Es gibt Reflexe im Kleinen - wenn sich die Versicherungsbranche mit Verbraucherschützern auseinandersetzt. Dieselben Reflexe gibt es aber auch im Großen - zuweilen auf der Ebene der internationalen Politik. Herr Erdogan gab gerade kürzlich ein brillantes Beispiel solchen Verhaltens, das ich ansonsten eher aus Gesprächen mit bestimmten ausländischen Versicherern und deren Vermittlern kenne.

Es gibt Länder in der EU (und auch sehr in der Nähe der EU), in denen Versicherungsunternehmen ansässig sind, die mit besonders „kreativen“ Versicherungslösungen unterwegs sind – oft hochgradig intransparent und nicht gut für die Kunden. Diese Anbieter nutzen die „Aufsichts-Arbitrage“, d.h. sie ziehen Vorteile daraus, dass deren heimische Versicherungsaufsicht und das zugehörige Recht in diesen Ländern etwas laxer sind als zum Beispiel in Deutschland.

Das hindert uns aber nicht, auch solche Unternehmen aus Verbrauchersicht anzugreifen. Oft werden ja deren Produkte von pfiffigen Vertretern auch in Deutschland vertrieben. Und auch wenn Deutschland kaum betroffen ist, ist das trotzdem für uns von Interesse. Schließlich sind wir ja mittlerweile auch in der restlichen EU mehr und mehr aktiv.

Tiraden statt Diskurs

Die Empörung aus dem Ausland ist dann aber oft groß. „Was erdreisten Sie sich, uns anzugreifen? Sie sind doch eine Deutsche Organisation!“. So oder so ähnlich hören sich die Beschimpfungen dann an. Es wird weiter gegiftet: „Wer sind Sie denn? Weder wir noch unsere Kunden sind doch Mitglied im BdV!“

Beirren lassen wir uns davon natürlich nicht. Es ist gut, dass wir als Verbraucherorganisation in Deutschland und Europa das Recht auf Meinungsfreiheit haben und uns trotz derartiger Tiraden auch gegen diese Versicherer positionieren können.

Ein ähnliches Verhalten zeigte seltsamerweise jüngst auch der türkische Staatschef. Natürlich nicht gegenüber dem BdV. Ziel der Tirade war eine Rating-Agentur, Standard and Poor’s (S&P). Das ist eine Institution, die sich eher einem Teilgebiet der Finanzwelt widmet als allgemein politisch zu agitieren. In deren Arbeit kamen die Experten von S&P nun mal angesichts der Entwicklungen in der Türkei zu dem Ergebnis, dass ein Downgrading der Türkei richtig wäre. Das macht es für Erdogan etwas schwieriger in seiner Wirtschaftspolitik.

Ähnlich wie wir also Kritik an einem Versicherer üben, machte die Rating-Agentur deutlich, dass sie die türkische Entwicklung skeptisch sieht. Bei Herrn Erdogan zeigte sich dann der von uns schon beobachtete Reflex. Anstatt sich mit der Kritik konstruktiv auseinanderzusetzen oder zumindest sachlich damit umzugehen, äußert er laut ZEIT eine Tirade gegen S&P: „Wir sind doch gar nicht dein Mitglied, was geht es dich an, wer bist du denn?"

Man muss wissen, dass es keine „Mitglieder“ bei S&P gibt. Solche Ratingagenturen bewerten Länder und Unternehmen auch dann, wenn die es womöglich gar nicht wollen. Das ist eben so bei solchen Ratingagenturen. Und S&P gehört nicht unbedingt zu den Agenturen, denen man üblicherweise stark politisch tendenziöses Verhalten vorwirft. Dennoch empörte sich Erdogan in solch harscher Form.

Kritik und Verbraucherschutz

Den Sinn derartiger Tiraden haben wir im Konflikt mit den Versicherern schon entschlüsseln können! Deren Versicherungsmanager oder Vermittler wollen sich eben keiner Diskussion stellen. Sie versuchen stattdessen mit hanebüchenen Argumenten so zu tun, als gäbe es eine Welt ohne kritischen Verbraucherschutz.

Stimmt aber nicht.

Denn es gibt uns und viele andere, die mit kritischem Blick das Tun und Treiben der Versicherer und der Politik beäugen. Egal ob jemand Mitglied ist oder nicht – wir erlauben es uns, Kritik zu üben - das ist uns erlaubt, auch wenn das manchen Versicherer erbost. Der wäre dann besser beraten, sich einer sachlichen Diskussion zu stellen als nur zu poltern.

PS: Unsere Mitglieder sind uns natürlich sehr wichtig und lieb. Und wenn ein Mitglied Probleme mit einem Versicherer hat, dann helfen wir. Egal ob der Versicherer das will oder nicht.