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Versicherungen verstehen

Meilenstein: Gesetzgeber overruled Bundesgerichtshof (BGH) und folgt der Forderung des BdV (!)

Meilenstein: Gesetzgeber overruled Bundesgerichtshof (BGH) und folgt der Forderung des BdV (!)

 02.06.2022  Versicherungen verstehen  2 Kommentare  Jens Trittmacher

Seit 20.07.2021 ist das Aufrechnungsverbot in Kraft. Seit diesem Stichtag dürfen private Krankenversicherer nicht mehr mit einer ihr aus der PKV (Krankheitskostenvollversicherung) zustehenden Prämienforderung gegen eine Forderung der Versicherungsnehmer*innen aus dem Notlagen- oder Basistarif aufrechnen. Damit ist der Gesetzgeber nicht der Auffassung des BGH zum Notlagentarif gefolgt, sondern der langjährigen Forderung des BdV nach einem Aufrechnungsverbot. Das ist ein großer Erfolg für alle betroffenen Verbraucher*innen, die im Basis- oder Notlagentarif versichert sind.

© Gerd Altmann / Pixabay

§ 192 Abs. 7 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

„Bei der Krankheitskostenversicherung im Basistarif nach § 152 des Versicherungsaufsichtsgesetzes und im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kann der Leistungserbringer seinen Anspruch auf Leistungserstattung auch gegen den Versicherer geltend machen, soweit der Versicherer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist….

Der Versicherer kann im Basistarif nach § 152 des Versicherungsaufsichtsgesetzes und im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes nicht mit einer ihm aus der Krankheitskostenversicherung oder der privaten Pflege-Pflichtversicherung zustehenden Prämienforderung gegen eine Forderung des Versicherungsnehmers aus diesen Versicherungen aufrechnen. § 35 ist nicht anwendbar.“

Über die damalige verbraucherunfreundliche BGH-Entscheidung zum Notlagentarif vom 05. Dezember 2018 (Az. IV ZR 81/18) – nach der es privaten Krankenversicherungen erlaubt war, mit rückständigen Prämien gegen Kostenerstattungsansprüche der Versicherungsnehmer*innen aufzurechnen – wurde hier schon berichtet. Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Privatversicherter hatte so hohe Prämienrückstände, dass das Versicherungsunternehmen den Vertrag ruhend gestellt hatte und auf den Notlagentarif umstellte. Die vom Versicherten eingereichten ärztlichen Rechnungen erstattete die Versicherungsgesellschaft nicht und nahm somit keine Zahlung an ihn vor. Vielmehr übersandte das Versicherungsunternehmen dem Versicherten eine Abrechnung, aus der sich eine Aufrechnung mit Prämienrückständen ergab.

Gesetzesbegründung
Die Gesetzesänderung zielt insbesondere darauf ab, mit der Reform des Notlagentarifs Verbesserungen für privat Krankenversicherte zu erreichen. Die Einführung des Notlagentarifs in der privaten Krankenversicherung (PKV) im Jahr 2013 sollte v. a. sicherstellen, dass auch im Fall von Prämienrückständen der Versicherten eine medizinische Versorgung – insbesondere bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen - weiterhin gewährleistet ist. Entsprechend der Regelung für den Basistarif wurde auch ein Direktanspruch der Leistungserbringer*innen gegenüber dem Versicherer auf Leistungserstattung normiert. Dies wird flankiert durch ein Aufrechnungsverbot für den Versicherer mit Prämienforderungen gegen eine Forderung der Versicherungsnehmer*innen aus der PKV, sofern diese im Notlagen- oder Basistarif versichert sind. Mit diesen Maßnahmen sollen die Rahmenbedingungen für die medizinische Versorgung von im Notlagen- und Basistarif Versicherten verbessert werden, da das Forderungsausfallrisiko für Leistungserbringer*innen
reduziert und die Akzeptanz der Ärzt*innen, Privatversicherte in diesen „Sozialtarifen“ zu behandeln, erhöht wird.

Die Einführung eines Direktanspruchs ist v. a. bei einer Versicherung im Notlagentarif sachgerecht und zweckmäßig. Denn es geht hier insbesondere um die medizinische Versorgung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen, bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie um Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche nach gesetzlich eingeführten Programmen und um von der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut empfohlene Schutzimpfungen.

Mit dem Aufrechnungsverbot wird festgelegt, dass eine Aufrechnung mit Prämienforderungen sowohl aus der PKV als auch aus der privaten Pflege-Pflichtversicherung gegen eine Forderung der Versicherungsnehmer*innen aus diesen Versicherungen unzulässig ist, wenn diese im Basis- oder Notlagentarif versichert sind. Um zu gewährleisten, dass der Versicherer ausstehende Prämienforderungen mit Forderungen der Versicherungsnehmer*innen weder aus der PKV noch aus der privaten Pflege-Pflichtversicherung aufrechnen kann, werden mit der Regelung beide Aufrechnungswege ausgeschlossen. Durch die Nichtanwendbarkeit von
§ 35 VVG wird außerdem unterbunden, dass der Versicherer im Basis- und im Notlagentarif mit einer Forderung aus dem Versicherungsvertrag gegenüber einem Dritten – wie Leistungserbringer*in – aufrechnen kann.

Der BdV begrüßt ausdrücklich die Neu-Regelungen des § 192 Abs. 7 VVG. Denn damit folgt der Gesetzgeber unserem langjährigen Plädoyer für ein Aufrechnungsverbot und erleichtert v. a. den Notlagentarifversicherten ihre medizinische Versorgung. Die ausführlichen Argumente des BdV für ein Aufrechnungsverbot finden Sie im Blogbeitrag vom 07.04.2016 - „Gericht führt PKV-Notlagentarif ad absurdum“.


Kommentare
Kommentar von Johann Schrallhammer  am  19.11.2022 11:55
Hallo Ihr Notlagenversicherte
jetzt verschärfen die Versicherer die Prüfung des Leistungsantrages und übernehmen fast keine Kosten
bzw. ist das Prozedere langwierig auch wenn es eindeutige Notlagenleistungen sind.. Lasst euch diese Behandlung nicht gefallen ´lasst euch vom Arzt eine Schmerzbehandlung bestätigen und reicht in Verbindung mit einer PKH Klage ein und dann wird das Gericht entscheiden. Der Versicherer lässt uns sonst Ausbluten.
Kommentar von Johann Schrallhammer  am  18.11.2022 14:17
Vielen Dank für diese positive Nachricht Danke
Gruss Johann Schrallhammer

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