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Die große, tolle, wegweisende Rentenreform von Frau Nahles nimmt Gestalt an! Wir dürfen jetzt den Entwurf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz kommentieren. Dass es dabei Milliardengeschenke für die Versicherer gibt, war zu erwarten. Dass wir aber nach den Rentenvorstellungen bald erst mit 70 oder später in Rente gehen sollen, das ist eher eine Überraschung.
„Da übertreibt der Kleinlein wieder! Das hat die Nahles doch gar nicht gesagt!“, höre ich schon. Stimmt, das hat sie nicht gesagt. Stattdessen hat sie aber von der „doppelten Haltelinie“ gesprochen. Dabei meint sie keinen Zebrastreifen oder den Stopp-Strich an der Ampel. Sondern sie meint, dass bei der gesetzlichen Rente zwei „Haltelinien“ gesetzlich festgeschrieben werden sollen:
- Zum einen soll der Beitragssatz einen bestimmten Maximalwert niemals überschreiten dürfen – die erste Haltelinie.
- Zum anderen soll das Rentenniveau eine bestimmte Mindesthöhe niemals unterschreiten – die zweite Haltelinie.
Das ist schon eine tolle Sache! Da soll per Gesetz festgeschrieben werden, dass immer für diesen Haltelinienbeitragssatz auf jeden Fall das Haltelinienrentenniveau erzielt werden kann! Und das Ganze auch noch im Umlagesystem!
Wir erinnern uns: Im Umlagesystem müssen immer die Beitragszahler eines Jahres genauso viel in das Rentensystem einzahlen, wie die Rentenempfänger dieses Jahres gerade bekommen. Die doppelte Haltelinie sagt nun, wenn alle Beitragszahler den Höchstbeitrag zahlen, wird das immer ausreichen, dass alle Rentner diese Mindestrentenhöhe bekommen. Egal, wie viele Menschen gerade Beiträge zahlen und egal wie viele Menschen Rente bekommen!
Wir kommen ins Grübeln: Auch wenn nur noch sehr wenige Menschen arbeiten und Beiträge zahlen würden und es gleichzeitig viele Menschen gibt, die Rente beziehen, auch dann soll das noch immer klappen. Klingt komisch. Aber das will ja Frau Nahles ins Gesetz schreiben. Und wenn das da drin steht, dann muss das auch klappen. Denn es steht ja dann im Gesetz. Oder?
Klingt eigentlich bescheuert. Ist es auch. Denn das kann rein mathematisch eben nicht klappen.
Aber es gibt eine Lösung für dieses Paradoxon, Herr Spahn vom Bundesfinanzministerium hat es schon aufgeklärt. Denn wenn das mal nicht mehr passen sollte, dann wird das eben passend gemacht. Dann erklärt man einfach ein paar Rentnern, dass sie erstmal keine Rente bekommen sollen, sondern stattdessen besser arbeiten und Versicherungsbeiträge einzahlen sollen. Dann klappt das auch wieder mit den Haltelinien.
Aber was bedeutet das, wenn Ihnen jemand sagt: „Vergessen Sie das erstmal mit der monatlichen Rentenzahlung, arbeiten Sie lieber und zahlen Sie für die Rente der anderen ein!“? Das bedeutet, dass Sie einfach länger arbeiten müssen! Mit 67 oder gar schon mit 63 in Renten gehen? Darauf hat man dann eben keine Chance! Da wird dann stattdessen in die Hände gespuckt und auch noch mit 70 oder 72 das Bruttosozialprodukt gesteigert.
Liebe Frau Nahles, halten Sie sich doch bitte an die Offenheit und Ehrlichkeit Ihres Kollegen Herrn Spahn. Der sagt einfach klar und deutlich, dass eben zukünftig vermutlich das Renteneintrittsalter steigen wird. Das kann jeder verstehen. Das mit der „doppelten Haltelinie“ versteht kaum jemand, bedeutet aber so ziemlich das gleiche.
PS: Eine andere Lösung für das Dilemma wäre natürlich, wenn sie einfach den Steuerzuschuss an die Rentenversicherung erhöhen. Aber das wäre geschummelt, denn dann müssen letztlich doch wieder die Bürger mehr zahlen. Nur eben nicht als „Rentenversicherungsbeitrag“, sondern als zusätzliche Steuern. Und das System der gesetzlichen Rente ginge dann nebenher auch noch mehr in eine Schieflage.
PPS: Auf die Milliardengeschenke an die Versicherungswirtschaft werden wir in unserer Stellungnahme für das Betriebsrentenstärkungsgesetz eingehen.