Menu
Kleinleins Klartext

Vom brandenburgischen Kirschbaum nach Karlsruhe

Vom brandenburgischen Kirschbaum nach Karlsruhe

 13.01.2016  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Vor Gericht und auf hoher See sei man in Gottes Hand, so heißt es immer. Stimmt aber nicht. Auf hoher See sollte man sich auf den Kapitän verlassen und vor Gericht auf den Richter. Oder wie im Beispiel des Bundesgerichtshofs gleich auf mehrere Richter und deren Sachverstand.

So ging* es uns am 13. Januar. Sowohl wir, die Verbraucherschützer vom Bund der Versicherten (BdV) und der Verbraucherzentrale Hamburg, als auch die Kollegen von der Allianz Lebensversicherung harrten dessen, was die Richter entscheiden würden. Es war ein knochiger Weg um bis hierher zu kommen. Überraschenderweise mussten wir sogar der Allianz zur Seite springen und ihr helfen! Wie es dazu kam?

In einem kleinen brandenburgischen Städtchen

Begonnen hat das für mich alles in einem kleinen brandenburgischen Städtchen, Baruth. An einem lauen Frühlingstag lag ich unter einem Kirschbaum und beschäftigte mich mit der klassischen Allianz Riester-Rente. Dank Öko-Test war ich gemeinsam mit deren Expertin am Prüfen des umfangreichen Kleingedruckten*. Ich war damals nur ein einfaches Mitglied im Bund der Versicherten und verdiente mein Geld als unabhängiger Versicherungsmathematiker. Dass ich mal Vorstandssprecher des BdV werden würde, das konnte ich mir nicht ausmalen.

Ich war gerade damit beschäftigt viele Riester-Tarife unter die Lupe zu nehmen, unterstützte ich doch damals Öko-Test bei einer Untersuchung. Und dabei stieß ich zusammen mit der Öko-Test Expertin auf Seltsamkeiten bei eben jenem Allianz-Tarif. Vereinfacht und klar dargestellt: Irgendwie hatte sich die Allianz in den Kopf gesetzt eben nur solchen klassischen Riesterverträgen eine Kostenüberschussbeteiligung zu gewähren, bei denen das sich aus den Eigenbeiträgen bildende Garantiekapital zu Rentenbeginn auf mindestens 40.000 Euro belaufen sollte. (Alles klar?)

Das stand natürlich nicht so einfach klar und deutlich in den Unterlagen. Das mussten wir uns selbst erarbeiten, indem wir die Verbraucherinformationen, die Versicherungsbedingungen, die versicherungsmathematischen Grundsätze, den Geschäftsbericht und die Überschussbeteiligungsdeklaration mit den einschlägigen Fußnoten studierten. Insgesamt sieben Verweisen galt es zu folgen, um dieses Prinzip der Überschusskürzung zu verstehen.

Ignoranz statt Transparenz...

Transparent fand ich das nicht. Und auch die Kollegin bei Ökotest fand das intransparent, weswegen das dann auch in der Veröffentlichung scharf kritisiert wurde. Nützte aber nichts: Die Allianz reagierte nicht und schaffte keine Abhilfe. Ignoranz statt Transparenz?

Bei einem Vortrag für den Verein zur Förderung der Versicherungswissenschaften in Berlin griff ich ein paar Monate später diese Intransparenz dann erneut auf. Pikanterweise fand diese Veranstaltung auch in der Allianz-Botschaft am Brandenburger Tor statt. Auf dem Podium durfte ich dann auch mit Dr. Priebe diskutieren, einem hochrangigen Allianzler. Nützte aber nichts: Die Allianz reagierte nicht und schaffte keine Abhilfe. Ignoranz statt Transparenz?

Nur neun Tage später wurde ich dann zum Vorstandssprecher des BdV berufen. Und als solcher suchte ich dann auch bald das Gespräch mit anderen Verbraucherschützern. Zusammen mit der Verbraucherzentrale Hamburg beschlossen wir, dieses intransparente Verhalten der Allianz in Bezug auf die Kostenüberschüsse der klassischen Riester-Rente anzugehen.

Wir gewannen die erste Instanz in Stuttgart, dann auch die zweite und eigentlich wäre dann der Bundesgerichtshof, der BGH an der Reihe gewesen. Dumm nur, dass das Oberlandesgericht nicht wollte, dass die Allianz den BGH anruft. Und weil wir gewonnen hatten, konnten wir das nicht selber anstoßen. Wir wollten aber gerne, dass sich auch das oberste Gericht mit diesem Sachverhalt beschäftigt. Was also tun?

...führt zum BGH

Die Allianz beschwerte sich beim BGH. Und jetzt unterstützten wir sogar die Allianz mit der Beschwerde. Seite an Seite (!) machten sich Allianz und BdV dafür stark, dass nun die obersten Richter entscheiden dürfen. Ob unsere Unterstützung ausschlaggebend war, das weiß ich nicht. Geschadet hat es sicher nicht.

Es war ein langer Weg vom Kirschbaum in Brandenburg bis nach Karlsruhe. Drei Damen und zwei Herren haben entschieden. Die Verhandlung ist gelaufen. Wir haben gewonnen.  Ein Riesenerfolg für den Verbraucherschutz, für die Kollegen bei Öko-Test, für die Kollegen in der Verbraucherzentrale Hamburg und natürlich auch für uns, den Bund der Versicherten. Ob wir uns jetzt ruhig zurücklehnen? Nein, denn es gibt noch genug andere Seltsamkeiten in der Versicherungswelt...


* Es gab ein paar Änderungen in dieser Kolumne, denn in der ursprünglichen Fassung kannte ich das Urteil noch nicht und es wurde nicht genügend deutlich, dass Öko-Test den Stein 2011 ins Rollen gebracht hat.


Eigenen Kommentar abgeben
Name (Sie dürfen auch ein Pseudonym angeben)
E-Mail* (wird nicht veröffentlicht)
Ihr Kommentar*
 

Mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.

Mit Absenden eines Kommentars erklären Sie sich mit den rechtlichen Hinweisen und den Kommentarrichtlinien einverstanden.