sogar 20 Jahre! Da sind die Bürger mit einem Schätzfehler von nur 7 Jahren ja sogar noch recht klug.

Der Effekt von überhöhten Lebenserwartungen bei der Kalkulation von Renten ist bitter. Denn wenn der Versicherer davon ausgeht, dass der Kunde 20 Jahre länger lebt, dann wird das Kapital zu Rentenbeginn auf einen viel längeren Zeitraum verteilt. Und damit sinkt die Rente. Je höher also die unterstellte Lebenserwartung ist, desto unsinniger ist so ein Rentenvertrag als Altersvorsorge.

„Herr Kleinlein, das sind ja wieder Nebelkerzen“, höre ich schon einen Kollegen aus dem GDV schimpfen (das mit den Nebelkerzen twittert er auch gerne). „Die Versicherer müssen doch Sicherheitszuschläge einkalkulieren.“ Und hat er Recht mit diesem Einwand? Ja!

Denn die Aufsichtsbehörde verlangt derartige Sicherheitszuschläge. Wer nicht mit den 10 Jahren extra kalkuliert, der muss das sehr gut gegenüber den Aufsichtsbeamten begründen können. Für die 10 Jahre überzogene Lebenserwartung ist also die BaFin verantwortlich. Dass manche Unternehmen aber sogar 20 Jahre länger ansetzen, dass ist deren Unternehmenspolitik. Also der Wunsch der Manager dieser Unternehmen, die Kunden bei den Renten möglichst kurz zu halten.

So mancher Riester-, Rürup- oder Privatrentenkunde wird sich jetzt denken, dass er am besten genau solch einen Vertrag abschließen sollte, bei dem nur die 10 Jahre angesetzt werden. Der Gedanke ist sehr finanzrational und klug. Solch ein Kriterium in die Auswahl des Vertrags einzubeziehen, das ist pfiffig. Das ist so ähnlich, als würde man sagen, dass man bei der Wahl des Autos auch den Benzinverbrauch berücksichtigt. „Ich nehme lieber ein Auto, das weniger Benzin verbraucht“ und „Ich nehme lieber eine Rente, bei der mir keine absurd lange Lebenserwartung unterstellt wird“. Das ist kluges Verbraucherverhalten.

Transparenz bei Sterbetafeln

Aber leider dürfen sich die Verbraucher nicht so klug verhalten. Das verhindert die Versicherungswirtschaft. Denn der Kunde bekommt keine Information, welche Lebenserwartung ihm der Versicherer unterstellt. Selbst die Informationen in den Geschäftsberichten (dort sollten die Unternehmen eigentlich ausweisen nach welchen Sterbetafeln sie rechnen), lassen die Experten oft im Dunkeln stehen. Mit Informationen für die Kunden ist es nicht weit her. Transparenz nimmt die Branche nicht ernst.

Wir können dank unserer Mitglieder immer wieder Transparenzdefizite aufdecken und angreifen. Zuletzt waren wir ja vor dem BGH gegen die Allianz erfolgreich. Es wird Zeit, dass wir auch bei den Sterbetafeln einen Weg suchen, hier für Transparenz zu sorgen. Bis dahin kann man uns aber auch ganz einfach folgen – auf Twitter oder als Mitglied.

PS: Würden Sie ein Auto kaufen, bei dem ihnen der Benzinverbrauch verschwiegen wird? Warum kaufen Sie dann eine Rente bei einer Lebensversicherung?
PPS: Ceterum censeo occulta reserves esse recederem.

Der BdV bei Twitter: https://twitter.com/BdVeV Axel Kleinlein bei Twitterhttps://twitter.com/a_kleinlein 


Kommentare
Kommentar von H. A.  am  08.02.2016 15:06
Was? Hat der Gesetzgeber den Versicherungen nicht ermöglicht, gerade diese Überschussbeteiligungen zurückzufahren oder auszusetzen? Wer weiß, was diese wo und wie dafür bezahlt haben ...
Kommentar von Dr. Peter Schwark  am  03.02.2016 17:52
Herr Kleinlein, das sind ja wieder Nebelkerzen! Versicherer müssen ihre Kunden doch an den Überschüssen aus der Auflösung frei werdender Sicherheitsmargen beteiligen (90 % lt. Mindestzuführungsverordnung, MinZV).

Ein bisschen typisch für Sie ist, dass dieser zentrale Gesichtspunkt in Ihrem ganzen Text nicht einmal vorkommt. Dabei haben Sie doch erfolgreich für die 90 % gekämpft (früher waren es 75 %). Dieser gesetzliche Mechanismus sorgt tatsächlich dafür, dass die Leistungen aus einer Rentenversicherung automatisch fair kalkuliert sind, auch dann, wenn wegen der Unsicherheit über den medizinischen Fortschritt über die nächsten 60 und mehr Jahre zunächst Trendzuschläge bei der Abschätzung der Lebenserwartung eingerechnet werden müssen (wie Sie richtig schreiben, sind diese gesetzlich vorgeschrieben).

Probleme entstehen folglich nicht, wenn ein Versicherer zu vorsichtig kalkuliert. Probleme entstehen höchstens dann, wenn er zu unvorsichtig kalkuliert. Das war ja das Leitthema in Ihrem letzten Klartext.

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