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Versicherungen verstehen

Der Brexit, das Erasmus-Programm und die studentische Krankenversicherung

Der Brexit, das Erasmus-Programm und die studentische Krankenversicherung

 21.11.2019  Versicherungen verstehen  0 Kommentare  Julia Alice Böhne

Stell Dir vor es ist Brexit und keiner geht. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland haben im März 2017 offiziell den Austritt aus der Europäischen Union (EU) erklärt – seitdem wurde er regelmäßig verschoben. Nun soll es bis zum 31. Januar 2020 klappen. Ob mit oder ohne Deal ist ungewiss. 

© PublicDomainPictures / Pixabay

Diese Ungewissheit bekommen auch deutsche Erasmus-Studierende zu spüren, die dort ein Auslandssemester planen – auch im Hinblick auf ihre Absicherung im Krankheitsfall. Hier gehen wir auf die möglichen Szenarien für gesetzlich versicherte Studierende ein.

Mit dem EU-Förderprogramm Erasmus können eingeschriebene Studierende für drei bis zwölf Monate an einer ausländischen Hochschule studieren. Dabei erhalten sie verschiedene Vergünstigungen sowie finanzielle Unterstützung. Großbritannien gehörte bisher zu den beliebtesten Zielen der Studierenden. Durch den Brexit könnte sich das ändern. Denn viele interessierte Studierende sind darüber verunsichert, ob sie ein Auslandssemester auch im Falle des Brexits beginnen beziehungsweise fortsetzen können.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat die Folgen der beiden möglichen Austrittsszenarien für das Förderprogramm skizziert. Demnach greift für Erasmus eine Übergangslösung, falls Großbritannien das Austrittsabkommen vor dem 31. Januar 2020 annimmt. Laut DAAD ändert sich nichts bis zum Ende der aktuellen Programmgeneration - also einschließlich Aufruf 2020 mit Laufzeit bis 2022. Für die folgende Programmgeneration (2021 bis 2027) würde eine ständige Lösung für den Zeitraum nach der Übergangslösung entwickelt. Im Falle eines No-deal-Brexit, also falls Großbritannien das Abkommen vor dem 31. Januar 2020 nicht annimmt, würden alle Lernaufenthalte bis zu ihrem jeweiligen Ende gefördert, die spätestens an diesem Tag physisch vor Ort begonnen wurden.

Deal...

Unklar sind vielen austauschwilligen Studierenden auch die Folgen eines Austritts für die eigene Krankenversicherung. Für Studierende in der privaten Krankenversicherung (PKV) sollte der Brexit keine Auswirkungen auf ihren Versicherungsschutz haben, da dieser zeitlich unbegrenzt in allen Ländern Europas gilt – nicht nur in Ländern der europäischen Union. Die privat krankenversicherten Studierenden sollten sich allerdings an ihr Versicherungsunternehmen wenden, um die genauen Leistungen zu erfragen. Gesetzlich versicherte Erasmus-Studierende aus Deutschland blieben bisher auch während ihres Auslandssemesters in Großbritannien oder Nordirland bei ihrer Krankenkasse versichert und hatten Anspruch auf die gesetzlichen Krankenversicherungsleistungen des Studienlandes. Denn Studierende, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, bleiben das auch im Ausland. Zumindest solange sie an einer deutschen Hochschule immatrikuliert sind oder wenn sie statt in Deutschland ausschließlich an einer Hochschule in der EU, in der Schweiz, in Island, Liechtenstein oder Norwegen immatrikuliert sind und ihren Hauptwohnsitz weiter in Deutschland behalten.

Das Austrittsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sieht eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 vor, in der die bisher geltenden Verordnungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit weiter Anwendung finden sollen. Zumindest bis zum Ende dieser Übergangsphase würde sich also an der bestehenden Regelung nichts ändern.

…or no Deal?

Kommt es zu einem ungeregelten Brexit, würde nach dem Austritt eventuell das deutsch-britische Sozialversicherungsabkommen vom 20. April 1960 wieder anzuwenden sein. Es ist nicht deckungsgleich mit den genannten europäischen Verordnungen, daher hat der Bundesgesetzgeber ergänzend ein Übergangsgesetz verabschiedet, um Rechtssicherheit für Betroffene zu schaffen. Im „Gesetz zu Übergangsregelungen in den Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeit nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union“ sind in § 7a Sonderregelungen für Studierende festgehalten. Demnach bleiben Personen, die am Tag vor dem Tag des Austritts an einer Hochschule im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland eingeschrieben sind (…), in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig, solange sie an der genannten Hochschule eingeschrieben sind.

Falls das Sozialversicherungsabkommen von 1960 nicht anwendbar sein sollte, ist das Vereinigte Königreich jedoch ab dem Tag nach dem Austritt als Staat zu betrachten, mit dem kein Sozialversicherungsabkommen besteht. Gesetzlich versicherte Studierende hätten dann überhaupt keinen Krankenversicherungsschutz. Studierende, die ein Auslandssemester im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland planen, sollten sich daher am besten an ihre Krankenkasse wenden, um zu erfahren, mit welchen Leistungen sie in den verschiedenen Szenarien rechnen können.

Auslandsreisekrankenversicherung immer empfehlenswert

Auf der sicheren Seite sind Studierende, die für die Dauer ihres Auslandsaufenthalts eine spezielle Auslandsreisekrankenversicherung abgeschlossen haben. Der Beitrag für diese Auslandsreisekrankenversicherung hängt unter anderem von der Dauer der Reise, dem Reiseziel, dem Alter der versicherten Person sowie dem Leistungsumfang des jeweiligen Tarifs ab. Sie ist selbst dann für gesetzlich Krankenversicherte dringend zu empfehlen, wenn zwischen Deutschland und dem Reiseland ein Sozialversicherungsabkommen besteht. Denn der Rücktransport einer kranken oder verletzten Person wird beispielsweise nie von einer Krankenkasse übernommen. Mehr dazu im BdV-Infoblatt "Reisen".

Übrigens: Auch für diejenigen Studierenden, die in einer PKV versichert sind, ist der Abschluss dieser Versicherung zu empfehlen.


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