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Kleinleins Klartext

Legaler Betrug in der Lebensversicherung - diesmal Bewertungsreserven

Legaler Betrug in der Lebensversicherung - diesmal Bewertungsreserven

 27.06.2018  Kleinleins Klartext  1 Kommentar  Axel Kleinlein

Für Verluste zahlen Kund*innen voll, Gewinne gibt's zur Hälfte!

Da gibt es ein Casino, in dem wird mit Geld um Geld gespielt. Das, was Sie an Geld einsetzen, das zahlen Sie selbst. Wenn Sie verlieren, dann ist das Geld einfach futsch. Da gibt es niemanden, der einen Ausgleich zahlt. Wenn es für Sie aber gut geht und Sie gewinnen, dann können Sie den Gewinn nicht einfach für sich einstecken. Denn sobald Sie das tun wollen, klopft Ihnen von hinten jemand auf die Schulter und verlangt die Hälfte.

Fänden Sie das gerecht? Natürlich nicht! Sie wären empört! Und das auch zu Recht! Denn schließlich sollten Chance und Risiko bei einem Spiel gerecht verteilt sein – gerade, wenn es um Geld geht. Und erst Recht sollten Chance und Risiko gerecht verteilt sein, wenn es nicht nur um ein Spiel, sondern sogar um die Altersvorsorge geht. Und besonders, wenn man Lebensversicherungen sein Geld anvertraut, dann sollte es ja besonders gerecht zugehen. Oder?

Die Logik der Versicherer 

Die Logik der Versicherer ist aber anders. Die ticken nicht nach diesem Gerechtigkeitsbegriff. Besonders, wenn es um die Bewertungsreserven geht. Kurz zur Erinnerung: Hier geht es um einen bestimmten Teil der Überschussbeteiligung, an dem die Versicherten zu beteiligen sind, weil wir das vom Bund der Versicherten e. V. 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten haben. Bewertungsreserven auf die Kapitalanlagen gibt es nicht immer. Es gibt sie nur dann, wenn diese Kapitalanlagen einen Kursgewinn gemacht haben, seitdem sie gekauft wurden.

Ob es Bewertungsreserven gibt oder nicht, hängt also davon ab, wie gut die Kapitalanlagen laufen. Das hat dann so ein bisschen was von Roulette oder eben einem Spielcasino. Natürlich hoffen wir alle, dass die Kapitalanleger*innen in den Versicherungsunternehmen ein bisschen besser und geschickter ihre Anlageentscheidungen treffen, als nur nach dem Zufallsprinzip. Und wenn das richtig glücklich läuft, dann steigen die Werte der Kapitalanlagen. Und dann steigen auch die Bewertungsreserven.

Bitter für die Versicherten und glücklich für die Versicherungsunternehmen: Gibt es Bewertungsreserven, die ausgeschüttet werden sollen, dann bekommen die Kund*innen nur die Hälfte und die andere Hälfte geht an die Versicherungsunternehmen. Oder anders ausgedrückt: Von jedem Euro Bewertungsreserven bekommen die Kund*innen 50 Cent als Beteiligung an Bewertungsreserven als Überschussbeteiligung. Die anderen 50 Cent bekommt das Versicherungsunternehmen.

Der Unsicherheitsfaktor

Aber es bleibt immer ein Unsicherheitsfaktor. Auch Versicherer können Mist bauen, wenn es um die Kapitalanlagen geht. Und einige Versicherungsunternehmen haben großen Mist gebaut und haben es nicht geschafft, mit den Kapitalanlagen das zu erwirtschaften, was sie eigentlich sollten. Um das auszugleichen, sollen dann die Bewertungsreserven so stark runtergerechnet werden, bis es wieder passt. Das geht dann nach sehr komplizierten Regeln, mit denen die Aktuar*innen in den Versicherungsunternehmen einen sogenannten Sicherungsbedarf errechnen, um den dann die Bewertungsreserven runtergerechnet werden.

Bitter für die Versicherten und glücklich für die Versicherungsunternehmen: Müssen die Bewertungsreserven wegen eines Sicherungsbedarfs gekürzt werden, dann geht die Kürzung vollständig zu Lasten der Beteiligung der Kund*innen. Oder anders ausgedrückt: Führt der Sicherungsbedarf zu einer Kürzung der Beteiligung an Bewertungsreserven um einen Euro, so müssen die Versicherten vollständig auf einen Euro verzichten. Die Versicherungsunternehmen müssen aber auf nichts verzichten!

Gezinkte Karten

Und wieder mal zeigt sich also, dass die Versicherer mit gezinkten Karten spielen, wenn es ums Geld der Kund*innen geht: Gibt es etwas bei den Bewertungsreserven zu verteilen, dann halten die Unternehmen die Hände auf. Gilt es Verluste auszugleichen, dann sollen diese die Versicherten gefälligst alleine ausgleichen. Fair ist das nicht.

Wer an die Redlichkeit der Regelungen rund um die Überschussbeteiligung glaubt, der fühlt sich natürlich betrogen, wenn er dieses unfaire System begreift. Aber so richtig knallharter Betrug ist das nicht. Zur Ehrenrettung der Versicherer sei gesagt: Das ist alles legal! Der Gesetzgeber hat das so gewollt! Deswegen ist das mal wieder ein neuer Aspekt des legalen Betrugs.

PS: Gestern durfte der BGH darüber entscheiden, ob es in Ordnung ist, die Beteiligung an den Bewertungsreserven auf Grund eines derartigen Sicherungsbedarfs zu kürzen. Leider findet der BGH das in Ordnung. Aber es ist eben nicht Aufgabe des BGH, abschließend darüber zu entscheiden, ob das verfassungskonform ist. Deswegen wollen wir dann auch bald vor das Bundesverfassungsgericht mit diesem Fall. Denn wir sehen große verfassungsrechtliche Probleme. Unsere Sichtweise vereinfachend gesagt: Die Kürzung der Beteiligung an den Bewertungsreserven ist Enteignung.


Kommentare
Kommentar von ein "legal geschädigter" Vertragsnehmer  am  05.07.2018 08:55
Sehr geehrte Damen und Herren,
Alle hier getroffenen Urteile sind das Ergebnis guter Lobby-Arbeit. Jedoch regeln sie nur "Grundsätzliches".
Mir fehlen hier die Richtlinien (Modus Operandi) , mit welcher "Formel" incl, Laufzeitfaktoren die, zur Zeit noch unbegründeten Kürzungen, durch die Versicherer bereits seit 2014 vorgenommen werden?
Ich habe den Verdacht, dass hier die bisherige Gesamtlaufzeit eines bestehenden Vertrages zu Grunde gelegt wird.
Das Problem der "Sicherung bestehender Jung-Verträge" für die Zukunft ist doch erst in der Niedrigzinsphase entstanden. Nehme ich das Jahr 2008 zum Anlass meiner eigenen Berechnungen kann der "Verlust" der einzelnen Versicherten sich doch lediglich um wenige Prozentpunkte gegenüber der erwarteten Ausschüttung handeln. Davon ausgehend, dass weitere Beiträge zur Spareinlage aufgerechnet werden, müsste der jeweilige „angebliche Verlust“ minimal sein. Nein, im Gegenteil: trotz „Zuzahlung/Ansparung“ wird der zu erwartende Auszahlungsbetrag von Jahr zu Jahr geringer.
Ich, in meinem Fall liege nun bei Auszahlung im August 2018 ca. 8.000 € unterhalb der zu erwartenden, bzw. suggerierten Ablaufsumme. Ich denke, dass hier der Ansatz zu finden ist, wenn die Versicherer zur Offenlegung Ihrer laufenden Bewertungsberechnungen verpflichtet würden. Auch das der Gesetzgeber, der ja bestätigt, dass die Versicherer ohne die nun getroffenen richterlichen Entscheidungen in eine Schieflage geraten würden, eine Anerkennung aber erst ab ca. 2008 akzeptieren würden. Denn vor diesem historischem Zins-Tief haben die Versicherer doch richtig Geld verdient.
Vielen Dank, das ich hier meine eigenen Überlegung zu Thema ansprechen durfte, aber leider habe ich diesbezüglich keine fachlichen Kommentare gelesen.

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