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Kleinleins Klartext

Der Opferreflex der Versicherer und das ARD-Fernsehdrama „Verunsichert“

Der Opferreflex der Versicherer und das ARD-Fernsehdrama „Verunsichert“

 16.09.2020  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Es gibt einen Opferreflex bei Versicherungsunternehmen und deren Lobbyisten. Sie stellen sich gerne als Opfer dar, wenn es um Medien und Öffentlichkeit geht. Das ist besonders bei Fernsehbeiträgen so.

Egal, ob es um Magazinsendungen, Dokumentationen oder gar um fiktive Darstellungen geht - wenn das Gebaren von Versicherern kritisch beleuchtet wird, dann stellt sich die Assekuranz gerne als Opfer dar.

Das kennen wir aus der Vergangenheit, als zum Beispiel in der Dokumentation „Die Neinsager“ das vermeintlich üble Regulierungsverhalten der Versicherungswirtschaft beleuchtet wurde. Damals echauffierten sich besonders Vermittler, die ihr Geschäft bedroht sahen. Aber auch der Lobbyverband, der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) befasste sich in seiner Zeitschrift „Positionen“ mit dieser Fernsehsendung (S.17). Dort liest man, dass diese „melodramatisch aufgebauscht“ gewesen sei. Zudem wäre dieses „Fernsehfeature angetan, an die Ängste der Deutschen vor dem Verlust der Sicherheit zu rühren“ (ein Vorwurf, dem man im Grunde allen Werbespots für Versicherungen gleichermaßen machen müsste).

Potenzial, die Gemüter zu erregen

Gerade jüngst gab es wieder einen solchen Fernsehbeitrag, der das Potenzial zu haben schien, die Gemüter aufs Trefflichste zu erregen. Das Erste sendete das Fernsehdrama „Verunsichert - Alles Gute für die Zukunft“. In dieser Fernsehgeschichte geht es darum, wie ein fiktiver Versicherer seine BU-Versicherten um ihre Leistungen bringen will. Wie es bei solchen Formaten üblich ist, basiert die Geschichte auf einer wahren Begebenheit. Das Drehbuch ist aber offensichtlich mit einigen fiktiven Elementen angereichert.

Es war also schon abzusehen, dass dieser Fernsehfilm in der Versicherungswelt für Aufruhr sorgen könnte. Deswegen hat mich dann auch ein Medium schon im Voraus um Statements zum Film gebeten. Die Fragen nach der Bewertung des Films waren aber nicht offen gestellt. Suggestiv sollte man sich dazu positionieren, ob die Darstellung der „Unternehmenskultur des Versicherers“ plausibel sei (wo man sich an Zahlungsverweigerungen ergötzt). Auch wurde ich gefragt, ob anonyme Drohungen gegen Rechtsanwälte realistisch seien und ob es wahr sei, dass von den Zahlungsverweigerungen „fast alle Versicherungen … betroffen sind“.

Der Opferreflex sollte bedient werden

Natürlich ahnte ich, dass es bei diesen Fragen nur darum ginge, abzuklopfen, wo die Versicherungsbranche falsch dargestellt wird. Ziel war es anscheinend, möglichst viele Statements einzusammeln, die dann belegen sollen, dass mal wieder die Versicherungswirtschaft zu Unrecht als schlecht dargestellt wird. Der Opferreflex sollte bedient werden.

Aber wer den Film angeschaut hat, wird noch mehr festgestellt haben: Ungereimtheiten, was die interne Organisation und Eckwerte des fiktiven Versicherers angeht. Unklarheiten, was den Fall als solchen betrifft. Und was mich als Verbraucherschützer wirklich geärgert hat: In dem Fernsehdrama wird so getan, als gäbe es uns nicht. Als gäbe es weder den Bund der Versicherten (der in einem solchen Fall den Versicherten wichtige Tipps und Hilfestellung geben kann), noch die Verbraucherzentralen. Auch von Verbraucheranwältinnen und -anwälten hat man noch nie etwas gehört. Und auch über den Ombudsmann für Versicherungen wird einfach geschwiegen. Wir vom Verbraucherschutz hätten auch Grund, uns falsch dargestellt zu sehen.

Weder Dokumentation noch Lehrstück

Nein, dieser Film ist weder eine Dokumentation noch ein Lehrstück, wie die Versicherungswirtschaft funktioniert. Er ist Unterhaltung. Und ob es sich um gute oder schlechte Unterhaltung handelt, darüber kann man streiten. Aber klar ist: In „Verunsichert“ wird nicht nur die Versicherungsbranche als besonders übel dargestellt, auch der Verbraucherschutz kommt sehr schlecht weg, indem er als inexistent dargestellt ist. Was ich aber dann sehr schwierig sehe: Wenn ein Medium sich mit Suggestivfragen Munition verschaffen will, um nur im Sinne der Versicherer gegen den Film zu agitieren.

PS: Gut gefällt mir die nüchterne und klare Aussage, die der GDV einst aufgrund eines TV-Beitrags äußerte: „Wird auf einen berechtigten Anspruch tatsächlich nicht geleistet, greifen gesetzliche Sanktionen.“ Das bedeutet natürlich, dass die Verbraucher stets vor Gericht ziehen müssen, damit diese gesetzlichen Sanktionen zum Tragen kommen. Wer den Weg vor Gericht scheut oder einfach nicht gehen kann, der ist dann halt gekniffen. Und irgendwie hat dann auf einmal Das Erste trotz aller weiterer Kritik recht mit dem Fernsehdrama „Verunsichert“.


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