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Kleinleins Klartext

Juristen sind so klug!

Juristen sind so klug!

 13.01.2021  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Juristinnen und Juristen sind besonders klug. Das darf ich jeden Tag erleben. Gerade als Mathematiker und Verbraucherschützer im Bereich Versicherungen weiß ich, wovon ich dabei rede.

Gerne wird mir von Versicherungsvorständen, Versicherungsvermittlern und Versicherungslobbyistinnen und –lobbyisten unterstellt, ich würde mit Leidenschaft dafür kämpfen, dass mit immer neuen und umfänglicheren juristischen Pamphleten die Welt immer schwerer gemacht würde. Da wird dann so getan, als würde ich mich darüber freuen, dass Vertragsunterlagen mittlerweile einen Umfang angenommen haben, der nur noch von religiösen Grundlagenwerken oder mehrbändigen Fantasyromanen geschlagen werden kann.

Aber das stimmt nicht. Ich gehöre vielmehr mit zu den Leidtragenden, wenn es um zu ausschweifende juristische Pamphlete geht! Auch ich kämpfe mit Paragrafenreiterei, Klauselfetisch und Artikelklauberei. Auch ich schlage mich herum mit Anwältinnen und Anwälten, die mir die Welt erklären wollen.

Schwarz, Weiß und Grautöne

Juristinnen und Juristen neigen dazu, ihre Sichtweise als die alleinig gültige zu verstehen. Dabei geht es ihnen darum, dass sie am besten wissen, was am richtigsten ist. Denn aus deren Sicht gibt es nicht nur schwarz und weiß, falsch und richtig, sondern es gibt eben auch viele Grautöne. Und was nach deren Sicht entscheidend ist: Einzig mit zwei juristischen Staatsexamen wäre man befähigt, qualifizierte Aussagen zu treffen und das richtige Grau zu finden.

Juristenhybris und Besserwisserei der Mathematikerzunft

Schwierig wird das, wenn dann diese Juristenhybris mit der Besserwisserei der Mathematikerzunft zusammenprallt. Denn gerade für die, die rechnen, ist die Welt ja deutlich einfacher. Da gibt es entweder falsch oder richtig. Sonst nichts. Das ist simpler als das „es kommt drauf an“ der Juristerei.

Es gibt wenig Orte, wo sich diese beiden Disziplinen so nahekommen wie in der Versicherungswelt. Denn wenn sich Versicherungsmathematikerinnen und -mathematiker (also Aktuarinnen und Aktuare) neue komplizierte Versicherungsprodukte ausdenken, dann muss deren Funktionsweise ja auch für die Versicherungsbedingungen juristisch gefasst werden. Dann ist Schlimmes zu erwarten. Und diese Erwartung wird auch erfüllt!

Erklärwille der Rechtsgelehrten

Und noch schlimmer: Neben den hausinternen Juristinnen und Juristen, die den Versicherungsbedingungen den Stempel aufdrücken, treten noch mehr Paragrafenklauberer hinzu, die alles verkomplizieren. Zum einen gibt es Richterinnen und Richter, die über Versicherungssachverhalte urteilen und damit implizit weitere juristische Anforderungen stellen. Das findet schon mal Widerhall im Kleingedruckten. Und schließlich sorgen auch Verbraucheranwältinnen und -anwälte für weitere Verkomplizierungen, wenn sich ausnahmsweise einmal der Verbraucherschutz politisch durchsetzt – etwa wenn es um neue Transparenzanforderungen geht.

Kein Wunder, dass sich Versicherungsrechtlerinnen und Versicherungsrechtler oft bemüßigt fühlen, allen anderen die Versicherungswelt zu erklären. Das ist manchmal recht anstrengend und gerade als Aktuar braucht man da zuweilen ein sehr dickes Fell. Besonders wenn sich der Erklärwillen dieser Rechtsgelehrten nicht nur auf rechtliche Sachverhalte der Assekuranz erstreckt, sondern die juristische Sichtweise auf alle möglichen Lebensbereiche ausgedehnt wird.

Richtig, falsch, unentscheidbar

Als studierter Mathematiker und Philosoph muss ich dann regelmäßig Einspruch erheben. Denn es gibt neben richtig und falsch nämlich auch noch „unentscheidbar“. Vereinfacht sind das Aussagen, denen man ohne weitere Annahmen weder falsch noch richtig zuordnen kann. Das Richtig-Falsch-Schema funktioniert eben nicht überall. Und das Rechthaben-Schema der Juristinnen und Juristen dann eben auch nicht.

PS: Auch, wenn ich hier über deren Berufsstand schimpfe, schätze ich natürlich den Sachverstand und Intellekt von vielen Juristinnen und Juristen in meinem Umfeld. Sowohl von Kolleginnen und Kollegen als zum Beispiel auch von einem Professor, der für eine angesehene Kanzlei der Anbieterseite arbeitet.

PPS: Zu Fragen der (Un)Entscheidbarkeit, logischen Vollständigkeit etc. sei auf den Gödelschen Unvollständigkeitssatz verwiesen.


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