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Kleinleins Klartext

Liebe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,

Liebe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,

 17.06.2015  Kleinleins Klartext  2 Kommentare  Axel Kleinlein

Sie sind gefordert. Sie werden in diesem Herbst kämpfen müssen. Es geht um nichts Geringeres als um Ihr Geld und Ihre Altersvorsorge. Beides steht auf dem Spiel.


Grund dafür ist der Koalitionsvertrag, der vorsieht, dass die betriebliche Altersvorsorge gestärkt werden soll. Dafür werden unterschiedlichste Szenarien diskutiert. Nach den großen Flops „Riester-Rente“ und „Rürup-Rente“ steht nun die „Nahles-Rente“ zur Diskussion. Auch soll zunehmend Ihr Arbeitgeber entlastet werden. Und mit einem „Opt-Out“ sollen Sie, verehrte Arbeitnehmer, einen deutlich stärkeren Druck bekommen, Ihr Geld in eine betriebliche Altersvorsorge zu stecken.

Ein gemeinsames Ziel

Alle diskutierten Maßnahmen haben ein gemeinsames Ziel: Die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge soll vergrößert werden. Noch mehr Arbeitnehmer sollen noch mehr Geld in dieses betriebliche Sparen stecken. Egal ob Sie die Politiker der großen Koalition hören, ob Sie die Empfehlungen der Anbieter verfolgen, ob Sie Ihren Gewerkschaften zuhören, oder aber den meisten Sozialverbänden: Einig sind sich alle darin, dass Sie noch stärker auf Lohn verzichten sollen, damit dann Versicherungen, Pensionskassen und andere mit Ihrem Geld arbeiten und spielen dürfen.

Niemand fragt nach, ob Sie, liebe Arbeitnehmer, das eigentlich wollen. Kein Politiker untersucht, ob sich das für Sie überhaupt rentiert. Kein Gewerkschaftsfunktionär interessiert sich dafür, ob sich Ihre betriebliche Altersvorsorge überhaupt lohnt. All diesen Entscheidern ist es ziemlich egal, ob diese Form der kapitalgedeckten Vorsorge finanziell Sinn macht oder nicht.

Im Gegenteil wird Ihnen, liebe Arbeitnehmer, stets unterstellt, dass Sie eigentlich ziemlich dumm seien, dass Sie nicht sowieso schon mehr Altersvorsorge machen. Ansonsten müsste man ja nicht neue Wege suchen, um Sie zu Ihrem Glück zu zwingen. Sie sollten sich also darüber bewusst werden, dass Sie unserer sozialen Marktwirtschaft schaden, weil Sie nicht unreflektiert sparen.

Sie stehen vor der Wahl

Liebe Arbeitnehmer, Sie stehen vor der Wahl:

Entweder Sie akzeptieren, dass Sie gefälligst nur um des Sparens willen immer mehr Sparen und immer mehr Verzicht üben, nur damit eben noch mehr gespart wird. Sparen als reiner Selbstzweck, bei dem Sie nicht mehr prüfen, ob sich das Sparen rentiert oder nicht. Sparen als neue Form eines zusätzlichen Lohnverzichts, der diesmal nicht über Steuern oder Abgaben abgeführt wird, sondern sogar „freiwillig“ von Ihnen selbst geleistet wird.

Oder aber Sie begehren auf und verweigern sich dem Spardiktat. Sie machen deutlich, dass Sie nur dann sparen wollen, wenn es sich auch rentiert. Dass Sie nur dann Verzicht üben, wenn Sie eine adäquate Gegenleistung bekommen.

Der alte Deal ist aufgekündigt

Warum ich so skeptisch bin, was die Qualität der Angebote der betrieblichen Altersvorsorge angeht? Das sind nur Erfahrungswerte aus der „normalen“ privaten Vorsorge, die sich ja oft nur gering von den Angeboten der „Betrieblichen“ unterscheidet. Und die private Vorsorge funktioniert nun mal nicht mehr so richtig. Strukturell überteuerte Beiträge und eine zu geringe Überschussbeteiligung machen diese Tarife uninteressant. Daran ist nicht nur die Niedrigzinsphase schuld, sondern auch die Politik, die den Unternehmen immer mehr Möglichkeiten gibt, die Überschussbeteiligung abzuwürgen.

Der alte Deal „Überhöhte-Prämien-und-im-Gegenzug-gibt’s-eine-faire-Überschussbeteiligung“ ist aufgekündigt. Und das gilt auch in vielen Bereichen der betrieblichen Altersvorsorge. Viele Arbeitnehmer sind klug beraten, die Angebote der betrieblichen Vorsorge skeptisch zu sehen.

Liebe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, bleiben Sie skeptisch. Glauben Sie nicht den Politikern, Funktionären und Agitatoren, dass betriebliche Altersvorsorge per se sinnvoll sei. Die wollen alle an Ihr Geld!

Mit besten Grüßen

Axel Kleinlein


Kommentare
Kommentar von Eberhard Stopp  am  19.07.2015 14:04
Der Einwurf von Herrn Kleinlein ist nicht nur berechtigt, sondern dringend geboten.
Und ich gehe einen Schritt weiter, die BAV ist lediglich ein Mosaikstein der Privatisierung der Vorsorge. Dabei geht es nicht um die Kundeninteressen, sondern um die Interessen der Anbieter. Die Kosten bei Abschluss der BAV sind hoch, die Sicherheit nicht gegeben ( § 89 VAG), die Portabilität kann, muss aber nicht gelingen, im Osten ist diese Lösung kaum machbar, weil es kaum solche Betriebe gibt, für den Arbeitnehmer/ Pflichtversicherten lohnt sich das ganze nur wenn AG hinzu zahlt. Mit viel Glück ( man könnte auch Lotto spielen ) und auf den Staat ist leider was die Ausgestaltung von Gesetzen, siehe KV – Pflicht bei BAV –Rentenbezug, keine Verlass, der Staat / Gesetzgeber steht fast immer auf Seiten der Anbieter, nicht auf der Seite des Kunden.
Diese Diskussion, vor allem wenn man den gesellschaftlichen Hintergrund berücksichtigt, kann nur geführt werden, wenn - die Alternative -die Stärkung der GRV nicht von vornherein ausgeschlossen wird. Dort wo Anbieter –Interessen im Mittelpunkt stehen, wird diese Diskussion aber nicht geführt. Es geht dabei immer nur um das wie der BAV, aber nicht darum, warum BAV überhaupt sein soll und warum nicht andere Lösungen innerhalb der GRV gesucht werden sollten.
Ich erinnere an die alte Rentenformel zu Blüms Zeiten, wo die Renten mit einem bestimmten Prozentsatz des durchschnittlichen Nettolohne die Konstante ( das ZIEIL ) war und der Beitragssatz die Variable, die dem Ziel zu dienen hatte und somit auch mal steigen musste. Zur Zeit ist der Deal mit den Arbeitgebern: Schrittweiser Ausstieg aus den Sozialkassen, der Zwischenschritt ist den Beitragssatz nicht über 22 % steigen zu lassen. Lohne drastisch senken, was zu Beitragseinbusen bei der GRV führt. Die absichtlich gerissene Lücke soll nun durch untaugliche Produkte wie Rürup-, Riester oder BAV – Renten geschlossen werden, oder ist das gar nicht das Ziel?
Man bedenke die Kosten bei privaten Produkten, die mindestens bei 10 % bis 40 % liegen können. Bei der GRV wären die Kosten 1.5 % Verwaltung und durch die 50 % Beitragszahlung der Arbeitgeber sind die Kosten für den AN null, er gewinnt durch die paritätische Beitragszahlung und durch das Umlageverfahren, was durchaus in der Lage ist, eine auskömmliche Rente zu finanzieren.
Die Sozialverscherungen sind das Hauptmerkmal der soz. Marktwirtschaft, die wir seit 20 Jahren gegen Neoliberalismus eingetauscht haben. Die Altersvorsorge ( als lebensstandardsichernde Rente , ohne Grundsicherung beantragen zu müssen) kann man nicht den privaten Anbietern überlassen, dort steht zuerst das Profitinteresse.
Die Altersvorsorge sollte gemäß GG Artikel 20 durch die GRV geleistet werden. Und das könnte sie auch, wenn man den Beitragssatz anhebt ( die Kosten für den AN sind dabei durch die paritätische Finanzierung viel niedriger als bei privaten Produkten) , die Beitragsbemessungsgrenze anhebt, dann abschafft, alle zahlen von allem Einkommen ein, und Versicherungsfremde Leistungen werden aus Steuergeldern finanziert.
Und bitte komme da jetzt keiner mit der Raffelhüschen –Demografie-Lüge von der alternden Gesellschaft, die sich keine Sozialversicherungen mehr leisten könnte. Denn dann müssten in Indien nur reiche Rentner rumlaufen.
Alterung der Gesellschaft gibt seit über 100 Jahren, wie auch die ständige Steigerung der Produktivität, die man bei dem Thema nicht vergessen sollte.
Und eins sollte man auch mal sehen: Alle die , die Macht hätten, die GRV wieder zu stärken ( Politiker , Bundestagsabgeordnete ) tun es nicht, weil …??? sie selbst von der GRV nicht betroffen sind und den Lobbyisten der Industrie folgen, siehe Riester.
Die Privatisierung der Vorsorge als Ersatz für die bisher von der GRV erbrachte Rentenleistungen ist gescheitert. Das Umlageverfahren hat sich für den Pflichtversicherten als das bessere, effizientere, sichere und kostengünstigre System der Vorsorge erwiesen.
Verhinderung der Altersarmut ist nicht nur die Sache der Pflichtversicherten, sondern aller Staatsbürger, dazu gehören auch Egoisten, Kapitalisten, Lobbyisten, Aktionäre, Manager, Politiker, Abgeordnete, Selbständige, Beamte! So lange diese Gruppe von Menschen aber über die Altersvorsorge der Pflichtversicherten bestimmen (dürfen) wird es immer nur um eins gehen: Profit, nicht um eine solidarische Grundordnung, die jeden auffängt, wo aber auch jeder seinen Beitrags dazu leisten muss.
Eberhard Stopp Versicherungsmakler
Kommentar von Riccardo Wagner  am  19.06.2015 11:36
Hallo Herr Kleinlein - vielen Dank für den durchaus berechtigten Einwurf. Aus meiner Sicht kommen wir aber in der Diskussion nur voran, wenn wir auch über die Sinnhaftigkeit von bAV oder besser Betriebsrenten für Arbeitgeber diskutieren. Einen ausführlicheres Statement finden Sie dazu hier .

http://deutsche-betriebsrente.de/2015/06/liebe-arbeitgeber-engagieren-sie-sich-fuer-die-betriebsrente/

Die besten Grüße

Riccardo Wagner
Chefredakteur, Deutsche Betriebsrente e.V.

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