Menu
Kleinleins Klartext

Sterbetafeln und die Rente - wer hat an der Uhr gedreht?

Sterbetafeln und die Rente - wer hat an der Uhr gedreht?

 14.04.2022  Kleinleins Klartext  1 Kommentar  Axel Kleinlein

Was sind eigentlich Sterbetafeln? Der ein oder die andere hat davon schon einmal gehört, so richtig drüber reden will aber keiner, weil der Name ja schon irgendwie gemein klingt -"Sterbetafel". Dahinter verbirgt sich eine recht ausgefeilte Statistik über Sterbewahrscheinlichkeiten oder Lebenserwartungen. Mehr dazu im Video:


Kommentare
Kommentar von Andi  am  11.07.2022 14:25
Zur Diskussion um die Kalkulation der Lebenserwartung in privaten Rentenversicherungen, die ja auch häufig in der Riester-Debatte zu hören ist, habe ich vor einiger Zeit schon diese Fakten zuammengetragen. Der Vorwurf geht tendenziell ja immer so: "Ihr Versicherer kalkuliert ja mit so hohen Lebenserwartungen, dass man da 100/xy werden muss, um sein Geld wieder zu sehen".

Die Antworten zusammengefasst:

1) Die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt liegt nach (Perioden-)Sterbetafel 2018/20 bei etwa 83,4/78,6 Jahren (m/w), aber davon kann man nicht einfach die z.B. 65 Jahre bei Renteneintritt abziehen, wenn man überlegt, wie lange man denn in der Renten noch zu leben hätte.
Denn die sog. FERNERE Lebenserwartung liegt dann noch bei 21,1/17,9 Jahren ab 65, weil ja alle schon rausgefallen sind aus dem Durchschnitt, die vor 65 gestorben sind. Damit unterschätzt man schon einmal seine Lebenserwartung, wenn man diesen Unterschied nicht parat hat.
2) Die Lebenserwartung von Kunden einer privaten Rentenversicherung liegt statistisch HÖHER als der Durchschnitt des Gesamtbevölkerung, da dabei teilweise schon gesundheitlich sehr angeschlagene Bevölkerungsgruppen, die keine Chance auf Verdienst haben, herausfallen und keine Verträge besitzen. Hinzu kommt noch der soziale Effekt, dass Gutverdiener längere Lebenserwartung aufweisen, d.h. hohe Renten sind tendenziell auch noch länger zu zahlen.
3) Menschen in privaten Rentenversicherungen haben ein Wahlrecht "gegen den Versicherer", das man in der gesetzlichen Rente nicht hat. D.h. jemand mit schweren Vorerkrankungen oder frischer Krebs-Diagnose wird das Kapital nehmen mit 65 und NICHT in die Rentenphase eintreten. Das trägt auch noch einmal dazu bei, dass die Kunden, die überhaupt die Rente wählen, noch langlebiger sind als der Durchschnitt.
4) Die Versicherer müssen noch Sicherheitspuffer einkalkulieren, um aktuariell ihrem Vorsichtsprinzip zu folgen, d.h., um nicht irgendwann bei einer doch sich mehr verlängernden Lebenserwartung "nackt" dazustehen, wird mit einigen Jahren Lebenserwartung mehr kalkuliert.
Das ist aber insofern nicht ganz so tragisch, dass 90% von etwaigen Risikogewinnen dadurch wieder an das Kollektiv der Versicherten zurückfließen würden. Über die Überschussbeteiligung erhöht sich in der Praxis die rein garantierte Rente tatsächlich signifikant (Bonusrente).
5) Die aktuelle Lebenserwartung ist nicht stabil, sondern ist eigentlich über alle Jahrzehnte in der Vergangenheit gestiegen (leichte Ausnahme 2020/21 wegen Corona). Das heißt insbesondere wenn der Rentenstart noch in weiter Ferne liegt, ist es durchaus angemessen, dass mit noch längerem Leben gerechnet wird, um dem Trend gerecht zu werden. Nach dieser sog. Kohorten-Sterbetafel ist je nach Trend (es gibt 2 Varianten, die Trends seit 1971 und den etwas schwächeren Trend seit 2011 fortschreiben) die Lebenserwartung bei 2020 geborenen Jungen bei 90,2/82,9 Jahren und für Mädchen bei 93,1/86,9 Jahren.
Man sieht, der Trend nimmt zwar ab, ist aber natürlich mit Unwägbarkeiten versehen in den nächsten 80 Jahren.

P.S.: Man kann zwar im Lebenserwartungsrechner des BdV männlich/weiblich auswählen, die Versicherer haben diese Möglichkeit seit 2012 leider nicht mehr, sondern müssen aufgrund eines fragwürdigen EUGH-Urteils mit Unisex-Sterblichkeit rechnen (d.h. sicherheitshalber sogar mit höherem Anteil weiblicher Kunden), was den Vergleich für Männer natürlich deutlich verschlechtert. Leider nutzt es da noch nicht mal etwas, sich an die Politik zu wenden...

Eigenen Kommentar abgeben
Name (Sie dürfen auch ein Pseudonym angeben)
E-Mail* (wird nicht veröffentlicht)
Ihr Kommentar*
 

Mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.

Mit Absenden eines Kommentars erklären Sie sich mit den rechtlichen Hinweisen und den Kommentarrichtlinien einverstanden.