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Die Kids brauchen bestimmt eine Spange – wann ist eine Zahnzusatzversicherung sinnvoll?

Die Kids brauchen bestimmt eine Spange – wann ist eine Zahnzusatzversicherung sinnvoll?

 09.09.2021  Versicherungen verstehen  0 Kommentare  Tina Schönig

Ich erinnere mich noch ziemlich gut daran, wie ich damals beim Kieferorthopäden auf dem Behandlungsstuhl saß. Ich hatte einen ordentlichen Überbiss, der mich immer mehr störte und es zeichnete sich ab, dass sich meine Schneidezähne übereinander schieben. Der Arzt bestätigte meine simple Eigendiagnose und fügte hinzu „hier ist allgemein zu wenig Platz im Kiefer – da müssten wir oben zwei Zähne ziehen. Und das wäre doch wirklich extrem schade. Also ich würde das so lassen, das hat doch Charakter!“

© Jenna Tyson/Unsplash


Der – äh – “Charakter“ störte mich anschließend 20 Jahre lang, wann immer ich lachte, bis ich mir schließlich doch noch in Privatleistung die Zähne für 5.000 Euro richten ließ.

Meinen Kindern sollte es in dieser Hinsicht natürlich besser ergehen. Als ich meiner Kieferorthopädin von meinen beiden Jungs (7 und 11 Jahre alt) erzählte, sagte sie, ich solle unbedingt eine Zahnzusatzversicherung abschließen, bevor ich mit ihnen vorbeikomme.

Kieferorthopädische Indikationsgruppen

Dies hat folgenden Hintergrund: Seit 2002 sind Zahnstellungen in fünf Schweregrade eingeteilt, die sogenannten Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG). Die Krankenkasse zahlt für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre nur bei KIG 3, 4 und 5 (und für Erwachsene grundsätzlich gar nicht – außer es liegt eine schwere Kieferanomalie vor). Während der Behandlungszeit müssen Eltern einen Eigenanteil von 20% selbst bezahlen (beim zweiten Kind nur noch 10%). Nach erfolgreicher Behandlung wird dieser Eigenanteil dann von der Kasse ebenfalls erstattet. Fällt die Diagnose jedoch in KIG 1 oder 2 müssen Eltern die Behandlung aus eigener Tasche stemmen (um mal beim Beispiel Überbiss zu bleiben: in KIG 2 sprechen wir immerhin von 3 mm bis max. 6 mm, die die Schneidezähne hier hervorragen). Für diesen Fall, oder wenn man andere Leistungen in Anspruch nehmen möchte, die aus medizinischer Sicht nicht notwendig sind, das Tragen der Spange aus kosmetischer Sicht aber angenehmer machen können – wie durchsichtige Brackets, innen liegende Bögen, usw. – kann man prüfen, ob es sinnvoll ist, eine Zahnzusatzversicherung abzuschließen. Das Knifflige dabei: So eine Versicherung kann man nicht abschließen, wenn man bereits beim Kieferorthopäden seines Vertrauens zur Diagnose vorstellig geworden ist, sondern nur vorab. Denn bei Zahnfehlstellungen, die bereits vor dem Vertragsabschluss ärztlich diagnostiziert sind, zahlt der Versicherer in der Regel nicht.

Was bieten private Zahnzusatztarife?

Mein Mann und ich haben also für unsere Jungs eine Zahnzusatzversicherung abgeschlossen. Was bieten private Zahnzusatztarife für diese Bereiche? Eine leistungsstarke Zahnzusatzversicherung erstattet für KIG 1-2 mindestens 90% der Behandlungskosten. Eine Summenbegrenzung der Tarifleistungen nach den ersten vier Versicherungsjahren unterschreitet nicht 5.000 Euro. Immerhin liegen die durchschnittlichen Kosten für eine KIG 2-Behandlung bei genau diesem Wert – es können aber durchaus auch bis zu 8.000 Euro Behandlungskosten anfallen (die durchschnittliche Behandlungsdauer liegt bei drei bis vier Jahren). Die meisten Zahnzusatzversicherungen bieten auch noch zusätzliche Leistungen, die ggf. sinnvoll, aber kostentechnisch eher zu vernachlässigen sind, wie bspw. eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung.

Der Tarif, den wir uns damals aussuchten (ich war übrigens zu der Zeit noch nicht beim BdV), kostet für jedes Kind 243,48 Euro Jahresprämie, ab dem 16. bis einschließlich 20. Lebensjahr 267 Euro pro Jahr (da der Tarif ohne Alterungsrückstellungen kalkuliert ist und in festgelegten Zeitabständen regelmäßig Prämiensteigerungen vorsieht). Er bietet in KIG 1-2 (also ohne die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung) 90% Kostenerstattungen der Leistungen, hat aber die ersten 5 Jahre Summenbegrenzungen. In KIG 3-5 werden ebenfalls 90% erstattet (von Leistungen die über das medizinisch Notwendige hinausgehen), aber mit einer maximalen Leistung von 2.000 Euro über die gesamte Vertragslaufzeit.

Mit unserem kleinen Sohnemann ging ich bald darauf zur Kieferorthopädin, denn seine Zähne sahen tendenziell stärker nach Wildwuchs aus, als die von unserem Großen. Die Diagnose der Ärztin war: ja, da müsse man bestimmt mal was machen, aber erst, wenn alle bleibenden Zähne da sind. Bei dem Großen waren die bleibenden Zähne erst alle da, als er gerade seinen 13. Geburtstag gefeiert hatte. Die Ärztin sagte zu meiner Überraschung allerdings, hier wäre es besser gewesen, schon früher zu kommen, dann hätte man den Kiefer einfacher korrigieren können. Nun bekommt er tatsächlich eine Zahnspange, denn er wurde in KIG 3 eingestuft. Die Kosten übernimmt also die GKV – 80% sofort, die verbleibenden 20% werden erst nach erfolgreicher Behandlung erstattet.

Unsere bisherige Bilanz der Zahnzusatzversicherung

Die bisherige Bilanz der Zahnzusatzversicherung für unsere Jungs sieht eher mau für uns aus: für beide haben wir seit dem 1. März 2019, bis zum August dieses Jahres jeweils 588,41 Euro an Beiträgen gezahlt. Der Große hat einmal eine professionelle Zahnreinigung für 80 Euro in Anspruch genommen und erstattet bekommen – eigentlich wären zwei pro Jahr drin, pauschal für 100 Euro. Haben wir leider nicht geschafft, bei all den Terminen im Alltagswahnsinn.
Nun, da die Krankenkasse zahlt, müssen wir uns überlegen, ob die durchsichtigen Brackets, oder innen liegende Bögen es uns wert wären, die Versicherung zu behalten. In jedem Fall fragen wir bei der Ärztin nach dem bei der Krankenkasse eingereichten Behandlungsplan, um einen Überblick über die Leistungen und Kosten zu haben.
Was den Kleinen betrifft – wenn er auch erst dreizehn werden muss, bis sich herausstellt, ob und wie behandlungsbedürftig er ist, hätten wir bis dahin schon fast 1.400 Euro an Beiträgen bezahlt. Dafür könnte man mehrere, ziemlich tolle Geburtstagspartys schmeißen.

Vielleicht sind meinen Jungs perfekte Zähne gar nicht so wichtig wie mir? Zudem ist auch der Nutzen solcher kieferorthopädischen Behandlungen nicht unumstritten.

Zahnzusatzversicherungen zählen nicht zu den wichtigen Versicherungen

Fazit: Zahnzusatzversicherungen für Kinder zählen weder zu den wichtigsten Versicherungen (wie z. B. Privathaftpflicht - und Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsversicherung) noch zu den wichtigen Versicherungen (wie z. B. Kinderinvaliditätsversicherung/Unfallversicherung für Kinder mit Rentenleistung), sondern zu den grundsätzlich weniger wichtigen bis unwichtigen Versicherungen. Im KFO-Bereich kann eine Zahnzusatzversicherung in bestimmten Einzelfällen hilfreich sein, wenn in KIG 2 umfangreich geleistet wird. Das heißt, wenn sich eine Zahnfehlstellung ergibt, die behandelt werden sollte, das Ausmaß jedoch nicht für die Übernahme der Kosten durch die GKV reicht. Jedoch ist der Gesundheitszustand beim Abschluss entscheidend, eine Versicherung sollte also abgeschlossen werden, bevor ärztlicherseits eine behandlungsbedürftige Fehlstellung festgestellt wird. Somit kommen, durch die Zeit bis zur Diagnose/KIG-Einstufung, plus die Behandlungsdauer, meist lange Zeiträume zustande, in denen Prämien gezahlt werden. Ob es einem das wert ist, für diesen Versicherungsschutz zu bezahlen, muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Insbesondere, wenn man auch aus Rücklagen die Behandlungskosten finanzieren kann, indem man statt der Prämienzahlungen ein Sparkonto für solche Fälle anlegt. Dies erfordert eine strenge Spardisziplin, aber dafür kann man dann das Geld anderweitig verwenden, wenn doch nichts passiert. Bezüglich Zahnzusatzversicherungen für Erwachsene gilt Ähnliches. Der BdV erklärt in einem Infoblatt, worauf geachtet werden sollte.


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