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Kleinleins Klartext

Wie ein fränkischer Vorstand die EZB für das Versagen der Lebensversicherung verantwortlich machen will

Wie ein fränkischer Vorstand die EZB für das Versagen der Lebensversicherung verantwortlich machen will

 21.08.2019  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Es ist schon ein starkes Stück, mit welcher perfiden Denke sich manche deutschen Lebensversicherer aus ihrer Verantwortung stehlen wollen. In einem Interview mit dem Handelsblatt erklärte vor Kurzem zum Beispiel Dr. Armin Zitzmann, Vorstandschef der Nürnberger Versicherung, unter anderem:

„… die EZB torpediert das private Altersvorsorgesystem der Versicherten.“

In einem ersten Impuls hätte ich fast darüber hinweggelesen. Das klingt schon viel zu vertraut in dieser Niedrigzinszeit, in der sowieso immer wieder über die EZB geschimpft wird. Was Herr Dr. Zitzmann da aber sagt, das ist etwas Anderes. Dazu muss man das Zitat aber etwas genauer untersuchen.

Da ist die Rede vom „privaten Altersvorsorgesystem der Versicherten“. Was soll das sein? Was meint er mit einem „Altersvorsorgesystem“?

Drei Säulen der Altersvorsorge?

Ich weiß ja, dass sich üblicherweise in Deutschland die Altersvorsorge nach den drei Säulen bildet: gesetzliche Rente, betriebliche Vorsorge und private Vorsorge. Wenn Herr Dr. Zitzmann nun von einem „privaten“ System spricht, dann kann er wohl nur die dritte Säule meinen.

In der dritten Säule kann man sich das Ansparen fürs Alter mit sehr unterschiedlichen Produkten vorstellen. Aber Herr Dr. Zitzmann spricht ja ausdrücklich von „Versicherten“. Es geht also dann nur um solche Personen, die in der dritten Säule mittels eines Lebensversicherungsvertrages sparen.

Wenn in dem Interview also die Rede vom „privaten Altersvorsorgesystem der Versicherten“ die Rede ist, dann sind ganz profan die Lebensversicherungsverträge gemeint. Da hätte er sich im Interview schon etwas einfacher ausdrücken können.

Jetzt klingt der Vorwurf an die EZB schon etwas anders:

„… die EZB torpediert die Lebensversicherungsverträge der Versicherten.“

Jetzt komme ich noch mehr ins Grübeln und gehe etwas weiter in der Interview-Exegese. Ich schaue mir jetzt das Verb an, mit dem das Tun der EZB beschrieben wird. Es ist die Rede vom „Torpedieren“.

Einen Torpedo abzufeuern ist eine ziemlich fiese Sache. Üblicherweise hat der Gegner keine Ahnung davon, dass gerade ein mit Torpedos bestücktes U-Boot unterwegs ist. Das arme Opfer wird also von dem bösartigen Tun des Torpedierers überrascht. Die Zerstörung durch einen Torpedo ist katastrophal. Das Schiff wird untergehen, die Besatzung vermutlich ertrinken.

Per Torpedo auf die Lebensversicherer

Und genau dieser Eindruck soll hier wohl auch vermittelt werden. Die böse EZB schwingt sich auf, die Lebensversicherungsverträge zu zerstören. Ohne Gnade, ohne Warnung macht sich die EZB auf, hinterrücks die Altersvorsorge der deutschen Versicherten zu vernichten.

Was bedeutet es, einen Lebensversicherungsvertrag zu vernichten? Da es ja um Geld geht, bedeutet das letztlich nichts anderes, als den Vertrag wertlos zu machen. Jetzt kann die Bedeutung des Ursprungszitats noch klarer gefasst werden. Denn jetzt heißt es:

„… die EZB entwertet hinterrücks die Lebensversicherungsverträge der Versicherten.“

Das Zitat Herrn Dr. Zitzmanns erweckt also den Anschein, dass die EZB die Täterin wäre und die Versicherten die Opfer. Und auch, dass das Dilemma überraschend wäre, in das wir geraten sind.

Jetzt kommt die große inhaltliche Frage: Kann die EZB einfach so gezielt Verträge entwerten? Und kam das wirklich so überraschend? Die Antworten auf diese Fragen sind ganz einfach: Nein und Nein.

Nein, die EZB kann nicht einfach so mal Verträge entwerten. Das kann sie nicht und darf sie auch nicht. Sie kann nur die Zinsen senken oder erhöhen – nicht mehr. Wenn das Geschäftsmodell der Lebensversicherer aber nun mal so massiv von der Zinspolitik der EZB abhängig ist, dann kann die EZB nichts dafür. Dann ist das ein Problem der Versicherer, die ein derart idiotisches Geschäftsmodell betreiben.

Und Nein, überraschend kam es nicht, dass dieses Geschäftsmodell der Versicherer stark von der Politik der EZB anhängig ist. In Japan gingen schon früher Lebensversicherer pleite, weil sie ganz genauso blindlings auf die Zinsmärkte vertrauten. Es war nur eine Frage der Zeit, wann so etwas auch in Europa passiert.

Täter: die Versicherer!

Nein, die Täterin ist nicht die EZB, die Täter sind die Versicherer, die mit einem idiotischen Geschäftsmodell Milliarden einkassiert haben und die Versicherten einfach den Launen der EZB ausgeliefert haben. Die Versicherer haben sich auf ein idiotisches Geschäftsmodell verlassen, das sie jetzt nicht mehr im Griff haben.

Die Versicherer haben Fehler gemacht. Sie haben sich mit viel zu hohen Garantiezinsen verkalkuliert. Sie verfolgen ein Geschäftsmodell, das nur funktioniert, wenn die EZB mitspielt. Und die Versicherer haben nicht den Mumm, für ihre Fehler gerade zu stehen. Und um das zu verschleiern, ist es eben einfacher zu behaupten, dass die EZB das private Altersvorsorgesystem der Versicherten torpedieren würde.

Nur dumm, dass diese Verschleierungstaktik nichts nützt. Denn die Versicherten haben ihren Vertrag mit den Versicherungsunternehmen geschlossen – und nicht mit der EZB. Das lässt Herr Dr. Zitzmann aber wohlweißlich unter den Tisch fallen.

 

PS: Ein paar werden jetzt schimpfen, dass das nicht OK ist, die Aussagen aus einem Interview so derart auf die Goldwaage zu legen. Ich kenne das selber auch sehr gut, auch das, was ich schreibe, wird immer wieder genau geprüft.

 

Das Originalinterview findet sich hier (leider nur gegen Bezahlung):

https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/vorstandschef-der-nuernberger-versicherung-armin-zitzmann-das-schlimmste-fuer-die-sparer-kommt-noch/24902490.html

Weitere Infos zum Interview gibt s zum Beispiel hier:

https://www.versicherungsbote.de/id/4883409/Nuernberger-Zitzmann-Verfassung-EZB-Niedrigzins/