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Kleinleins Klartext

Mit „einschlägigen Risiken“ beim Versicherungsberater infiziert – zumindest nach Ansicht der BaFin

Mit „einschlägigen Risiken“ beim Versicherungsberater infiziert – zumindest nach Ansicht der BaFin

 01.08.2018  Kleinleins Klartext  1 Kommentar  Axel Kleinlein

Waren Sie schon mal bei einem Versicherungsberater um sich beraten zu lassen? Wenn ja, dann müssen Sie ab jetzt auf der Hut sein. Denn seitdem sind Sie mit irgendwelchen „einschlägigen Risiken“ infiziert, die sie für einige Versicherer unattraktiv machen. Nur dadurch, dass Sie sich dafür entschieden haben bei einem Versicherungsberater Hilfe zu bekommen, werden Sie zu einer Persona non grata für einige Versicherungsunternehmen. Zumindest nach Ansicht der Aufsichtsbehörde BaFin.

Worum es geht? Meine Kollegin Maja Kreßin zeigte diesen Montag in einer Kolumne auf, dass die BaFin in einem Rundschreiben den Versicherungsunternehmen die Möglichkeit eröffnet, die Zusammenarbeit mit Versicherungsberatern per se auszuschließen. Meine Kollegin (und ich auch) finden das nicht in Ordnung und gesetzeswidrig.

Die „beabsichtigte Vertriebsstrategie“

Die BaFin beruft sich aber auf die „beabsichtigte Vertriebsstrategie“ nach Paragraf 23 Absatz 1a, Satz 4 im Versicherungsaufsichtsgesetz. Dort heißt es, dass das Versicherungsunternehmen sicherstellen muss, dass die „beabsichtigte Vertriebsstrategie dem bestimmten Zielmarkt“ entsprechen soll. Wenn nun also die „Vertriebsstrategie“ besagt, dass per se alle Versicherungsberaterinnen und -berater ausgeschlossen werden sollen, dann muss das mit dem „Zielmarkt“ zu tun haben.

In Satz 3 des Paragraf 23 Absatz 1a ist nun festgelegt, dass dieser „Zielmarkt“ so festzulegen ist, dass alle „einschlägigen Risiken für den bestimmten Zielmarkt zu bewerten“ sind. Das heißt also, dass eine Einschränkung des Zielmarktes nur dann erfolgen kann, wenn die betroffenen Verbraucher bestimmte „einschlägige Risiken“ aufweisen und deshalb nicht dem Zielmarkt angehören.

Will man also per se alle Kunden der Versicherungsberater ausschließen, dann müsste das mit „einschlägigen Risiken“ begründet werden, die auf alle Kunden der Versicherungsberater zutreffen würden. Aber was für Risiken sollen das sein? Führt alleine die Entscheidung, dass ich zu einem Versicherungsberater gehe, dazu, dass ich ein besonderes Risiko in mir trage?

Will man mehr darüber erfahren, was der eigentliche Sinn und Zweck dieses Paragrafen 23 Absatz 1a ist, so erfährt man in der Gesetzesbegründung, dass es nur darum geht Artikel 25 Absatz 1 Unterabsätze 1 bis 3 der Versicherungsvertriebsrichtlinie umzusetzen. Dort ist wieder die Rede von den „einschlägigen Risiken“ und dass die Vertriebsstrategie dem Zielmarkt zu entsprechen hat. Dass sich der Zielmarkt der Vertriebsstrategie unterzuordnen hat, davon ist aber auch hier nicht die Rede.

Ausdrücklich ist in der Versicherungsvertriebsrichtlinie sogar die Rede davon, dass „allen Vertreibern sämtliche sachgerechten Informationen“ zur Verfügung zu stellen seien. Darunter fällt dann natürlich auch der Versicherungsberater. Auch ist allen Vertreibern sogar mitzuteilen, wie denn der Zielmarkt definiert ist.

Eine "Delegierte Verordnung"

Noch erhellender ist dann eine „Delegierte Verordnung“ der europäischen Kommission, in der ausdrücklich erklärt wird, dass die Ermittlung des Zielmarktes zu verstehen ist als „Beschreibung einer Gruppe von Kunden mit gemeinsamen Merkmalen auf abstrakter und verallgemeinerter Ebene“.

Sollen nun also alle Kunden von Versicherungsberatern per se ausgeschlossen werden, so müssten diese alleine aus der Tatsache, dass sie sich von einem Versicherungsberater beraten lassen „gemeinsame Merkmale auf abstrakter und verallgemeinerter Ebene“ aufweisen. Die Entscheidung zu einem Versicherungsberater zu gehen kann das aber nicht sein. Wie kommt die BaFin also darauf, dass Versicherungsberater einfach mal so von Vertrieben ausgeschlossen werden können, nur weil sie Versicherungsberater sind?

Da werden also nach dem Rundschreiben per se alle Kunden der Versicherungsberater unter Generalverdacht gestellt. Und das nicht von einem Versicherungsunternehmen, sondern es ist die Aufsichtsbehörde, die das Gesetz so auslegt und so argumentiert! Es gibt also nach Ansicht der BaFin so eine Art juristischen Virus, der alle Verbraucher befällt, die sich von einem Versicherungsberater beraten lassen. Nur so lässt sich schließlich begründen, wie die BaFin die Kunden eines ganzen Berufsstandes durch ihre Gesetzesauslegung diskriminiert.

Hintergrund:

§ 23 (1a) Versicherungsaufsichtsgesetz

1Die Unternehmen, die Versicherungsprodukte zum Verkauf konzipieren, haben ein Verfahren für die interne Freigabe zum Vertrieb jedes einzelnen Versicherungsprodukts oder jeder wesentlichen Änderung bestehender Versicherungsprodukte zu unterhalten, zu betreiben und regelmäßig zu überprüfen (Produktfreigabeverfahren).
2Das Verfahren muss gewährleisten, dass für jedes Versicherungsprodukt, bevor es an Kunden vertrieben wird, ein bestimmter Zielmarkt festgelegt wird.
3Bei der Festlegung des Zielmarkts sind alle einschlägigen Risiken für den bestimmten Zielmarkt zu bewerten.
4Es ist sicherzustellen, dass die beabsichtigte Vertriebsstrategie dem bestimmten Zielmarkt entspricht.
5Die Unternehmen stellen im Rahmen einer angemessenen Geschäftsorganisation sicher, dass die Versicherungsprodukte an den bestimmten Zielmarkt vertrieben werden.

 


„Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb“

Artikel 25
Aufsichts- und Lenkungs-Anforderungen

(1) Versicherungsunternehmen und -vermittler, die Versicherungsprodukte zum Verkauf an Kunden konzipieren, haben ein Verfahren für die Genehmigung jedes einzelnen Versicherungsprodukts oder jeder wesentlichen Anpassung bestehender Versicherungsprodukte zu unterhalten, zu betreiben und zu überprüfen, bevor es an Kunden vermarktet oder vertrieben wird.

Das Produktgenehmigungsverfahren ist verhältnismäßig und entspricht der Art des Versicherungsprodukts.

Im Rahmen des Produktgenehmigungsverfahrens wird ein bestimmter Zielmarkt für jedes Produkt festgelegt, sichergestellt, dass alle einschlägigen Risiken für diesen bestimmten Zielmarkt bewertet werden und dass die beabsichtigte Vertriebsstrategie dem bestimmten Zielmarkt entspricht, und werden zumutbare Schritte unternommen, um zu gewährleisten, dass die Versicherungsprodukte an den bestimmten Zielmarkt vertrieben werden.

Das Versicherungsunternehmen versteht die von ihm angebotenen oder vertriebenen Versicherungsprodukte und überprüft die Produkte regelmäßig, wobei es alle Ereignisse berücksichtigt, die wesentlichen Einfluss auf das potenzielle Risiko für den bestimmten Zielmarkt haben könnten. Außerdem beurteilt es zumindest, ob das Produkt weiterhin den Bedürfnissen des bestimmten Zielmarkts entspricht und ob die beabsichtigte Vertriebsstrategie immer noch geeignet ist.

Versicherungsunternehmen und -vermittler, die Versicherungsprodukte konzipieren, stellen allen Vertreibern sämtliche sachgerechten Informationen zu dem Versicherungsprodukt und dem Produktgenehmigungsverfahren, einschließlich des bestimmten Zielmarkts des Versicherungsprodukts, zur Verfügung.

Wenn ein Versicherungsvertreiber Versicherungsprodukte, die er nicht selbst konzipiert, anbietet oder über sie berät, verfügt er über angemessene Vorkehrungen, um die in Unterabsatz 5 genannten Informationen zu erhalten und die Merkmale und den bestimmten Zielmarkt jedes Versicherungsprodukts zu verstehen.

(2) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 38 zu erlassen, um die in diesem Artikel aufgestellten Grundsätze weiter zu bestimmen, wobei sie die ausgeübten Tätigkeiten, die Art des verkauften Versicherungsprodukts und die Kategorie des Vertreibers nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt.

(3) Durch die in diesem Absatz genannten Maßnahmen, Verfahren und Vorkehrungen werden alle anderen Anforderungen nach dieser Richtlinie, einschließlich derjenigen, die sich auf Offenlegung, Eignung oder Angemessenheit, Ermittlung von Interessenkonflikten und den Umgang mit ihnen sowie Anreize beziehen, nicht berührt.

(4) Dieser Artikel gilt nicht für Versicherungsprodukte, die aus einer Versicherung für Großrisiken bestehen.

 


DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) .../... DER KOMMISSION vom 21.9.2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber

(5) Die Ermittlung des Zielmarkts durch den Hersteller sollte als Beschreibung einer Gruppe von Kunden mit gemeinsamen Merkmalen auf abstrakter und verallgemeinerter Ebene verstanden werden, um es dem Hersteller zu ermöglichen, die Merkmale des Produkts an die Bedürfnisse, Merkmale und Ziele der betreffenden Kundengruppe anzupassen. Sie sollte von der Einzelbewertung zum Zeitpunkt des Verkaufs unterschieden werden, deren Zweck es ist, zu bestimmen, ob ein Versicherungsprodukt den Wünschen und Bedürfnissen entspricht und gegebenenfalls ob ein Versicherungsanlageprodukt für den jeweiligen Kunden oder potenziellen Kunden geeignet oder angemessen ist.


Kommentare
Kommentar von Gabriel Hopmeier, Honorarberater aus Freiburg  am  05.09.2018 10:17
Hallo Herr Kleinlein, mit diieserm Problem schlage ich mich gerade beim HDI herum und von einem Kollegen weiss ich, dass auch die AXA auf zickig macht. Meine Beschwerde bei der BAFIN hätte ich dann auch sein lassen können, wenn ich Ihren Blogbeitrag früher gelesen hätte. Wenn sich Versicherer schon bei der Kundenaufnahme so abweisend verhalten, kann ich mir gut vorstellen, wie sie sich im Schadensfall verhalten werden. Für Verbraucher kann das nur heißen: Finger weg!
Veröffentlichen Sie doch bitte eine Liste mit solchen kundenfeindlichen Versicherern die Ihnen schon bekannt sind - das erspart den Verbrauchern viel Ärger.
Bis eine neue Regierung sich für eine andere BAFIN-Politik einsetzt kann es ja noch lange dauern.
Beste Grüße aus Süd-Südwest,
Gabriel Hopmeiier

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