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Kleinleins Klartext

Warum Felix Hufeld und Olaf Scholz zurücktreten sollten oder warum die „Missstandsaufsicht“ selbst ein Missstand ist

Warum Felix Hufeld und Olaf Scholz zurücktreten sollten oder warum die „Missstandsaufsicht“ selbst ein Missstand ist

 22.07.2020  Kleinleins Klartext  2 Kommentare  Axel Kleinlein

 

Felix Hufeld ist Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Deren Hauptziel ist es, „ein funktionsfähiges, stabiles und integres deutsches Finanzsystem zu gewährleisten. Bankkunden, Versicherte und Anleger sollen dem Finanzsystem vertrauen können“, so steht es zumindest auf der offiziellen Page der BaFin.

In einem offenen Brief an unseren Bundesfinanzminister hat nun die Bürgerbewegung Finanzwende den Rücktritt von Hufeld gefordert. Gerhard Schick und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der Bürgerbewegung werfen der BaFin vor, zum Beispiel beim Wirecard-Skandal, der Hypo-Real-Estate-Pleite oder dem Cum-Ex-Steuerbetrug ihrer Aufgabe (freundlich gesprochen) nicht gut genug nachgekommen zu sein.

Ich würde diese Liste um die folgenden Punkte ergänzen: Die BaFin hat versagt, zu verhindern, dass Versicherten bei ihren Lebensversicherungen mittlerweile mehr als 100 Milliarden Euro an Überschüssen vorenthalten werden. Auch hat sie bei Pensionskassen in Schieflage zu spät reagiert und angesichts kolossaler Kalkulationsfehler bei Lebens- und Rentenversicherungen sowie Riester- und Rürup-Renten keine vernünftigen Maßnahmen ergriffen…Das alles reicht eigentlich aus, dass politische Konsequenzen gezogen werden müssten.

Politische Konsequenzen

Politische Konsequenzen heißt üblicherweise, dass jemand seinen Hut nehmen muss, aus seinem Job geschmissen wird oder zumindest freiwillig geht. Natürlich ist Herr Hufeld der Erste, der dabei ins Visier gerät. Als Präsident der BaFin und damit auch politischer Kopf der Aufsichtsbehörde ist er anscheinend der Richtige für einen solchen Schritt.

Anscheinend? Warum ich Felix Hufeld erst einmal in Schutz nehme…

Wenn jemand zurücktreten soll, weil er politische Verantwortung trägt, dann muss er natürlich auch politische Werkzeuge haben, mit denen er hätte arbeiten können. Und hier wird es knifflig. Denn die BaFin versteht sich selbst als „Missstandsaufsicht“. Sie orientiert sich also erst einmal daran, dass Missstände verhindert werden sollen oder dann beseitigt gehören. Sie kommt tendenziell erst dann in Bewegung, wenn sich schon abzeichnet, dass ein Missstand auftreten könnte oder sogar erst, wenn der Missstand schon eingetreten ist.

Missstandsaufsicht...

Konsequent wird Hufeld also bei der „Missstandsaufsicht“ erst dann tätig, wenn 1,9 Milliarden verloren gegangen sind, wenn jemand die Gesetze schon erfolgreich zu Lasten der Steuerzahlerinnen und -zahler gebogen hat oder wenn sich die Versicherer längst verkalkuliert haben und deswegen in die Taschen der Kund*innen greifen. Der Beamtenapparat der BaFin kommt also erst in Schwung, wenn der „Missstand“ schon eingetreten ist.

Dann kann eine Aufsicht aber auch nicht mehr viel ausrichten. Denn dann ist das Geld schon verschwunden (oder hat neue Besitzer*innen gefunden), die Steuerbescheide sind womöglich bestandskräftig und die Versicherten müssen sich mit einer bescheidenen Altersvorsorge abfinden. Eine Feuerwehr, die so arbeiten würde, würde erst dann anfangen zu löschen, wenn die Flammen schon in den Himmel schlagen.

...funktioniert nicht richtig

Eine solche Missstandsaufsicht funktioniert nicht richtig: Beispiel überzogene Provisionen

Ein Beispiel, wie die Flammen hochschlugen und die Aufsicht nicht gelöscht hat: Über Jahre mussten wir alle beobachten, wie in der privaten Krankenversicherung (PKV) überhöhte Provisionen an Vermittler gezahlt wurden. Die Branche hat das selbst nicht in den Griff bekommen. Und auch die BaFin war untätig und unfähig, eine Lösung zu finden. Am Schluss musste dann der Bundestag in einem Gesetz eine Provisionsobergrenze festlegen. Es gab also offensichtlich keine andere Handlungsmöglichkeit mehr, der Gier der Vermittler Herr zu werden.

Daraus hat aber keiner gelernt. Sind bei der PKV mittels Gesetz nun die Provision begrenzt, ist bei Lebens- und Rentenversicherungen, Riester- und Rürup-Renten noch immer keine Lösung in Sicht. Es bedarf vermutlich auch hier erst eines gigantischen Skandals, damit Bewegung in die Diskussion kommt. Und die BaFin zeichnet sich dadurch aus, nichts zu tun, die Diskussion zu verschleppen und sich im Zweifelsfall immer wieder auf die „Missstandsaufsicht“ als Ausrede zurückzuziehen.

Und hier müsste Herr Hufeld gewahr werden, dass das so nicht klappt und immer wieder zu Problemen führen wird. Denn wenn man immer wieder auf den großen Skandal wartet, um dann den schwarzen Peter an den Gesetzgeber spielt, dann sind die Kollateralschäden bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern enorm. Da wandern Milliarden in die falschen Taschen.

Eigentlich sollten Felix Hufeld und Olaf Scholz gehen

Die BaFin hat also über den Begriff der „Missstandsaufsicht“ immer wieder eine Ausrede parat, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Daher ist die „Missstandsaufsicht“ selbst ein großer Missstand! Deshalb sollten gerade auch diejenigen Verantwortung übernehmen, die diese Ausrede erst möglich machen.

Und wer trägt die politische Verantwortung für dieses Aufsichtssystem? Das ist das Bundesfinanzministerium (BMF), dem die BaFin unterstellt ist. Der oberste Chef des BMF ist Olaf Scholz. Und der hält sich sehr zurück, wenn es darum geht, angesichts der vielen Finanzskandale Verantwortung zu übernehmen. Herr Hufeld sollte also dringend als Mahner gegenüber Scholz ein Ende dieses Systems der „Missstandsaufsicht“ einfordern. Ich befürchte aber, dass er das nicht tun wird. Zumindest zeigt er keine Tendenzen, eine solche Forderung zu vertreten.

Deswegen bleibt eigentlich nur eine Forderung: Hufeld und Scholz müssen den Rücken gerade machen und durch Rücktritte deutlich machen, dass sie die Lage so ernst nehmen, wie sie sich für die Verbraucherinnen und Verbraucher darstellt. Millionen von Bürgern verlieren Geld, verlieren Altersvorsorge und nebenbei den Glauben an eine faire Finanzwirtschaft. Durch ihre Rücktritte könnten Hufeld und Scholz deutlich machen, dass sich endlich etwas ändern muss.

Noch ist es ruhig...

Noch ist es relativ ruhig. Noch ist kein Versicherer insolvent. Noch sind die Folgen der Corona-Krise nicht vollständig in der Finanzwirtschaft angekommen. Das wird aber passieren. Und dann brauchen wir verantwortungsbewusste Entscheiderinnen und Entscheider an den Spitzen von BMF und BaFin.

PS: Übrigens wäre es an der Zeit, dass auch in einigen Versicherungen die Managerinnen und Manager Verantwortung übernehmen und gehen. Schließlich zeigt die Solvenzsituation, dass wir bald Unternehmen mit sehr ernsten Solvenzproblemen sehen werden.


Kommentare
Kommentar von Axel Kleinlein  am  24.09.2020 09:35
Lieber Andi,
ich habe dir in meinem neuesten Blogbeitrag auf ein paar deiner Fragen geantwortet (s.u.).
LG
Axel Kleinlein
https://www.bdv-blog.de/kleinleins-klartext/leider-kein-quatsch-noch-nie-hat-sich-eine-branche-so-dermassen-brutal-verkalkuliert-wie-die-deutschen-lebensversicherer.html
Kommentar von Andi  am  18.09.2020 14:37
Der Quatsch von angeblich 100 Milliarden den Kunden vorenthaltenen Überschüssen ist reine Phantasie von Herrn Kleinlein, es handelt sich um Beträge, die für die Darstellung von Garantiezinsen an Kunden verwendet wurden, damit diese noch auf Jahrzehnte hinaus Zinsen von bis zu 4% und damit weit über den aktuell bei jeder Bank verfügbaren Konditionen erhalten - eine riesige Erfolgsgeschichte für jeden, der eine Lebensversicherung besitzt! Von Missstand keine Spur! Es gibt keine Kalkulationsfehler...

Warum eine BaFin für Cum-Ex zuständig sein soll wenn es der Staat fahrlässig versäumt, sich bei einer Rückzahlung von Steuer auch belegen zu lassen, dass diese tatsächlich von dem auch abgeführt wurde, der sie zurück will? Keine Ahnung, das fällt in die Verantwortung der Finanzämter und des Gesetzgebers!

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