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Kleinleins Klartext

Liebe Vermittlerschaft, vielleicht sollten Sie auch zur Aktuarstagung kommen!

Liebe Vermittlerschaft, vielleicht sollten Sie auch zur Aktuarstagung kommen!

 24.04.2019  Kleinleins Klartext  0 Kommentare  Axel Kleinlein

Heute geht sie wieder los, die Jahrestagung der Deutschen Aktuarvereinigung, der DAV (nicht Deutscher Alpenverein, Deutscher Anwaltverein oder Deutscher Astrologenverband): Informative Fachvorträge, großartige Diskussionen mit (Ex-)Kolleg*innen und auch die Mitgliederversammlung der DAV, bei der im öffentlichen Teil auch stets heiklere Themen angepackt werden.

Dieses Jahr diskutieren unter anderem für die DAV Roland Weber mit dem Bundestagsabgeordneten der Linken, Matthias Birkwald, über die „Altersvorsorge in Deutschland: Zwischen staatlicher Vollkasko und mehr Eigenverantwortung“. Angesichts der launigen Diskussionen auf unserer Wissenschaftstagung, bei der auch Herr Birkwald dabei war, verspricht das recht unterhaltsam zu werden. Zumal Herr Birkwald immer wieder provozierend das österreichische Vorsorgesystem als „vorbildlich“ in die Diskussion einbringt.

Da passt es, dass in den Fachvorträgen auch „Rechnungsgrundlagen für die Pensionsversicherung in Österreich“ vorgestellt werden. Aber auch „Mortality models for Multiple Populations“ werden diskutiert, wie auch diverse andere Fachthemen behandelt werden. Im Themenumfeld der Lebensversicherung stellt Dr. Priebe von der Allianz auch den erst kürzlich eingeführten Tarif „Fourmore“ vor. Auf diesen Vortrag freue ich mich, habe ich mich doch schon ziemlich intensiv mit „Fourmore" auseinandergesetzt und in einer Rezension für das Manager Magazin meine Skepsis deutlich gemacht.

Der Teufel steckt im Detail

Der Teufel steckt bei diesem Tarif im Detail. Neben der bemerkenswert guten Flexibilität wird nämlich mit Kosten und Kalkulationsgrundlagen gerechnet, die ich nicht schön finde. Die für die Verbraucher*innen negativen Aspekte sind nicht transparent dargestellt und insgesamt ist dieser Tarif ziemlich kompliziert. Deswegen macht es Sinn, dass der Elite der deutschen Versicherungsmathematiker*innen die Hintergründe zum „Fourmore“ auf der Fachtagung vorgestellt werden.

Jetzt kommen aber die Vermittler*innen ins Spiel, die diesen „Fourmore“ dann tatsächlich verkaufen. Die haben nämlich ein Problem: Sie werden nicht auf der Aktuarstagung sein und den Tarif erklärt bekommen. Sie werden auch weiterhin mit Informationsmaterial arbeiten müssen, dass die Feinheiten dieses Produkts nicht erklärt. Die Aktuare bekommen über den Vortrag auf der Fachtagung die Chance, den „Fourmore“ wirklich zu verstehen. Die Vermittler*innen nicht, denn sie sind ja keine Aktuare.

Für die Vermittler*innen ist es aber knifflig, ein so kompliziertes Produkt zu verkaufen. Sie müssen ja umfangreiche Verkaufsregeln einhalten und auch für ihre Empfehlungen haften. Was das besonders schwierig macht: Die Kund*innen, denen der „Fourmore“ erklärt werden muss, sind üblicherweise sehr unbeleckt, was finanzmathematische und aktuarielle Dinge angeht. Im Gegenteil ist die Durchschnittsbevölkerung sehr unwissend, wenn es um Finanzen geht. Wie der Business Insider berichtet, kann nur eine Minderheit der Bevölkerung einfache Fragen zu Zins, Inflation und Geldanlage richtig beantworten.

Vermittler*innen sollen sich mehr anstrengen? Oder Mut zur Lücke?

Man kann sich nun auf die Position stellen und einfordern, dass die Vermittler*innen, die den „Fourmore“ verkaufen wollen, sich im Verkaufsgespräch mehr anstrengen müssen. Das wird aber nicht gelingen bei einem Produkt, welches so kompliziert ist, dass es auf der DAV-Tagung eine besondere Behandlung erfährt.

Eine andere Lösung: Wer den „Fourmore“ verkaufen will, der müsse „Mut zur Lücke“ beweisen. Es ist zwar nicht schön, wenn der Vertrag nicht verstanden wird, und man macht sich als Vermittler*in darüber hinaus auch haftbar, wenn das Produkt nicht richtig erklärt wurde und später nicht passt. Aber da solle man dann wohl auf die Allianz vertrauen, dass das irgendwie gut geht. „Mut zur Lücke“ eben.

Beide Varianten sind nicht in Ordnung.

Eigentlich sollten Versicherungsprodukte so gestrickt sein, dass sie verständlich sind. Und verständlich bedeutet, dass man kein Mathematikstudium mit aktuarieller Spezialausrichtung haben muss, um zu verstehen, wie der Vertrag funktioniert. Er sollte zumindest so verständlich sein, dass jeder der ihn verkauft, nicht auch noch automatisch in eine Haftungsfalle tappt.

Am „Fourmore“ wird das gegenwärtige Dilemma der Lebensversicherung deutlich: Es gibt eigentlich nur noch unverständliche und intransparente Angebote der Lebensversicherer. Das bereitet den Verbraucher*innen große Probleme, die die Verträge nicht verstehen. Und das bereitet den Vermittler*innen große Probleme, die für die Empfehlung haften müssen. Da ist es dann noch mehr ein Schlag ins Gesicht, wenn sich die Allianz-Mutter aus ihrer Haftung für die Allianz-Lebensversicherung leise verabschiedet – hat sie doch unlängst aufgekündigt, für Verluste der Lebensversicherungstochter einzustehen.

PS: Ich bin gespannt auf den Vortrag und auf die Diskussion zum „Fourmore“. Vielleicht lasse ich mich ja davon überzeugen, dass das doch irgendwie alles ganz großartig ist, wie das mit dem „Fourmore“ läuft. Oder vielleicht überrascht die Allianz mit einem Umlenken in ihrer Produktpolitik…

 


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