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Kleinleins Klartext

Verkalkuliert! Wie Fehlkalkulationen der Versicherer die nächste Finanzkrise heraufbeschwören

Verkalkuliert! Wie Fehlkalkulationen der Versicherer die nächste Finanzkrise heraufbeschwören

 20.09.2018  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Nach der vor zehn Jahren ausgelösten Finanzkrise durch Lehman-Brothers stehen wir vor der nächsten Finanzkrise. Diesmal sind es die Lebensversicherer, die daran Schuld haben. Es geht nicht nur um die Erträge von ein paar Verträgen oder um kleine Versicherungsunternehmen, die womöglich im Protektor landen müssten. Es geht um das große Ganze. Deswegen ist die Politik jetzt endlich (!) aufgewacht und versucht sich in Schadensbegrenzung.

Das Problem: Die Unternehmen müssen gewaltige Garantien stemmen und gewaltige Reserven bilden.

In den Beständen gibt es viele Verträge, die mit hohen Garantiezinsen kalkuliert sind. Und diese Garantiezinsen müssen jetzt auch bezahlt werden. Die Versicherungsunternehmen verdienen aber nicht genug, um das zu bezahlen. Und zudem müssen sie genau für diese Verträge zusätzliche Reserven bilden: die Zinszusatzreserven. Bei einigen Unternehmen erwarten wir, dass sie das nach den derzeitigen Regeln nicht mehr können. Sie wären dann schlicht nicht mehr in der Lage, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Deswegen wird jetzt passend gemacht, was passen muss. Das erfolgt durch eine Modifizierung der Regeln zur Zinszusatzreserve. Natürlich werden dadurch die Unternehmen nicht über Nacht finanziell potenter. Natürlich steigt damit nicht über Nacht die Finanzkraft der Unternehmen. Das, was geschieht: Es wird so getan, als müsste man zukünftig nicht mehr so viel Sicherheit vorhalten wie bisher. Das Sicherheitsniveau wird also gemindert.

Wir gewinnen damit also höchstens eine Lösung auf Zeit. Denn das eigentliche Problem wird nicht gelöst, dass die Versicherer zu hohe Garantien einkalkuliert haben und diese jetzt in der Niedrigzinsphase nicht halten können. Es wird nun nur etwas Zeit erkauft. Und es wird wieder einmal eine Maßnahme ausschließlich zur Hilfestellung der Unternehmen ergriffen. Die Interessen der Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer treten erneut in den Hintergrund.

Die Versicherungsunternehmen sind Schuld am Desaster...

Dabei sind die Versicherungsunternehmen Schuld an dem Desaster. Warum?

Stellen Sie sich vor, da ist jemand, der in diesem sehr trockenen Sommer ein Häuschen am Ufer der Elbe baut. Der Fluss fließt in Sichtweite der Terrasse vorbei, alles scheint beschaulich und nett zu sein. Bis die Herbstregen kommen und die Elbe über die Ufer tritt. Auf einmal ist es nicht mehr so gemütlich, das Wasser steht im Keller und steigt weiter. Wer trägt hier Schuld an diesem Elementarschaden?

Alle werden sagen, dass es Unfug war, das Haus so nah am Ufer zu bauen. Denn wer derart nah am Fluss baut, der muss damit rechnen, dass es eine Überschwemmung geben wird. Die Erfahrung zeigt, dass es nicht nur theoretisch denkbar ist, dass der Pegel der Elbe steigt, sondern dass es auch tatsächlich eintreten kann!

Ähnlich die Lebensversicherer. Ähnlich mutig wie der Hausbauer, der in direkter Ufernähe das Haus errichtete, haben die Versicherer mutig in den 90ern mit hohen Zinsen kalkuliert. Ohne Not, denn selbstverständlich hätten sie auch mit deutlich niedrigeren Garantien kalkulieren dürfen.

Nun sind aber die Zinsen gefallen. Und das recht stark. Schon damals hätte ein Blick nach Japan gezeigt, dass derart niedrige Zinsen nicht nur theoretisch denkbar sind, sondern auch praktisch eintreten können. Wer mit hohen Zinsen kalkuliert, der muss eigentlich damit rechnen, dass das mal schiefgehen kann. Besonders, wenn man Verträge verkauft, die über viele Jahrzehnte laufen sollen.

Wenn sich die Versicherer also heute beklagen, dass an allem die Niedrigzinsphase Schuld sei, dann ist das eine Irreführung der Kundinnen und Kunden. Das Problem sind nicht die heute niedrigen Zinsen, sondern die damalige Kalkulation mit zu hohen Garantiezinsen. Es ist dringend an der Zeit, dass die Versicherungsbranche endlich zugibt, dass sie das Problem selbst verursacht hat.

...sie haben sich verkalkuliert

Noch einfacher runtergebrochen: Die Versicherer haben sich verkalkuliert. Und jetzt sollen die Kundinnen und Kunden dafür bezahlen, indem sie auf Überschüsse verzichten.

Und die Bürgerinnen und Bürger sollen womöglich auch dafür bezahlen, denn es droht eben eine neue Finanzkrise.

Denn was passiert denn, wenn in größerem Umfang die Unternehmen in eine Schieflage geraten? Dann gehen mehr und mehr Bestände in die Auffanggesellschaft Protektor. Und wenn der Protektor womöglich nicht ausreicht, um alles aufzunehmen, was aufgefangen werden muss? Dann kommt die Kreditanstalt für Wiederaufbau zum Zuge. Und das heißt: Der Steuerzahler muss bezahlen.

Das kann keiner wollen. Das wollen wir auch nicht. Deswegen stehen auch wir als Bund der Versicherten bereit, zu helfen und haben uns auch vehement für eine Lösung stark gemacht. Konkret: Wir machen mit, wenn es gilt, durch eine Änderung der Mechanik der Zinszusatzreserve das Schlimmste zu verhindern.

Aber es wäre fair, wenn endlich benannt wird, wer diese Krise verursacht hat. Nämlich die Versicherungsunternehmen, die sich verkalkuliert haben. Wer Fehler macht, der sollte dazu stehen, auch wenn es schmerzt. Es wäre für die Versicherungslobbyisten endlich Zeit, etwas Demut zu zeigen. Wer Deutschland an den Rand einer neuen Finanzkrise führt, dem steht Demut besser, als immer wieder neue Forderungen zu stellen.


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