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Versicherungen verstehen

Internetversicherungen – Lohnen sich private Cyber-Policen für Verbraucher?

Internetversicherungen – Lohnen sich private Cyber-Policen für Verbraucher?

 29.07.2016  Versicherungen verstehen  0 Kommentare  Jens Trittmacher

Häufig werden Bankgeschäfte und Einkäufe online getätigt oder auch Schriftverkehr. Dieser bequeme und schnelle elektronische Geschäftsverkehr birgt aber auch Gefahren und Risiken in sich.

© Gerd Altmann / Pixabay

Manche Versicherer wittern hier Morgenluft. Sie bieten seit einiger Zeit neuartige Cyberpolicen für Verbraucher an. Denn Cyberkriminalität gehört mittlerweile zu den Angst auslösenden Faktoren. Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Angriffe auf das Internet gemeldet werden.

Laut dem Bundeslagebild Cybercrime 2014 des BKA hat die Polizei im Jahr 2014 fast 50.000 Straftaten mit einem Schadenereignis (z. B. mit Schadsoftware befallene Rechner oder Betrugsopfer) und der Begehung der kriminellen Handlung in Deutschland registriert. Hierbei handelt es sich um alle Straftaten, die sich gegen das Internet, Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten. Rund 22.300 Taten entfielen dabei auf Computerbetrug (45 Prozent) mit einem festgestellten Schaden von 36,9 Millionen Euro und von rund 2,5 Millionen Euro (rund 2.000 Fälle) bei Betrug mittels Zugangsdaten zu den Kommunikationsdiensten. Daneben begingen Kriminelle u. a. zahlreiche Straftaten mit dem Internet als Tatmittel und zwar rund 247.000 Taten.

Diese Zahlen erscheinen vergleichsweise niedrig. Sie bilden jedoch nur die polizeilich bekanntgewordenen Fälle und eben nicht das Dunkelfeld ab. Die wirklichen Fall- und Schadenszahlen sind, wie viele Studien bestätigen, um ein Vielfaches höher.

Jeder fünfte Deutsche Opfer von Internetkriminalität

Phishing, Identitätsdiebstahl, Angriffe mit Schadsoftware sowie Onlinebetrug mit Waren- und Dienstleistungen kosten die Verbraucher in Deutschland jährlich rund 3,4 Milliarden Euro. Das ist ein Kernergebnis des Forschungsprojektes „Wirtschaftswissenschaftlicher Sicherheitsindikator für Deutschland“ (WISIND), das das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) gemeinsam mit dem Brandenburgischen Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS) 2015 durchgeführt hat.

Straftaten wie der Diebstahl von Online-Identitäten und Passwörtern sowie Angriffe mit sogenannter Schadsoftware treten in Deutschland gemäß der Studie wesentlich häufiger auf als gedacht. Allein nur die Schäden aus dem Abfangen von Passwörtern und persönlichen Daten mittels gefälschter E-Mails oder Webseiten, das sogenannte Phishing, dürften schätzungsweise um etwa das 50fache höher liegen als die Zahlen zu diesen angezeigten Straftaten mutmaßen lassen.

Die Auswertung der Daten der Befragung lassen den Schluss zu, dass jeder fünfte Bürger in Deutschland Opfer von Internetkriminalität wurde. Danach kommt es jährlich zu rund 14,7 Millionen Internetstraftaten. Hierbei gehen jeder Privatperson im Jahr rechnerisch elf Euro durch Identitätsdiebstahl und zehn Euro durch Phishing verloren. Rund 15 Euro Schaden entstehen Verbrauchern durch Befall mit Schadsoftware und etwa sieben Euro Schaden durchschnittlich durch Waren- und Dienstleistungsbetrug.

Die Gefahr, Opfer von Phishing zu werden ist deshalb so hoch, weil die Qualität der Attacken immer besser wird. Nach Angaben der Kaspersky Lab GmbH Deutschland für 2015 sind dies die weltweit am häufigsten genutzten Einrichtungen für Phishing-Attacken:

  • Weltweite Internetportale (30,73 Prozent)
  • Soziale Netzwerke (15,84 Prozent)
  •  Online-Shops (14,33 Prozent)
  •  Banken (10,21 Prozent)
  • Telekommunikationsanbieter (9,17 Prozent)

Quelle: www.kaspersky.com

Internetversicherungen: Vollschutz nirgendwo

„Jeder kann betroffen sein, oftmals unabhängig vom Surfverhalten – ähnlich wie bei Spam“, sagt Christian Funk, Leiter des deutschen Forschungs- und Analyse-Teams bei Kaspersky Lab. „Hinzu kommt, dass Phishing plattformunabhängig funktioniert und somit alle Nutzer gefährdet sind, egal ob sie mit dem PC, Mac, Smartphone oder Tablet im Internet surfen.“
Insofern ist die Frage erlaubt: Bieten die neuartigen Versicherungsprodukte, die sogenannten Internetversicherungen, brauchbaren und umfänglichen Versicherungsschutz gegen die Angriffe aus dem Netz?

Eine erste Analyse von Internetversicherungen für Privatpersonen der Zeitschrift Ökotest aus Juni 2015, die rund ein Dutzend Angebote unter die Lupe genommen hat, fällt recht nüchtern aus: „Vollschutz nirgendwo“.

Die derzeitigen Angebote von Internetpolicen sind also (sehr) lückenhaft. Für Verbraucher ist ein solcher spezieller Versicherungsschutz daher meistens nicht sinnvoll.

Woran liegt das?

Zurzeit herrscht auf dem Markt noch eine bunte Angebotsvielfalt. In der Mehrzahl werden spezielle Rechtsschutzpolicen angeboten, zum Teil ergänzt um eine Vermögensschadenversicherung oder nur spezielle Vermögensschadenpolicen sowie auch spezielle Hausratversicherungen. Ein Vergleich dieser Produkte fällt daher schwer.

Diese Internet-Spezialpolicen beinhalten nur in wenigen typischen Schadenfällen wirklich eine Mehrleistung gegenüber klassischen Versicherungspolicen, die im Online-Bereich folgendes bieten können:

Hausratversicherung: So manche Hausratpolice zahlt, wenn z. B. Cyber-Kriminelle Geld von den Online-Bankkonten der Verbraucher abbuchen. Oftmals sind Vermögensschäden bei Onlinebetrug durch Phishing oder zumindest beim privaten Onlinebanking bis zu einem bestimmten Prozentsatz der Versicherungssumme oder einem Höchstbetrag mitversichert. Die Bandbreite liegt zwischen einem und fünf Prozent der Versicherungssumme pro Versicherungsfall, vereinzelt gedeckelt auf einen Höchstbetrag. Die Höchstsummen variieren zwischen 500 und 10.000 Euro, oftmals pro Versicherungsfall, teilweise sind aber auch Jahreshöchstbeträge eingezogen, wobei sehr wenige nur dann einspringen wollen, wenn nicht ein anderer für den Schaden aufkommt. Einige sehen auch zusätzlich Leistungen bei Schäden durch Pharming und Skimming bis zu festgelegten Höchstbeträgen vor.

 
Pharming ist eine Betrugsmethode, die auf der Manipulation von Webbrowsern fußt, um den Internetnutzer auf gefälschte Webseiten umzuleiten. Es ist eine Weiterentwicklung des klassischen Phishings.
Skimming („Abschöpfen“) ist ein Angriff, bei dem illegal die Daten von Kredit- oder Bankkarten ausgespäht werden. Hier manipulieren Täter Geldautomaten, in dem sie z. B. einen Plastikaufsatz auf den Karteneinzugsschlitz befestigen. Führt dann der ahnungslose Bankkunde seine Karte in den Einzugsschlitz ein, erlangt der Täter die Daten dadurch, dass diese von Magnetstreifen ausgelesen, aufgezeichnet und auf gefälschte Karten kopiert werden. Meist durch heimlich installierte Minikameras spähen die Täter dabei die Geheimzahlen (PIN) ihrer Opfer aus.

 

Rechtsschutzversicherung: Umfangreichen Schutz bietet bereits die „normale“ Privat-Rechtsschutzversicherung z. B. beim Streit um einen Online-Kauf oder beim Identitätsmissbrauch.

Manche Anbieter beinhalten zusätzlich einen weltweiten Internetvertragsrechtsschutz mit höheren Deckungssummen als die grundsätzlich vereinbarten Summen. Die Formulierung in den Bedingungen kann z. B. so oder ähnlich aussehen:

 „Es besteht weltweiter Internetrechtschutz bis … Euro für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Verträgen, die über das Internet im eigenen Namen und Interesse abgeschlossen wurden“ oder „die die versicherte Person privat über das Internet abgeschlossen hat.“                    

Die „erhöhten“ Deckungssummen liegen zwischen 100.000 und 500.000 Euro, höchst selten gilt hier eine unbegrenzte Versicherungssumme.

Privathaftpflichtversicherung: Sie reguliert Schäden, die bei Dritten durch Onlinekommunikation entstehen, wenn ein Internetnutzer Daten verschickt, die z. B. Viren, Trojaner oder andere Schadsoftware enthält. Das ist mittlerweile meistens Standard am Markt, da eine solche Regelung in den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) vorgesehen ist.

Jedoch gibt es Unterschiede beim Geltungsbereich und der Versicherungssumme. Sinnvoll ist weltweiter Versicherungsschutz mit mindestens fünf Millionen Euro pauschal für Personen- und Sachschäden.

Zu beachten ist: Nach den GDV-Musterbedingungen besteht die Verpflichtung für Versicherte, ihre Daten durch Maßnahmen wie Virenscanner und Firewall auf den aktuellen technischen Stand zu halten. GDV-Regelung-Musterbedingung (Auszug):

„Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers wegen Schäden aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten, z. B. im Internet, per E-Mail oder mittels Datenträger.
Dies gilt ausschließlich für Schäden aus
(1) der Löschung, Unterdrückung, Unbrauchbarmachung oder Veränderung von Daten (Datenveränderung) bei Dritten durch Computer-Viren und/oder andere Schadprogramme;
 (2) der Datenveränderung aus sonstigen Gründen sowie der Nichterfassung und fehlerhaften Speicherung von Daten bei Dritten und zwar wegen
- sich daraus ergebender Personen- und Sachschäden, nicht jedoch weiterer Datenveränderungen sowie
- der Kosten zur Wiederherstellung der veränderten Daten bzw. Erfassung/korrekter Speicherung nicht oder fehlerhaft erfasster Daten;
(3) der Störung des Zugangs Dritter zum elektronischen Datenaustausch.
Für (1) bis (3) gilt:
Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet dafür zu sorgen, dass seine auszutauschenden, zu übermittelnden, bereitgestellten Daten durch Sicherheitsmaßnahmen und/oder -techniken (z. B. Virenscanner, Firewall) gesichert oder geprüft werden bzw. worden sind, die dem Stand der Technik entsprechen. Diese Maßnahmen können auch durch Dritte erfolgen.“

 

Enorm wichtig: Die Privathaftpflichtversicherung wirkt auch wie eine Rechtschutzversicherung. Sie übernimmt die Abwehr unberechtigter Ansprüche, ggf. auch vor Gericht.

Illegale Downloads: Wer illegal beispielsweise Musik oder Filme herunterlädt, der muss selbst für den wirtschaftlichen Schaden aufkommen. Hier springt keine Versicherung ein, auch nicht die Internetversicherung.

Oft ist allerdings unklar, ob überhaupt eine rechtswidrige Handlung vorliegt. Das nutzen Abmahnanwälte aus, die den Internetnutzern vorwerfen, unberechtigt z. B. geschützte Filme geschaut zu haben. Hier greift die Abwehrdeckung der Privathaftpflichtversicherung und der Beratungs- oder Strafrechtschutz der klassischen Rechtsschutzpolice, über den Internetpolicen nicht hinausgehen.

Internetversicherungsprodukte

Einige „wirkliche“ Mehrleistungen können u. a. spezielle Internetpolicen gegenüber klassischen Policen bieten, die je nach Angebot und Versicherungsart enthalten sein können:

Manchmal mitversichert:

  • Rechtsschutz für unrechtmäßige Abbuchungen vom Bankkonto / Kreditkarte oder Internetguthaben oder durch Provider.
  • Rechtsschutz für Verluste bei Internetkäufen
  • Rechtsschutz für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten

In diesen Fällen wird aktiver Rechtsschutz zur Erstattung einer Strafanzeige bei Identitätsmissbrauch oder bei Rufschädigung durchs Internet z. B. bis zu 1.000 Euro bei einigen Anbietern gewährt.

Häufig: Bei der Mehrzahl der Angebote ist Schadenersatz für Verluste bei Internetkäufen in unterschiedlicher Form abgedeckt, wie z. B.:

  • Schäden beim Kauf von Sachen, weil diese nicht geliefert wurden oder von der Beschreibung erheblich abwichen sowie bei Identitätstäuschung beim Verkauf von Sachen. Der Ersatz für die Erstattung des Kaufpreises ist je Schadenfall auf 3.000 Euro begrenzt und pro Jahr auf 10.000 Euro.

    oder
  • Kaufpreiserstattung bei Nichtlieferung oder Ausgleich finanzieller Nachteile bei nicht konformer Lieferung, begrenzt auf drei Fälle und bis 5.000 Euro pro Jahr.

Auch bieten die meisten Anbieter einen Service bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten, der recht unterschiedlich ausfällt, wie z. B.

  • Kosten für Maßnahmen zur Löschung von reputationsschädigenden Internetinhalten werden bis 100 Euro pro Fall und bis 1.000 Euro pro Jahr übernommen.

     oder
  • hierzu noch zusätzlich telefonische, psychologische Hilfe gegen Cybermobbing in „angemessenen Umfang“ gewährt 

    oder
  • Unterstützung bei der Löschung unberechtigt verwendeter Daten sowie 24-Stunden-Notfall-Hotline bei Identitätsdiebstahl und Online Monitoring gegen Datenmissbrauch.

Darüber hinaus kann es je nach Tarif, Umfang und Versicherungsart noch weitere Mehrleistungen geben.

Anmerkung: Internetpolicen leisten in der Regel nachrangig, also nur dann, wenn von keinem anderen Leistung zu erlangen ist.

Prämienniveau: Das Prämienniveau ist höchst unterschiedlich und hängt sowohl von der Versicherungsart als auch dem Tarifumfang ab. Die Jahresprämien liegen z. B. für Internet-Vermögensschadenpolicen meist zwischen 60 bis140 Euro, bei speziellen Rechtsschutzpolicen im Bereich von etwa 100 bis 150 Euro sowie bei Kombinationsprodukten bei rund 150 bis 240 Euro.

Fazit: Eine Vollabsicherung gegen Gefahren und Risiken des Internets mit Hilfe von Internetpolicen gibt es nicht. Über leistungsstarke klassische Policen, wie Privathaftpflicht-, Rechtsschutz- und Hausratversicherung, erfolgt bereits eine recht weitreichende Absicherung gegen Internetrisiken.

Auch dürften in den meisten Fällen z. B. die Datenschäden sowie Schäden aus Online-Kauf- und Verkauf in einem überschaubaren Umfang liegen.

Deshalb lohnt es sich vielmehr sichere Passwörter zu verwenden. Und in die neueste Sicherheitssoftware mit Virenschutz usw. sowie regelmäßigen Sicherheitsupdates zu investieren als in lückenhaften Internetversicherungsschutz, zumindest solange es keinen umfassenden Schutz zu angemessenen Prämien gibt.

Tipps, wie Sie sich gegen Attacken aus dem Netz richtig absichern, gibt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unter www.bsi-fuer-buerger.de.

Hinweis: Hat der Verbraucher sein Onlinesystem entsprechend gegen Angriffe gesichert und macht er z. B. beim Onlinebanking keine gravierenden Fehler, kosten ihn „Kontoschäden“ allenfalls 150 Euro. Denn nur wenn die Bank dem Kunden beim Online-Banking grobe Fahrlässigkeit nachweisen kann, haftet er. Gelingt ihr dieser Nachweis nicht, bleibt sie selbst auf dem Schaden sitzen, und der Kunde haftet mit einer Selbstbeteiligung von maximal 150 Euro.


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