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Kleinleins Klartext

Sylt und die Grenzen der Versicherung – oder Kinder gibt’s trotz Wettbewerb

Sylt und die Grenzen der Versicherung – oder Kinder gibt’s trotz Wettbewerb

 24.02.2016  Kleinleins Klartext  4 Kommentare  Axel Kleinlein

Unsere Versicherungsunternehmen lassen uns zunehmend im Stich. Gerne tun sie so, als könnten sie alles versichern. Stimmt aber nicht.

Dass die Versicherer es nicht beherrschen eine vernünftige Altersvorsorge anzubieten, daran haben wir uns schon gewöhnt. Dass sie uns als Gesellschaft auch an ganz anderen Stellen alleine lassen, das verblüfft immer wieder.

Bei einem Besuch auf der Insel Sylt letztes Wochenende, hatte ich wieder ein solches Aha-Erlebnis. Denn Dank der Unfähigkeit der Versicherer wird es wohl bald kaum noch neue Sylter geben. Und die wenigen echten zukünftigen Sylter haben dann vermutlich einen deutlich südlicheren Teint als es die friesische Insel erwarten lässt. Wie ich darauf komme?

Wie jedes Jahr wird auf Sylt am 21. Februar in jeder Gemeinde ein großes Feuer entzündet, die sogenannte Biike. Das ist kein einfaches Lagerfeuer. In Tinnum, wo wir waren, loderten die Flammen sicher 10 Meter in die Höhe. Neben diesem großartigen Schauspiel hatten wir dann die Freude, von echten Syltern, Achim und Anke, zum traditionellen Grünkohlessen eingeladen zu werden. Gastfreundschaft wird hier großgeschrieben. Und bei leckerem Grünkohl mit Schweinebacken und Würstchen erzählte dann Achim von der Misere der Sylter.

Achim und Anke, beide auf Sylt geboren, gehören nämlich einer aussterbenden Gruppe von Menschen an. Denn Geburten soll es auf der Insel mit nur knapp 21 Tausend Einwohnern möglichst nicht mehr geben. Es gibt keine Geburtsklinik mehr und freie Hebammen können eigentlich nicht mehr arbeiten. Der Grund: Eine Berufshaftpflicht für Hebammen ist schlicht zu teuer im Vergleich zum Einkommen. Es handelt sich also um ein „unversicherbares“ Risiko.

Im idealen Wettbewerb würden sich Kunden nun gefälligst darum kümmern, dass dieses Risiko erst gar nicht mehr auftritt. Das ist mit Hebammen aber eher schwierig. Denn Kinder kommen auch einfach so, ohne dass sich jemand über die Versicherungspflicht der Hebammen Gedanken gemacht hat.

Die Folge ist auf Sylt zu beobachten: Die Bürger werden angehalten, möglichst immer aufs Festland zu fahren, wenn der Geburtstermin näher rückt. Für die absoluten Notfälle gibt es zwar noch Unterstützung durch zwei Hebammen, aber nur um die Gebärende möglichst schnell mit dem Hubschrauber von der Insel zu bekommen.

Für diese Notfallhebammen muss natürlich auch eine Versicherung gezahlt werden. Die zahlt aber nun die öffentliche Hand. Anders ausgedrückt: Weil die Versicherungsprämie so hoch ist, werden Steuergelder an die Versicherungswirtschaft gezahlt. Also aufgepasst, falls Sie auch ab und an auf diese schöne Insel fahren: Womöglich geht ein Teil der von Ihnen gezahlten Kurtaxe direkt an die Versicherungswirtschaft.

Das ist alles ziemlich absurd und zeigt eines auf: Man kann eben nicht alles mittels privater Versicherungen absichern. Der vielgepriesene Wettbewerb würde eigentlich dazu führen, dass es einfach keine Kinder mehr geben würde. Gott sei Dank richtet sich aber das Kinderkriegen nicht nach den Regeln des Marktes.

Wegen dieser schrägen Gemengelage bekommen nur noch ganz wenige Frauen ihre Kinder direkt auf der Insel, nämlich diejenigen, die nicht verstehen, dass sie eigentlich aufs Festland sollen. Und das sind anscheinend zunehmend die neuen Mitbürgerinnen aus den Asylunterkünften. Achim erklärte mir, dass es daher wohl bald so sein wird, dass ein echter Sylter eher eine dunkle Hautfarbe und dunkles Haar haben wird und nicht mehr friesisch - blass und blond. Willkommen sind die Neu-Sylter trotzdem allemal.


Kommentare
Kommentar von Markus Liebrecht  am  26.02.2016 17:34
Axel Kleinlein begreift nicht (und wird es wohl auch nicht mehr), das sein "Böser-Versicherer-Holzhammer" nur zur argumentativen Abstumpfung führt. Vielleicht meint er, aufgrund der medialen Übersättigung sonst nicht gehört zu werden. Ich (Makler) höre ihm schon lange nicht mehr zu, wie allen anderen Verbraucherschützern, die ihr Anti-Versicherungs-Mantra singen. Wer nicht differenziert hat eigentlich nicht viel zu sagen. Achja, zum Thema Hebammen: ich teile alle gesagten Meinungen: verschärfte Haftungssituation in Deutschland, Versicherer muss kaufmännisch kalkulieren, Hebammen sind unterbezahlt, dadurch unbezahlbare Prämien und wenn dies nicht so gewünscht ist, ist der Staat mit einer Haftungsbremse oder einem Zuschuss gefragt. Ich bringe noch eine These: das der Staat nicht einspringt ist vielleicht auch der Lobby der Ärzteschaft zu verdanken, die alle Hebammen gerne im Krankenhaus unter der Aufsicht eines Arztes als Handlanger sehen möchten. Natürlich nur eine These, möchte ja nicht wegen Rufschädigung dran sein. Obwohl... ;-)
Kommentar von Stefan Schmidt  am  26.02.2016 10:10
So einen Blödsinn habe ich ja lange nicht gelesen!
Die Hebammen haben in der Vergangenheit bei den Geburten wohl einige Fehler gemacht und darum sind sie zu Schadenersatzzahlungen verpflichtet worden. Dies haben zum Glück die "unfähigen Versicherer" übernommen, sonst hätten wir jetzt viele Hebammen in Insolvenz!
Ein kaufmännisch denkender Mensch bietet kein Geschäft an, wo er vorher schon weiß, dass er Verluste macht. Das sollen aber die "unfähigen Versicherer" machen?!
Verstehe ich nicht!
Die Versicherer bieten die Versicherung für bedarfsgerechte Prämien an und damit kommen sie ihrer wirtschaftlichen Verpflichtung nach.
Warum die Politik (über kommunalen Schadenausgleich o.ä.) oder die Krankenversicherer (höhere Leistungen für Hebammen) keine Lösung anbieten, verstehe ich auch nicht!
Aber ich verstehe die Hebammen, die kein Auskommen mit ihrem Einkommen haben und darum aufgeben, als selbständige Hebamme zu arbeiten. Und ich glaube auch nicht, dass Hebammen heute mehr Fehler machen als Früher, aber die Gerichte setzen einfach höhere Schadenersatzzahlungen fest.
Die Hebamme, die meine beiden Kinder auf die Welt gebracht hat, hat ihre Aufgabe hervorragend gemacht und sie sieht ihre Aufgabe auch nicht als Beruf, sondern Berufung (3. Generation Hebamme) und darum muss dem Berufsstand geholfen werden!
Kommentar von Dr. Norbert Winzek  am  25.02.2016 14:57
"Eine Berufshaftpflicht für Hebammen ist schlicht zu teuer im Vergleich zum Einkommen. Es handelt sich also um ein „unversicherbares“ Risiko." ... na ja ... angesichts der zu zahlenden Schadenssummen, muss wohl der Beitrag so hoch sein, denn der bösen Versicherungswirtschaft vorzuwerfen, dass sie kein Minus macht, hat ja schon was ziemlich Schräges an sich??? Von daher ist wohl das Einkommen der Hebamme zu niedrig und die Eltern müssten einen risikogerechtes Honorar zahlen.
Der Bäcker bei mir um die Ecke preist übrigens seine Betriebshaftpflicht auch in den Preis der Brötchen ein und ich muss meine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung auch selbst zahlen.
Alternativ könnte man auch die zu zahlenden Schadenssummen, die wohl hauptsächlich die gesetzlichen Krankenversicherer(?) fordern, angehen ... Allerdings könnte man dann ja keinen Artikel über die böse Versicherungswirtschaft schreiben .. ;-)
Kommentar von Jörg Adomeit  am  25.02.2016 10:19
Alleine der "bösen" Versicherungswirtschaft (der ich nicht angehöre!) den schwarzen Peter zuzuschieben, ist zu einseitig gedacht: Wenn man die Schadenstatistiken der Versicherungsunternehmen analysiert, kann man die Kalkulation und damit die Preisbildung in der Berufshaftpflicht für Hebammen nachvollziehen. Zunehmend amerikanische Verhältnisse in der deutschen Rechtssprechung führen zu solchen Schadenentwicklungen. Im Sinne einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung ist hier eher die Politik, speziell um den zuständigen Minister Gröhe und seinen Stab gefordert, von denen zu dem Thema bisher nur klägliche Ansätze zu beobachten sind. Hier sind keine Sprücheklopfer sondern Macher gefragt! Aber wer traut sich?

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