Wir geben Einblicke in die Versicherungswelt - von A wie Altersvorsorge bis Z wie Zinszusatzreserve.
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Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist fraglos eine sehr wichtige Versicherung, ist sie doch noch immer die effektivste Form der Absicherung bei Verlust der Arbeitskraft durch Krankheit oder Unfall und daraus resultierendem Verdienstausfall. Nicht immer muss es dabei zu der Extremsituation kommen, dass die Arbeitskraft über mehrere Jahre ausfällt - schon mehrere Monate können zu massiven, finanziellen Einbußen führen, vor allem bei Alleinversorger*innen.
Gerade in diesen Situationen wiegen sich die Menschen vorerst in Sicherheit und Erleichterung, wenn sie auf ihre Versicherung hingewiesen werden. "Das reichen wir ein und dann werden Sie finanziell unterstützt", mag der Versicherungsvermittler in gutem Gewissen der Kundschaft noch mitteilen.
Nicht nur für die Kund*innen kommt eine Leistungsablehnung oft unerwartet, auch für die Vermittler*innen, die den Antrag aufgenommen haben und in Anwesenheit der Kund*innen die Gesundheitsfragen beantwortet haben.
Diese Vermittler*innen sind in der Regel auch die Ansprechpartner bei den Kund*innen und bekommen so den Frust, die Sorgen und auch das Leid der leistungsfreien Versicherungsnehmer*innen zu spüren. Manch einer fragt sich, ob er hätte bei Antragsstellung die gesundheitliche Vergangenheit genauer hinterfragen sollen, doch das Problem liegt weder beim Vermittler*innen noch bei der Kundschaft.
Das Beantworten von Gesundheitsfragen erfolgt in der Regel durch medizinische Laien, was sowohl die Vermittler*innen, als auch Versicherungsnehmer*innen betrifft. Vorerkrankungen geraten in Vergessenheit, da diese für die Kundschaft in jüngster Zeit nicht von Bedeutung waren und gerade diese führen oftmals zu einer Leistungsverweigerung. Eine Situation, die Vermittler*innen mit besserer Aufklärung verhindern hätten können.
Oft sehen sich Kund*innen und Vermittler*innen Gesundheitsfragen gegenüber, die teilweise schwer zu deuten sind oder sogar unterschiedlich ausgelegt werden können.
Ein Formblatt für die Abfrage von Gesundheitsfragen bei einem Makler beinhaltet beispielsweise als erste Frage: "Sind oder waren Sie innerhalb der letzten 5 Jahre in ambulanter Behandlung von Ärzten, Heilpraktikern, Therapeuten? (Auch Krankengymnasten?)"
Nun beginnt der Laie zu überlegen - was bedeutet in diesem Fall "ambulante Behandlung?" Streng genommen ist bereits jede von Ärzt*innen durchgeführte Beratung in einer Praxis eine ambulante Behandlung - oder der Besuch bei Zahnärzt*innen, erfolgt dieser auch nur vorsorglich.
Kennen Sie eine Person, die die letzten fünf Jahre kein einziges Mal beim Arzt war? Dann ist diese Person eine Ausnahme. Andere Formen der Definition sehen eine ambulante Behandlung als gegeben, wenn eine medizinische Versorgung in Form einer Behandlung oder Operation ohne stationären Aufenthalt erfolgt ist. Das ist auch die Form, die eher bei der Kundschaft im Kopf zu der Frage ein Sinnbild ergibt. "Ich hatte doch einmal die Schnittverletzung, die ambulant genäht wurde, das ist aber schon sieben Jahre her." Und schon wird die Frage eventuell noch verneint.
Zugegeben, hier können sich die Geister noch scheiden und man könnte meinen, jeder gute Vermittler sollte die Gesundheitsfrage seinen Kund*innen erläutern können. Machen wir es daher etwas schwerer. In der Regel wird nach Beschwerden der Psyche gefragt und ob Behandlungen erfolgten.
Den Ärzt*innen ihres Vertrauens erzählen Erkrankte oft, dass Sie sich im Zuge der Krankheit stark belastet fühlen. Neben der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinung erfolgt zum Beispiel aufgrund einer Darmerkrankung manchmal zusätzlich ganz unkommentiert ohne böse Absicht der Ärzt*innen z. B. das zusätzliche ICD-Kürzel "F.38.0." Dieses wird nach meiner Auffassung leider viel zu inflationär vergeben.
Und damit steht es auch in der Patientenakte und wem fällt das schon auf?
Die Problematik nun ist, dass im oben genannten Beispiel neben der Darmerkrankung mit dem ICD-Kürzel "F.38.0." so eine affektive Störung attestiert wurde - ohne diese näher zu bezeichnen. Und diese ist nichts anderes als eine psychische Beschwerde.
Würde die Kundin oder der Kunde im Rückblick auf eine Darmerkrankung auch auf dem Fragebogen angeben, es habe psychische Beschwerden bzw. Behandlungen gegeben? Vermutlich nicht.
Und genau diese Probleme, welche nur zwei Punkte auf mehrseitigen Gesundheitsfragebögen sind, können zu einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen führen - gefühlt einem der häufigsten Gründe der Leistungsverweigerung in der BU.
Dies ist ein drastisches Problem für die an Ansehen verlierenden Vermittler, für Kund*innen, die keine Leistung erhalten, und auch für den Ruf der Versicherungsunternehmen. Doch das Problem ist teilweise hausgemacht.
Das Ausfüllen eines medizinischen Fragebogens einem medizinischen Laien zu überlassen, könnte man schon als grob fahrlässig ansehen. (Noch so ein gern verwendeter Versicherungsbegriff).
Die Kundschaft sollte und müsste vom Versicherer darauf hingewiesen werden, dass es unerlässlich ist, den Fragebogen mit der Hausärztin oder dem Hausarzt auszufüllen. Nur dort hat man einen konkreten und fundierten Einblick in die medizinische Vorgeschichte. Nur so lassen sich viele dieser eingangs geschilderten Situationen vermeiden, dass falsche Angaben, den Versicherungsschutz kosten. Dies sollte nicht den Vermittlern überlassen werden oder gar den Kund*innen alleine.
Vielleicht muss diese Form des Fragebogens auch ganz überdacht werden. Immer öfter wird das Produkt "Berufsunfähigkeitsversicherung" in den Medien verschmäht und mit ihr auch der Ruf der Versicherungsbranche. Berichte zerreißen Versicherungen für deren schlechten Leistungsquoten und Verweigerung - doch die Versicherung muss ihr Kollektiv schützen, um erschwingliche Beiträge zu sichern, negativer Wirtschaftlichkeit vorzubeugen und möchte natürlich ihre Gewinne steigern.
In § 1a Abs. 1 VVG heißt es: „Der Versicherer muss bei seiner Vertriebstätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln“.
Ich sehe es weder als redlich, noch als professionell, geschweige denn als bestmögliches Interesse an, die Abfrage der Gesundheitsdaten in der vorhandenen Form fortzuführen. Die Antragsstellung und damit auch gleichzeitig eines der größten Probleme der Berufsunfähigkeitsversicherung braucht einen Umbruch zu Gunsten der Versicherungsnehmer*innen und damit gleichzeitig auch zu Gunsten des Rufes einer ganzen Branche.
Ich sehe hier den GDV in der Pflicht, zu handeln und das Konzept der Antragsstellung zu überarbeiten, vielleicht, lieber GDV, ist es sinnvoll, sich mit den Verbraucherschützern zu unterhalten und eine Lösung zu finden - im eigenen Interesse für den Ruf und vor allem im Interesse der Versicherten, damit viel mehr Menschen eine Unterstützung bekommen, die sie in den kritischen Momenten ihres Lebens benötigen.
Wenn die Versicherungswirtschaft weiterhin fast wohlwollend akzeptiert, dass eine Vielzahl von Antragssteller*innen unbewusst falsche Angaben machen, muss im Zweifel für die Geschädigten gesprochen werden.
Viel klüger wäre es jedoch, dieses ganze Problem zu beseitigen und Gesundheitsfragen den Leuten zu überlassen, die sich damit auskennen: den Ärzt*innen.
Denn Berufsunfähigkeitsversicherungen sind und bleiben sehr wichtig. Sie sollten den Ruf wiedererlangen, der ihnen gerecht wird - als Versicherungsschutz in der finanziellen Not, wenn der Beruf aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr ausgeübt werden kann und nicht als bloße Geldschneiderei.
Die Vorstände der Versicherungsunternehmen können ja mal einen Fragebogen ausfüllen und dann zur eigenen Abteilung der Leistungsprüfung senden. Ihre ambitionierten Mitarbeiter*innen finden sicherlich einen vorvertraglichen Fehler anhand der Patientenakte. Würden Sie darauf Ihren Vorstandsposten verwetten? Nein? Warum müssen dann die Kund*innen diesen Tanz auf dem seidenen Faden durchführen, wenn sie genauso vor dem Verlust ihrer Existenz stehen - in einer vermutlich schlechteren, finanziellen Lage...