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Versicherungen verstehen

Elektronikversicherungen und Garantieverlängerungen auf den Zahn gefühlt

Elektronikversicherungen und Garantieverlängerungen auf den Zahn gefühlt

 03.09.2020  Versicherungen verstehen  0 Kommentare  Claudia Frenz

Vor Kurzem habe ich mir in einem großen Elektronikmarkt eine elektrische Zahnbürste gekauft. Und während ich noch vor dem Regal stand, um mich zwischen zwei Modellen zu entscheiden, stand auch schon eine freundliche Verkäuferin neben mir, die mich geschickt in ein Verkaufsgespräch verwickelte.

 

© Tania Van den Berghen / Pixabay

Dass ich eine gute Wahl getroffen hätte, wie die Verkäuferin sagte, wusste ich selbst, denn das Vorgängermodell hatte viele Jahre gute Dienste getan. Für den hohen Preis sollte das eigentlich selbstverständlich sein. Dennoch verwies die Verkäuferin sogleich auf eine PlusGarantie, die ich für 19,90 Euro dazu erwerben könne. Laut ihr eine tolle Sache, denn falls der Akku nach kurzer Zeit nicht mehr rund liefe, würde ich ganz einfach ein neues Gerät bekommen. Das sei ja doch viel billiger, als wenn ich mir eine neue Zahnbürste kaufen müsste. Sie habe die PlusGarantie für ihre Zahnbürste (natürlich das gleiche Modell wie meines) auch. Ich bedankte mich für das Angebot, das ich aber ablehnte, zum Bedauern der verständnislosen Verkäuferin. An der Kasse dann das gleiche Spiel. Ob, ich denn auch die PlusGarantie abschließen möchte, denn falls…fragte die Kassiererin sehr beflissen. Hinter ihr stand ein Kollege, der Filialleiter? Ich verneinte wieder, sie runzelte missbilligend die Stirn, und ich atmete förmlich auf, als ich endlich mit meiner Zahnbürste ungeschützt vor der Tür stand.

Nun arbeite ich im Verbraucherschutz und kenne natürlich die Tricks der Vertriebler (Worst-Case-Szenarien) und auch die Tücken bzw. Ausschlüsse, die mit solchen Elektronikversicherungen, „Garantieverlängerungen“, Geräteschutzbriefen oder Laptop-, Handyversicherungen etc. verbunden sind.

Garantie und gesetzliche Gewährleistung

Grundsätzlich gilt für neu gekaufte Elektrogeräte eine gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistungszeit von 2 Jahren. Treten in dieser Zeit technische Mängel oder Materialfehler auf, muss der Verkäufer dafür einstehen. Diese gesetzliche Sachmangelgewährleistung schützt Verbraucher jedoch nicht automatisch, denn es gilt ggf. zu beweisen, seit wann der Mangel besteht: Tritt der Mangel in den ersten 6 Monaten auf, muss der/die Verkäufer*in beweisen, dass der Sachmangel bei Übergabe nicht vorhanden war; danach muss der/die Käufer*in beweisen, dass der Mangel bei Übergabe bereits vorhanden war. Inwieweit die Haltbarkeit eines Akkus unter eine Sachmangelgewährleistung fallen kann, hängt von der Geräteart und seinen technischen Vorgaben ab.

Darüber hinaus kann der Hersteller für die Funktionstüchtigkeit des Geräts oder einzelner Teile auch eine Garantie geben. 

Eine Elektronikversicherung steht im Grundsatz eigenständig neben der (Hersteller)Garantie.
Die Prämie richtet sich meist nach dem Gerätepreis und der Versicherungsdauer. Geht das Gerät innerhalb der vereinbarten Versicherungszeit kaputt, wird es häufig kostenlos repariert, der Akku ausgetauscht oder, falls eine Reparatur nicht möglich ist, durch ein neues Gerät ersetzt.
Versichert sind in der Regel Material- und Produktionsfehler. Bei der PlusGarantie meines Elektronikhändlers leistet der Versicherer bei Akkus zum Beispiel Entschädigung:
„Für Abnutzung und Verschleiß der mit dem Gerät vom Hersteller ausgelieferten Original-Akkus, sofern diese weniger als 50 % der ursprünglichen Kapazität speichern können.“ 

Andere Schäden wie zum Beispiel Unfall- oder Stoßschäden, Wasser-, Feuchtigkeits- und Sandschäden, Einbruchdiebstahl, Raub oder Plünderung sind vom Versicherungsschutz ausgenommen. Das muss man wissen, wenn man sich für eine solche „Garantieverlängerung“ entscheidet.

Geräteschutzversicherung

Wer auch solche Schäden absichern möchte, kann eine Geräteschutzversicherung abschließen, die z. B. auch leistet, wenn das Display eines Handys beschädigt wird. Allerdings gilt dieser Schutz meist auch nur für eine begrenzte Zeit (1-3 Jahre). Die Prämie richtet sich nach dem Gerätepreis, der Geräteart, den versicherten Leistungen (z. B. Diebstahlschutz), der versicherten Dauer und danach, ob ein Selbstbehalt vereinbart ist. Man muss als Verbraucher*in also genau schauen, was jeweils im Kleingedruckten versichert ist.
Beispiel:
Eine sogenannte „2-Jahre-Plusschutzversicherung“ für ein Mobiltelefon bis zu einem Gerätepreis von 150,- Euro kostet eine Einmalprämie von 64,90 Euro bzw. 99,- Euro (mit Diebstahlschutz), Selbstbehalt bei Reparatur: 15,- Euro; die monatliche Prämie mit Selbstbeteiligung liegt bei 4,99 Euro, monatlich ohne Selbstbeteiligung 5,99 Euro.

Bei einem Mobiltelefon mit einem Produktpreis von 1001,- Euro liegt die Einmalprämie bei 349,90 bzw. 404,90 Euro (inkl. Diebstahlschutz), Selbstbehalt bei Reparatur: 100,- Euro; die monatliche Prämie mit Selbstbeteiligung: 20,99 Euro, monatlich ohne Selbstbeteiligung: 24,99 Euro.

Mal ehrlich

Mal ehrlich: Wer sich zwischen den Regalen im Elektronikmarkt durch den Wust an Prämien gearbeitet hat - hat er oder sie dann noch Lust, sich das wichtige Kleingedruckte anzuschauen? Eben.

Die Prämien stehen in keinem Verhältnis zur Leistung bzw. den Ausschlüssen. Eine „Garantieverlängerung“ oder Geräteversicherung lohnt sich meist nicht.

Also wenig verwunderlich, dass die „SATURN PlusSchutz 2 Jahre“ 2017 auch für den Versicherungskäse des Jahres nominiert war.

Der Händler als Vermittler

Jetzt nochmal zum Aufatmen beim Verlassen des Elektronikmarktes. Eigentlich freue ich mich ja immer, wenn ich persönlich beraten werde und sich das Verkaufspersonal Zeit für mich nimmt. WENN ich dies wünsche. Aber mehrfaches Nachfragen bzgl. eines Angebotes bringt mich automatisch in eine Abwehrhaltung.
Was viele nicht wissen: Die Elektromärkte sind hier als Vermittler tätig und bekommen entsprechend Provision für jedes verkaufte Versicherungsprodukt. Kein Wunder also, dass sie während des Einkaufs nichts unversucht lassen, um die Policen an die Frau und den Mann zu bringen. Und wohl kaum jemand Lust und Zeit, sich vor Ort das Kleingedruckte durchzulesen.

Es kann nicht alles und jedes Risiko versichert werden. Zumal dies wirtschaftlich betrachtet auch gar nicht sinnvoll ist. Eine kaputte Zahnbürste, auch wenn sie teuer war, bringt nicht den existenziellen Ruin. Es sollten vor allem die Risiken abgesichert werden, die wirklich eine finanzielle Schieflage bringen können. Eine defekte Zahnbürste gehört mit Sicherheit nicht dazu.


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