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Kleinleins Klartext

In die Tasche greifen? Nein danke! Aber den Provisionsdeckel braucht es schon!

In die Tasche greifen? Nein danke! Aber den Provisionsdeckel braucht es schon!

 05.06.2019  Kleinleins Klartext  1 Kommentar  Axel Kleinlein

Da kann ich mich ja schon wieder aufregen! Geht es um den Provisionsdeckel für die Lebensversicherung, dann ist immer wieder die Rede davon, wir vom Verbraucherschutz würden „den Vermittlern in die Tasche greifen“ wollen (von Vermittlerinnen ist nie die Rede). Der Hintergrund: Wir möchten, dass die hohen Provisionen die derzeit gezahlt werden, zukünftig nicht mehr fließen können. Deswegen möchten wir diese Zahlungen „deckeln“, indem wir insgesamt für alle Abschluss- und Vertriebskosten einen Maximalwert benennen.

Es gibt eine ganze Reihe von Akteuren und Akteurinnen, denen die Idee eines Provisionsdeckels nicht behagt. An erster Stelle natürlich die Vermittler und Vermittlerinnen selber. Dann gibt es Lobbyisten und Lobbyistinnen, die sich für die Vermittlerschaft stark machen. Aber auch viele, die von außen die Branche beobachten oder über sie berichten, positionieren sich deutlich gegen einen Provisionsdeckel. Sogar mancher Wissenschaftler ergreift deutlich Partei dafür, dass es auch weiterhin möglich sein soll, Provisionen in hohem Umfang zahlen zu können.

Das Bild ist falsch

Äußern diese Personen ihre Kritik am Provisionsdeckel, bemühen sie immer wieder ein altertümliches, altbackenes und an dieser Stelle vollkommen falsches sprachliches Bild. Sie sprechen gerne davon, dass wir Verbraucherschützer „dem Vermittler in die Tasche greifen“ wollen würden. Was dieses Bild ausdrücken soll: Mit dem Provisionsdeckel würde der Vermittlerschaft etwas „weggenommen“ werden.

Dieses Bild des „In-die-Tasche-Greifens“ ist schon alleine deswegen ziemlicher Unfug, weil es einfach nicht mehr stimmt. Es würde nur dann Sinn machen, in eine Tasche zu greifen, wenn dort dann auch die Provision in bar zu finden wäre. Die Zeiten, in denen Provisionen, Versicherungsprämien oder anderer Geldverkehr in der Versicherungswirtschaft in bar abgewickelt wurden, sind aber lange schon vorbei. Stattdessen landet das Geld (hoffentlich) für alle nachvollziehbar und transparent auf einem Konto. Wer vom „Griff in die Tasche“ spricht, bemüht unweigerlich ein Bild des letzten Jahrhunderts.

Das ist aber nur eine kleine Kritik an diesem sprachlichen Bild, die dem geschuldet ist, dass ohne nachzudenken, sprachliche Gepflogenheiten der Vergangenheit übernommen werden.
Was aber zusätzlich so gar nicht bei dem Bild passt: Es suggeriert, dass schon Geld als Provision geflossen wäre, weit bevor der Provisionsdeckel zuschlägt. Man kann ja schließlich nur dann etwas wegnehmen, wenn es vorher da war. Das ist aber eben genau das Dreiste an diesem sprachlichen Bild: Es wird so getan als wäre es selbstverständlich, dass erst einmal Geld geflossen ist und der Provisionsdeckel nun zu einer Art „Rückforderung“ führen würde!

Denkt man konsequent durch, was dieses Bild bedeutet. Demnach wäre es selbstverständlich, dass die Vermittlerschaft zunächst reich mit Provisionen beschenkt wird. Für die Vermittlerschaft ist es dann zunächst egal, wie der Versicherer das ausgleicht, der soll gewissermaßen das „Inkasso“ für diese Provision betreiben. Ein Provisionsdeckel würde dann im Nachhinein „in die Tasche greifen“ und dann wieder Geld wegnehmen.

Die Wirklichkeit ist anders 

Die Wirklichkeit ist aber anders: Erst wird der Vertrag geschlossen, dann wird eine (mehr oder weniger) angemessene Provision bestimmt, die dann vom Versicherungsunternehmen ausgezahlt wird (manchmal auch unter Vorbehalt oder ratierlich). Dann erscheint der Provisionsdeckel aber in einem gänzlich anderen Licht. Er führt dann nicht dazu, dass in irgendwelche „Taschen gegriffen“ wird. Vielmehr führt er nur dazu, dass nicht mehr so viel an Geld in die Taschen fließt. Suggeriert das Bild des „In-die-Tasche-Greifens“, dass etwas weggenommen würde, so geht es in Wirklichkeit nur darum, dass weniger gegeben werden soll.

Anders ausgedrückt: Der Provisionsdeckel wird niemandem etwas wegnehmen. Durch den Provisionsdeckel wird niemandem in die Tasche gegriffen oder das Konto geplündert. Der Provisionsdeckel führt nur dazu, dass von vornherein etwas weniger Geld fließt. Deshalb betreibt jeder der das Bild des „In-die-Tasche-Greifens“ bemüht, eine Demagogie gegen die versicherten Personen und gegen die Verbraucher und Verbraucherinnen.

Im Übrigen stelle ich es mir auch nicht besonders schön vor, in fremde Taschen zu greifen. Besonders wenn es um Hosentaschen mancher Herren geht oder die große Handtasche mancher Dame. Ich vermute, allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen der DSGVO würde es sich auch schon verbieten, in fremde Taschen zu greifen. Deshalb plädiere ich auch weiterhin für einen Provisionsdeckel und gegen schräge und falsche sprachliche Bilder.

 

 

 


Kommentare
Kommentar von Norman Wirth  am  06.06.2019 08:50
Lieber Herr Kleinlein,

reine Semantik. Selbstverständlich empfinden jede und jeder, der oder dem ihr oder sein durchschnittliches Einkommen um xy % dauerhaft reduziert werden sollen, dass als ein Griff in ihre oder seine Tasche. Es geht darum, dass einem klar definierten Personenkreis gesagt wird, dass seine Arbeit von nun an weniger wert sein soll. Und das sollen diejenigen beschließen, deren monatliche Diäten in diesem Jahr auf eigenen Beschluss erstmals auf über 10.000 Euro steigen - schwer vermittelbar. Sagen wir es doch deutlich: Es wäre eine staatlich angeordnete Reduzierung und Begrenzung der Vergütung eines ganzen Berufsstandes - der VersicherungsmaklerInnen. Also derjenigen, die gerade als treuhänderische SachwalterInnen der Verbraucher per se in deren Interesse tätig sind. Bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von ca. 50.000 Euro (vor Steuern!) - schwer vermittelbar.

Und zur Wirklichkeit: Mitnichten wird erst der Versicherungsvertrag abgeschlossen und dann bestimmt, in welcher Höhe eine Provision dafür gezahlt wird. Aber das wissen Sie ja.

Vielleicht etwas weniger "Demagogie"-Debatte, als mehr realistische und objektive Betrachtung.

Ihr
Norman Wirth
(der das tradierte in-die-Tasche-greifen Bild an sich auch verunglückt findet, schon wegen der zutreffend von Ihnen benannten Assoziationen)

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