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Kleinleins Klartext

Opfer der eigenen Unfähigkeit

Opfer der eigenen Unfähigkeit

 10.07.2019  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Die Lebensversicherer stehen schon seit einigen Jahren mit dem Rücken zur Wand. Überteuerte Tarife, niedrige Zinsen, schludriges Management und zuweilen gierige Aktionäre geben kaum Spielraum, um gegensteuern zu können. Dazu kommt dann eine Vermittlerschaft, die Zukunftsperspektiven einfordert. Handlungsmöglichkeiten gibt es kaum noch, da auch in vielen Köpfen der Managerinnen und Manager die Ignoranz gegenüber neuen Entwicklungen stark ausgeprägt ist. Eine harsche Analyse? Mitnichten…

In der Kapitalanlage kann die Branche nur nach dem Prinzip Hoffnung verfahren. Hoffentlich war die vor ein paar Jahren gewählte Anlagestrategie die richtige für die kommenden Entwicklungen. Nur wie die ausschauen, weiß naturgemäß heute auch noch keiner. Der Spielraum, hier umzusteuern, ist sehr gering. Hier heißt es: abwarten und Daumen drücken.

Managementfehler der letzten Jahre

Die Managementfehler der letzten Jahrzehnte lassen sich auch nur mühsam und oft auch nur teuer beheben. Die über Jahrzehnte verschlafene Digitalisierung ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Zuweilen willkürlich erscheinende aber weitreichende Unternehmensentscheidungen wie der Kauf oder Verkauf eines Unternehmens oder von Teilbeständen tun ein Übriges. Zwar kann die Notbremse namens Run-Off gezogen werden. Aber auch das führt mehr zu Stillstand als zu neuen Handlungsfeldern.

Auch im Umgang mit dem Vertrieb sind die Handlungsoptionen rar. Die Versicherungsunternehmen können nur noch darauf hoffen, dass ein Provisionsdeckel kommt. Denn dann können sie den Vertrieb kürzer halten und können dafür den Verbraucherschutz verantwortlich machen. Aber auch hier gibt es nur wenig Möglichkeiten, dem Gesamtunternehmen mehr Handlungsfreiheit zu erkämpfen.

Die letzte Option, die es noch gab, hat sich nun auch zerschlagen.

Hofften doch einige Versicherer noch darauf, mit „neuen Produkten“ reüssieren zu können. Die Idee war, auf diesem Weg neuartige Tarife auf den Markt zu bringen, dass die bisherigen Probleme entweder keine Rolle spielen oder aber zumindest glaubhaft wegdiskutiert werden können. Dazu galt es sowohl die Vermittler davon zu überzeugen, die dann wiederum den Verbraucherinnen und Verbrauchern die neuen Tarife angedeihen lassen sollten. Angesichts der ansonsten desolaten Lage scheint es zielführender zu sein, die potentiellen Versicherten direkt anzusprechen.

Mit großem Aufwand hat der Marktführer versucht, genau diesen Weg einzuschlagen. Er ist gescheitert. Auch wenn das neue Produkt tatsächlich in ein paar Aspekten neue und positive Facetten aufwies, so verhinderten hohe Kosten und eine verbraucherfeindliche Kalkulation aber einen Produkterfolg. Auch die Strategie, über neue Tarife neue Handlungsmöglichkeiten zu bekommen, ist gescheitert.

Blockade der Versicherungswirtschaft

Zu allerletzt blockiert die Versicherungswirtschaft aber auch in wichtigen politischen Bereichen in Sachen Altersvorsorge eine offene und konstruktive Diskussion. Geht es um das im Koalitionsvertrag geforderte Standardprodukt, so verfallen die Versicherungslobbyisten nur in den Reflex, nach einer Stärkung der gescheiterten Riester-Rente zu rufen. Geht es um das europäische Altersvorsorgeprodukt PEPP, so tun die Versicherungslobbyisten so, als wäre das eine Fata Morgana. Dabei ist PEPP längst beschlossen, dieser Tage wird die zugehörige Richtlinie im europäischen Amtsblatt veröffentlicht und in Osteuropa wird schon an Produkten gebastelt.

Nebenbei ist auch für die Lebensversicherer das mittlerweile zentrale politische Thema der Nachhaltigkeit immer noch etwas Exotisches. Kein Wunder, erlaubt doch das deutsche System der Lebensversicherer letztlich keine wirklich nachhaltigen Angebote. Dann blendet man lieber aus, dass hier Handlungsbedarf besteht. Damit beschneidet man dann aber weiter seine eigenen Optionen. Das Handlungsfeld wird nochmals kleiner.

Die Ignoranz der deutschen Lebensversicherer, sich neuen politischen Entwicklungen zu öffnen, das Verharren in überkommenen Strukturen, die Unfähigkeit, das Thema Vertrieb neu zu denken, schlechte Produkte und der Unwille, aktuelle politische Impulse aufzugreifen – diese Gemengelage macht die deutschen Lebensversicherer zu Opfern ihrer eigenen Unfähigkeit.

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