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Kleinleins Klartext

Neujahrsansprache

Neujahrsansprache

 29.12.2020  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Zum Jahreswechsel blickt Vorstandssprecher Axel Kleinlein zurück auf ein in vielerlei Hinsicht forderndes Jahr 2020 und mit Sorge auf 2021.  

 

Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte und auch liebe Kritiker,

das Jahr 2020 geht zu Ende, ein Jahr das geprägt war von Corona mit all seinen Auswirkungen. Zumindest gibt es nun Hoffnung, dass wir mit den Impfungen in eine neue Zeit kommen, in der wir uns wieder auch in persona begegnen dürfen. Es wird eine andere Welt sein, als die Normalität, die wir im März verlassen haben.

Ein Blick zurück in 2020:

In der Finanz- und Versicherungswelt haben wir in dem sich zu Ende neigenden Jahr die ersten Pensionskassen in Schieflage erlebt, die Versicherer lassen bei der Betriebsschließungsversicherung Tausende Kundinnen und Kunden im Regen stehen, der Zins dümpelt weiter auf niedrigem Niveau, die Regierung hat milliardenschwere Hilfspakete auf Pump auf den Weg gebracht, wir sehen 22 Lebensversicherer als angezählt und der Branchenführer Allianz prophezeit Pleiten bei Lebensversicherern.

Ich sehe mit großer Sorge auf 2021.

Die Lebensversicherer haben erhebliche Probleme, ihre Solvenz in den Griff zu bekommen. Haupttreiber ist der niedrige Zins. Besserung für die Branche ist nicht in Sicht. Im Gegenteil versprechen exorbitante zusätzliche Staatsschulden, dass Finanzminister Olaf Scholz und EZB-Chefin Christine Lagarde uns für eine lange Zeit eine zinslose Welt bescheren.

Dem sind die Lebensversicherer gefährlich ausgeliefert, tragen aber eine Mitschuld an der Misere: Schließlich haben sie sich doch durch massive Fehlkalkulation mit zu hohen Garantiezinsen selbst in diese Falle begeben. Ausbaden müssen das die Versicherten mit geringen Ablaufleistungen, unsichereren Verträgen und schlechter Altersvorsorge.

Die Gefahr von Zombie-Unternehmen

Aber nicht nur mit Staatspapieren gibt es Probleme. Auch in Unternehmensanleihen lauern Gefahren, die indirekt durch Corona verursacht sind. Wir erinnern uns: Mit einem Insolvenz-Moratorium und üppigen steuerfinanzierten Hilfen hat die Regierung klammen Unternehmen die Möglichkeit gegeben, eine Insolvenz hinauszuzögern, quasi als „Zombie-Unternehmen“. Die gefährden dann andere.

Ist zum Beispiel ein Maschinenbauer auf Zulieferbetriebe angewiesen, die ohne Staatshilfe längst insolvent wären, dann ist zwar dieser Maschinenbauer nicht automatisch selber ein Zombie, aber seine wirtschaftliche Situation ist erheblich angespannter. Das drückt sich dann in einem schlechteren Rating aus – das wird aber erst im Nachhinein offenbar.

Hat nun ein Versicherer in Unternehmen investiert, deren Ratings letztlich deutlich schwächer sind als derzeit angenommen, dann muss der Lebensversicherer eigentlich mehr Solvenzmittel aufbringen, um dagegen gewappnet zu sein, dass dieses Investment schiefgehen könnte. So sehen das zumindest die Aufsichtsregeln vor.

Oder vereinfacht gesagt: Zombieunternehmen stecken andere Firmen an und schlussendlich können dann auch Lebensversicherer zu Zombies werden. Ich befürchte, dass einige Lebensversicherer gar nicht abschätzen können, wie unsicher ihre Kapitalanlagen sind und allein schon über diese Unsicherheit stolpern.

100 Mrd. Euro für die Zinszusatzreserve

Dabei müssen die Manager der Lebensversicherungen schon jetzt große Anstrengungen unternehmen, um notwendige Zusatzreserven zu bilden. In 2021 wird branchenweit eine Zinszusatzreserve von etwa 100 Milliarden Euro notwendig werden.

Das stemmen die Versicherer nur, wenn sie Gelder aus den Bewertungsreserven heben, das Tafelsilber verscherbeln. Dafür müssen die Unternehmen in großem Umfang Kapitalanlagen verkaufen, die daraus entstandenen Gewinne der Überschussbeteiligung vorenthalten und eben in die Zinszusatzreserve stecken.

Aber wie werden die Märkte reagieren, wenn eine Branche jetzt in kürzester Zeit Milliarden an Kapitalanlagen auf den Markt wirft, um die Bewertungsreserven zu heben? Das ist unklar. Klappt das aber nicht, ist die Solvenz der Unternehmen in Gefahr, denn die Zinszusatzreserve muss bedient werden, komme was wolle.

Sorgen um die Solvenz der Lebensversicherer

Um die Solvenz der Lebensversicherer sorge ich mich ja schon lange. Die Solvenzquoten nach dem europäischen Aufsichtsrecht sind zum Teil schon jetzt erbärmlich, wenn man heute noch zulässige Übergangsregeln außer Acht lässt.

Noch schlimmer wird es, wenn man alle Gelder, die nach Gesetz den Versicherten gehören, tatsächlich den Versicherten geben würde. Dann könnten nämlich alle noch nicht ausgekehrten Überschüsse nicht mehr zur Solvenz herangezogen werden. Wir reden hier über zig Milliarden, die in der sogenannten freien RfB liegen oder als Schlussüberschüsse eigentlich für die Kundinnen und Kunden vorgesehen sind. Die Versicherten werden diese Überschüsse aber nicht bekommen können. Denn sonst hätten die Versicherer nicht mehr genug Solvenz.

Künftig nur noch Verlust garantiert

Aber anscheinend reicht auch das nicht aus. Große Versicherer werden zukünftig nur noch Verlust garantieren, allen voran die Allianz. Wer tausend Euro investiert, soll dann nur noch 900 oder gar nur 600 Euro später garantiert bekommen. Und das soll Altersvorsorge sein? Ich soll heute auf einen Besuch in der Pizzeria verzichten, damit ich im Alter dann gerade noch eine billige Tiefkühlpizza kaufen kann? Das hat nichts mit Altersvorsorge zu tun.

Diese neuen Produkte helfen den Versicherern aber bei der Solvenz. Für jeden Vertrag, der unterschrieben wird, können sich die Versicherer schon heute Tausende Euro als Solvenzmittel gutschreiben. Mit den Kundenprämien von morgen wird die Solvenz von heute finanziert. Das hat nichts mit betriebswirtschaftlicher Verlässlichkeit zu tun. Das sind letztlich Kalkulationstricks, um die Solvenz aufzuhübschen. Und die Allianz ist Vorreiter.

Egal wie man es sieht: niedrige Zinsen, Kalkulationstricks, das Missbrauchen der Überschüsse als Solvenzsicherheiten, Unklarheiten über Zombie-Anleihen, das Verscherbeln von Tafelsilber- das alles sind die Anzeichen einer Branche, die allmählich selbst zum Zombie mutiert.

Eigentlich sollte die Aufsichtsbehörde, die BaFin, so etwas vermeiden. 2020 war diese Behörde wegen Wirecard und anderen Problemen schwer in der Kritik, und das anscheinend auch zu Recht. In der Versicherungsaufsicht hat sie immerhin versucht, mit ihren Mitteln auf Problemen beim Höchstrechnungszins oder den überhöhten Provisionen hinzuweisen. Diese Ansätze gehen mir alle nicht weit genug, aber immerhin möchte die BaFin etwas bewegen. Es tut sich aber fast nichts, denn dazu müsste dann auch das Bundesfinanzministerium mitspielen. Das tut es aber nicht.

Das Spiel des Finanzministeriums

Das Spiel des Ministeriums von Olaf Scholz ist schwer zu verstehen. Die niedrigen Zinsen, die Unklarheiten über Zombie-Unternehmen, das Ausbremsen von notwendigen Regeln zu Höchstrechnungszins und Provisionsdeckel und gleichzeitig der Appell zur kapitalgedeckten Altersvorsorge – das passt nicht zusammen. Hier wird alles getan, um eine finanz- und wirtschaftspolitische Situation vorzugaukeln, die tatsächlich nicht stabil ist. Da würde es auch nicht ins Bild passen, dass Lebensversicherer an der Solvenz scheitern.

Deswegen fürchte ich, dass die Regierung in nicht allzu großer Ferne steuerfinanzierte Hilfspakete für Lebensversicherer auf den Weg bringt. Doch dann bekommen wir Zombieversicherer. Besser wäre es, wenn die strauchelnden Versicherer geordnet in die brancheninterne Auffanggesellschaft Protektor überführt würden. Aber haben die Entscheider und Experten in der Wilhelmstraße den Mut dazu? Oder setzten Finanzministerium und Lobbyverband lieber auf Zombies?

Dieses düstere Szenario sehe ich übrigens nur für die Lebensversicherer, nicht für die private Krankenversicherung. Die hat sich wegen der Möglichkeit der Beitragsanpassung als resilient in der Niedrigzinsphase erwiesen.

Die PKV-Unternehmen verspielen Vertrauen

Dennoch pflegen PKV-Unternehmen ihre Arroganz gegenüber den Versicherten und verspielen Vertrauen. Erst vor ein paar Tagen bemängelte der Bundesgerichtshof die Intransparenz bei Beitragsanpassungen und kassierte diese ein. Wenn diese Branche eine Zukunftsperspektive behalten will, dann muss sie mehr auf die Versicherten zugehen, realistischer kalkulieren und den Vertrieb besser aufstellen. Glaubwürdigkeit ist das, was die PKV braucht, wenn sie sich im nächsten Koalitionsvertrag nicht als Opfer wiederfinden will.

Wenn ich also auf 2021 blicke, dann sehe ich zaudernde Finanzpolitiker, strauchelnde Lebensversicherer, eine PKV, die sich inhaltlich neu erfinden muss und Gewerbeversicherer, die nach dem Debakel mit der Betriebsschließungsversicherung Vertrauen zurückgewinnen müssen.

Hoffnung Europa

Eine kleine Hoffnung habe ich aber für Ideen aus Europa. Vielleicht wird das ja was mit der Europarente, der PEPP. Und vielleicht gelingt es ja Ursula von der Leyen, mit der Capital Market Union und dem Green Deal Wirtschaftsimpulse zu setzen, die uns in der hoffentlich dann beginnenden Nach-Corona-Zeit nach vorne bringen.

Es gibt also neben der Hoffnung auf erfolgreiche Impfungen auch andere Lichtblicke für 2021.

Ich wünsche Ihnen allen, dass auch Ihre persönlichen Hoffnungen und Wünsche Sie begleiten werden. Ich wünsche Ihnen an erster Stelle Gesundheit und viel Kraft, mit der noch andauernden Corona-Zeit klarzukommen. Auch wenn wir uns nicht persönlich treffen können, so sollte uns immer klar sein, dass wir nicht alleine sind. Die Gemeinschaft ist das, was uns helfen kann. Nicht von ungefähr ist es ja auch dieser Kollektivgedanke, der die Idee der Versicherung so schön macht.

Ich wünsche Ihnen alles Gute für 2021!

Ihr Axel Kleinlein


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