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Kleinleins Klartext

Sehr geehrter Herr Asmussen

Sehr geehrter Herr Asmussen

 04.11.2020  Kleinleins Klartext  2 Kommentare  Axel Kleinlein

Sehr geehrter Herr Asmussen,
es ist traurig, dass die Diskussion um die Zinszusatzreserve (ZZR) in den Medien schon fast als ein persönlicher Streit zwischen uns beiden dargestellt wird. Daher wende ich mich mit diesem offenen Brief an Sie.

Unser Disput wird als ein Gezänk um Zahlen charakterisiert. Und dabei haben die Kommentatoren anscheinend noch nicht einmal verstanden, dass wir gar nicht weit auseinanderliegen! Denn die Zahlen, die mein Verbraucherverband, der Bund der Versicherten (BdV) annimmt und die Zahlen, die Ihr Lobbyverband, der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) prognostizieren, sind nicht weit voneinander weg:

  • ZZR in 2020: BdV: 80 Milliarden, GDV: 87 Milliarden
  • ZZR in 2021: BdV: 100 Milliarden, GDV: etwas mehr als 87 Milliarden.

Ich sehe hier – in Anbetracht der Größenordnung - keinen eklatanten Unterschied (auch wenn Sie etwas mehr „schwarzmalen“).

  • Wir sagen: Die ZZR wird bis 2025 kontinuierlich auf 125 Milliarden anwachsen.
  • Sie sagen: Auch ab 2021 werden die Unternehmen jedes Jahr immer mehr in die ZZR einzahlen.

Im Grunde sollten wir uns vertragen

Die Unterschiede zwischen unseren Aussagen sind also gering. Im Grunde sollten wir uns also vertragen können. Ihre Kritik an unseren Zahlen scheint hauptsächlich darin zu bestehen, dass wir zu geringe Werte behaupten. Aber auch schon die von uns behaupteten „nur“ 80 Milliarden sind ja aus Sicht des GDV fatal!

Noch vor zwei Jahren haben Sie beim GDV befürchtet, dass eine ZZR von 80 Milliarden in einer Dimension liegen würde, die „weder wirtschaftlich gerechtfertigt noch auf Dauer für die Unternehmen tragbar“ wäre. Damals haben Sie das Niveau von 80 Milliarden erst für das Jahr 2024 angenommen. Wir haben dann zusammen (GDV und BdV) erfolgreich für eine neue Berechnungsmethode der ZZR gekämpft.

Trotzdem haben wir diese Dimension von 80 Milliarden jetzt längst erreicht (nach Ihrer eigenen Schwarzmalerei ist es jetzt sogar schon noch schlimmer). Wir befinden uns also auch nach Sicht des GDV in einer Situation, die für die Unternehmen nicht mehr tragbar ist.

Und was sagen Sie den Versicherten, die um ihre Altersvorsorge bangen? Was sagen Sie den Parlamentariern, Ministern und Verwaltungsbeamten, die Ihnen vertraut haben, dass Sie das alles im Griff haben? Bisher leider sehr wenig. Es scheint Sprachlosigkeit zu herrschen. Auf Ihrer Internetpage sind die wichtigsten Themen derzeit nur, wie Hollywoodstars versichert werden, welche „geilen Jobs“ es in der Assekuranz gibt oder „Generation Z - Wo die coolen Kerle* wohnen“. Die Krise der Lebensversicherung findet in Ihrem Internetauftritt erst mal nicht statt.

Zeit für Klartext

Herr Asmussen, es ist an der Zeit, dass endlich Klartext gesprochen wird. Und zwar Klartext, der nachvollziehbar, sachlich und ungeschönt ist. Wir müssen den Versicherten klarmachen, in welch brisanter Lage die Altersvorsorge mit Lebensversicherungen ist und worauf sie sich einstellen müssen.

Aus Ihrer Sicht ist die Belastung für die Unternehmen nicht mehr tragbar. Auch wir sehen ein Viertel der Branche unter diesen Belastungen ächzen. Neben allen Vorbehalten haben wir anscheinend also doch eine ähnliche Sicht.

Wir beide wissen, dass die Lage sehr, sehr ernst ist.

Lassen Sie uns gemeinsam informieren

Lassen Sie uns gemeinsam Versicherte, Politik und Öffentlichkeit über die Lage informieren. Nüchtern, ohne Beschönigungen. Auf Grundlage der vorliegenden Zahlen. Wir als BdV stützen uns in unserer Argumentation auf die harten Zahlen der öffentlich zugänglichen Solvenzberichte. Die Zahlen und unsere Analysen sind frei und gratis verfügbar. Aus unserer Sicht ein guter Start für eine konstruktive Diskussion.

Es ist müßig, in die Vergangenheit zu schauen und auszudeuten, wer für die Fehlkalkulationen in den 80er- und 90er-Jahren verantwortlich ist. Lassen Sie uns nach vorne schauen und überlegen, wie wir den Versicherten die Lage so erklären können, dass nicht der Worst Case eintritt.

Sie werden Unterstützung dabei brauchen. Aber Sie stehen nicht alleine da. Wir, BdV und GDV, haben schon vor zwei Jahren gemeinsam gegenüber der Politik die Notwendigkeit der Korridormethode in der ZZR adressiert. Wir stehen als Bund der Versicherten auch jetzt bereit. Lassen Sie uns gemeinsam nach Lösungen suchen, um eine glaubhafte Kommunikation in der Krise zu etablieren - für die Versicherten.

Mit besten Grüßen
Axel Kleinlein

 

Wie unser „Streit“ in den Fachmedien dargestellt wird:

https://versicherungswirtschaft-heute.de/maerkte-und-vertrieb/2020-10-27/ist-die-zzr-eher-bedrohung-als-kundenschutz-streit-zwischen-bdv-und-gdv/

https://www.dasinvestment.com/streit-um-folgen-der-zinszusatzreserve/


Was der GDV noch vor zwei Jahren sagte:

https://www.gdv.de/de/themen/positionen-magazin/weniger-bringt-allen-mehr-42450

https://www.gdv.de/de/themen/politische-positionen/stellungnahmen/versicherungswirtschaft-begruesst-aenderungsvorschlag-fuer-zinszusatzreserve-36114


Was wir in unserer Pressemitteilung gesagt haben:

https://www.bundderversicherten.de/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/pressemitteilungen/zinszusatzreserve-ist-fass-ohne-boden-neuer-referenzzins-bekannt

Unsere Analyse der Finanzstärke der einzelnen Unternehmen:
https://www.bundderversicherten.de/stellungnahmen/solvabilitaetsberichte/2020

 


Kommentare
Kommentar von Andi  am  20.11.2020 13:45
Dem ist eigentlich wenig hinzuzufügen, außer folgender Aspekte

- Die Zinszusatzreserve wird Versicherer in sehr unterschiedlichem Ausmaß treffen, jene mit ausschließlich kapitalbildendem Geschäft deutlich mehr als jene mit viel Biometrie-Anteil (Risikoleben/BU). In der Vergangenheit waren Versicherer mit hohen Garantien von 3-4% stärker betroffen, demnächst werden die Zuführung aber für jene anstrengender werden, die auch noch lange laufende Klassik-Tarife der Generationen 1,75% bis 0,9% verkauft haben. Die alten Hochprozenter setzen nämlich gegen Laufzeitende ja bereits wieder ZZR frei.
- Die ZZR ist finanzierbar, derzeitig sind die zuzuführenden Beträge auch noch sehr gerechtfertigt. Langfristig ist aber auch das Korridor-Verfahren zu vorsichtig ausgelegt, man steuert derzeit auf einen Referenzzins von ca. -0,2% zu - das hat mit der (zum Glück) tatsächlich viel höheren Rendite von Neuanlagen der LVU 2020 nichts zu tun. Man fährt also sozusagen langsamer, aber immer noch auf das falsche Ziel zu.
- Ein jetzt Ende 2020 auf 1,73% nachreservierter alter 4%-RZ-Tarif steht heute so bilanziell da, als wäre er damals schon mit 1,73% Garantiezins kalkuliert worden.
Kommentar von Peter Schwark  am  10.11.2020 16:32
Sehr geehrter Herr Kleinlein,

herzlichen Dank für Ihren offenen Brief an Herrn Asmussen, der mich zuständigkeitshalber gebeten hat, Ihnen zu antworten. Ganz klar ist: Weder Herr Asmussen noch irgendjemand anderer des GDV führt persönliche Auseinandersetzungen, es geht uns immer um Sachfragen.

Wir begrüßen es dementsprechend, dass wir nun eine gemeinsame Sicht zur Entwicklung der Zinszusatzreserve (ZZR) haben. Diese wird sich in diesem Jahr um etwa 11 Milliarden Euro erhöhen, nicht dagegen um 20 Milliarden Euro wie kürzlich einmal bei Ihnen geschätzt. Wichtig ist uns in dem Kontext auch, dass die Zuführungen zur ZZR ab 2021 bei gleichbleibendem Zinsniveau sinken und nicht steigen werden.

Sie zitieren in Ihrem Brief Pressemeldungen des GDV, die wie Sie ja auch zu Recht anmerken, bereits zwei Jahre alt sind. Seinerzeit hatten wir Berechnungen und Projektionen zur Zinszusatzreserve vor der Nachjustierung 2018 publiziert. Natürlich hat sich die Situation seitdem deutlich verändert. Die Zinsen sind weiter gesunken und die ZZR bzw. der Referenzzins wurde um einen Korridor ergänzt. Dementsprechend haben sich nicht nur die Projektionen der ZZR verändert, sondern auch die Reservesituation der Unternehmen. Bewertungsreserven und Sicherungsbedarf sind wie kommunizierende Röhren. Bei sinkenden Zinsen steigen zwar beide, wenn auch nicht Eins zu Eins. Ökonomisch sind die Effekte jedoch gegenläufig.

Insofern gehen wir davon aus, dass die ZZR-Zuführungen nach der Umstellung auf die auch von Ihnen befürwortete Korridormethode für die Unternehmen zwar weiter herausfordernd dennoch aber wirtschaftlich tragbar sind.

Wir freuen uns auf eine Fortsetzung des sachlichen Dialogs.

Mit besten Grüßen
Ihr

Peter Schwark

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