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Kleinleins Klartext

Interessenskonflikt – Gewissenskonflikt

Interessenskonflikt – Gewissenskonflikt

 01.06.2016  Kleinleins Klartext  2 Kommentare  Axel Kleinlein

An einen schlechten und gierigen Vermittler:

Du hast einen Fehler gemacht. Und der führte dann bei vielen Kunden zu immer mehr Problemen. Du musst nicht darunter leiden, zugegeben. Es sind andere, die jetzt weniger Geld haben. Natürlich hast Du keine Schuld, dass deine Kunden die Verträge unterschrieben haben. Sie mussten das ja nicht. Es war deren freiwillige Entscheidung. Trotzdem hast Du manchmal ein schlechtes Gewissen.

Manche Kollegen haben das irgendwie anders gemacht. Die haben versucht, immer das Beste für den Kunden herauszusuchen und zu verkaufen. Das hast Du am Anfang auch versucht. Aber dann wurde auch für Dich die Versuchung immer größer, die höheren Provisionen zu bekommen. Und dann ging auch sofort die Rechnerei los, wie Du die Vorgaben am besten erfüllen kannst um die ganz besonderen „Auszeichnungen“ zu erhalten.

Vor etwa dreißig Jahren fing es an

Vor etwa dreißig Jahren fing es an. „Wer jetzt nicht das große Geld macht, ist selbst dran schuld“, hieß es. Die gesetzliche Rente sei am Ar… und die Leute wollen die Versicherungsverträge. Besonders die im Osten müssen ganz viel nachholen. Goldgräberstimmung! Und Du mittendrin!

Und es machte einfach mehr Spaß mit den höheren Provisionen. Ein bisschen mehr auf dem Konto, das fühlte sich gut an. Dann wurde es irgendwie selbstverständlich, immer mehr von diesen Verträgen zu verkaufen, die besonders gut „verprovisioniert“ wurden. Manchmal hast Du Dich gefragt, ob das wirklich so richtig ist, dich im Konflikt zwischen „guter Vertrag“ und „hohe Provision“ immer öfter nach der Provision zu richten.

Aber viele der Kunden hatten ja noch keine Verträge! „Besser mit einem mittelmäßigen Vertrag sparen, als gar nicht sparen“, hattest Du noch aus den Schulungen im Ohr. Und deshalb dachtest Du, dass Du sogar noch etwas Gutes für die Gesellschaft tust. Wer keine Lebensversicherung hat, der liegt ja sonst später der Allgemeinheit auf der Tasche – dachtest Du. Eigentlich haben ja auch alle so gedacht, beruhigst Du dich auch noch heute.

Später wurde es schwieriger

Später wurde es schwieriger die Verträge mit hohen Provisionen zu verkaufen. „Verbraucherschützer“ machten erste Tests. Und da waren meistens die Tarife oben, bei denen du weniger Provision bekommen hast.

2003 ging dann ein Lebensversicherer in die Knie. Und es gab immer wieder Probleme mit den Kunden. Wenn die ihre Verträge kündigten und nur einen miesen Rückkaufswert bekamen, dann war die Stimmung immer schlecht. Manchmal ist es Dir gelungen, dann sogar neue Verträge zu schreiben, und du hast das als „Umdeckung“ verkauft. „Du kommst genau im richtigen Moment, um den Vertrag zu kündigen, der ist wirklich etwas mies gelaufen, aber mit dem neuen Tarif wird das viel besser!“. Richtig gut hast Du dich dabei aber auch nicht gefühlt.

Die Probleme mit den Verträgen konntest auch Du langsam nicht mehr kaschieren. Aber die Versicherer hatten immer wieder neue Ausreden parat, damit Du Deine Kunden beruhigen konntest: Die niedrigen Zinsen, die Lehman-Pleite, die Griechenlandkrise, die Immobilienblase… Verstanden hast Du das nie so richtig. Und mittlerweile sehen die meisten, dass das nicht so richtig geklappt hat mit den Lebensversicherungen. Und manche Kunden sind wirklich sauer auf dich.

Das Grundproblem bist aber nicht Du

Das Grundproblem bist aber nicht Du. Das Grundproblem ist der fiese Interessenskonflikt in dem Du so oft stehst. Entweder gute Beratung bieten und gute Tarife verkaufen oder hohe Provisionen kassieren und Mist vertickern. Wegdiskutieren lässt sich der Interessenskonflikt aber nicht. Deine Kunden mussten mit Geld dafür bezahlen, Du zahlst heute mit einem schlechten Gewissen. Gewinner sind die Unternehmen.

PS: Ich hoffe, dass es genügend gute Vermittler gibt, die sich in dem Interessenskonflikt nicht korrumpieren lassen und anders handeln als der Vermittler, den ich hier angesprochen habe. Wenn Sie zu diesen Guten gehören, dann können Sie helfen, den Interessenskonflikt zu lösen. Denn gelöst werden muss er.


Kommentare
Kommentar von Raphael Strels  am  03.06.2016 10:29
Sehr geehrter Herr Kleinlein,

können wir mit diesem Märchen über Produkte mit hoher und Produkte mit niedriger Provision nicht mal endlich aufhören? Ich arbeite als Makler. Als Makler bewegen sich die Provisionen für eine Rentenversicherung zwischen 41-45 Promille. Glauben sie wirklich ich setze meinen guten Ruf aufs Spiel, nur um 4 Promille mehr Provision zu bekommen? Den Wahnsinn der hohen Provisionen finden sie überall im grauen Kapitalmarkt, wo auch gern mal 150 Promille gezahlt werden. Und die Bauernfänger sind längst dahin weitergezogen.

Darüber hinaus wird jeder Vermittler ausschließlich nach den Beiträgen des Kunden bezahlt. Es macht also - entgegen dem Denken vieler Verbraucher - überhaupt keinen finanziellen Unterschied ob ich nun den Anbieter mit hoher oder niedriger Ablaufleistung wähle, ob es klassische oder Fondsanlage ist, ob es ein BU-Kombiprodukt ist, etc., etc. Wir können gern gemeinsam diskutieren, ob und wie die Vergütung von Vermittlern sich ändern sollte. Nur reden wir dann doch lieber über Fakten und nicht über Märchen.
Kommentar von Wolfgang Wagemann  am  02.06.2016 12:45
Sehr geehrter Herr Kleinlein,

es gibt gelegentlich eine witzige Reklame im Radio. Sie steht unter dem Motto "Mit Radio erreichen Sie immer die Richtigen". Wenn Sie bei youtube in der Suche diese Wortkombination eingeben, finden Sie viele Beispiele, z.B. die Rentnerin. In allen Spots wird veralbert, dass man seine "Zielgruppe" im Radio am besten erreicht. Das ist witzig gemacht: Die Botschaften sind so klar an die falsche Zielgruppe adressiert, dass man lachen muss.

Ihr Artikel ist offenbar nach dem gleichen Schema gemacht: "Lieber Bösewicht, Du musst unter Deinen Schandtaten nicht leiden - das können ruhig Deine Kunden tun. Zwar gibt es auch gute Menschen, aber Du - mein Bösewicht - warst Opfer eines Bezahlungssystems. Dein Fehler war, dass Dir Dein "Gehalt" nie gereicht hat. Die heldenhaften Verbraucherschützer haben sich für Deine Opfer eingesetzt und deshalb musste Dein Verdienst schmaler werden. Umgekehrt halfen Dir die bösen Versicherer beim Abzocken Deiner Opfer. Und wir hoffen, dass Du einsiehst, dass die Wurzel des Übels das System ist - natürlich sollst Du leben, aber Deine Opfer auch. Und das haben die Guten schon verstanden - deshalb hoffe ich, dass Du - mein Bösewicht - Dich auch läutern läßt."

Glauben Sie wirklich, dass Sie die Richtigen erreicht haben? Vielleicht besser mit nachstehendem Versuch?

"Liebe schlechte Hosenverkäufer, immer wenn ich bei Ihnen eine Hose kaufe, ärgere ich mich darüber, dass Sie so eine große Händlermarge haben. Sie sind der einzige - neben dem Hersteller - der von meinem Kauf profitiert. Ich selbst habe nichts davon (außer der Hose natürlich). Es wäre daher nett, wenn Sie auf einen Teil Ihres Lohnes verzichten könnten - ich selbst habe bei meinem Arbeitgeber aus dem gleichen Grund auch noch nie nach einer Gehaltserhöhung gefragt - damit auch unsere Kunden in den Genuss billigerer Produkte kommen. Aber natürlich verstehe ich, dass Sie sich in einem Dilemma befinden. Ich frage mich daher, wie ein besseres System aussehen könnte: Wie wäre es zum Beispiel, wenn alle Kunden einfach nur für Ihre Beratung zahlen - mit Betreten eines Hosenladens zahlt jeder für die Beratung zum Beispiel 10 Euro. Das wäre doch viel besser: Sie würden dem Kunden nicht diejenige Hose andrehen, die Ihnen die höchste Beratungsvergütung bringt, sondern Sie würden neutral und objektiv beraten. Auch müssten Sie nicht immer um die Umkleidekabinen herumschwarwenzeln und so tun, als ob Sie beraten wollen - nein, Sie könnten sich mit Ihren Verkäuferkollegen zurückziehen, weil der Kunde zu Ihnen kommt - er will für seine 10 Euro ja bestimmt auch wirklich beraten werden."

Ja, Herr Kleinlein, aus diesem letzten Beispiel können wir lernen, dass man auch konstruktiv Alternativmodelle vorschlagen kann - und diese aber durchdenken sollte. Vielleicht wäre das ein spannenderes Thema - für Ihren nächsten Beitrag im Blog?

Viele Grüße
Wolfgang Wagemann

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